Bruno Broich

Kategorie: Cluster/Strategien

Am 1. Oktober 2004 hat der Physiker Dr. Bruno Broich die Aufgaben des Hauptamtlichen Vorstands der TSB Technologiestiftung Berlin von Prof. Dr.-Ing. Hanns-Jürgen Lichtfuß übernommen, der in den Ruhestand geht. Der gebürtige Rheinländer ist neu in der Region. Mit der Aufgabe, die auf ihn zukommt, der Förderung von anwendungsorientierter Wissenschaft, ist er gut vertraut: Sein gesamtes Berufsleben hat Dr. Broich an der Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gearbeitet und sich für die Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Innovationen engagiert. Projekt Zukunft sprach mit dem neuen TSB-Vorstand über die vielfältige Wissenschaftslandschaft Berlins, die Bedeutung von Innovationen für die Region und seine zukünftige Aufgabe.

 

Was sind Ihre Eindrücke vom „Neuen Berlin"?

Was jedem, der neu in die Region kommt und sich mit Innovationen beschäftigt, ins Auge fällt und was beeindruckt, sind Vielfalt und Qualität der Wissenschaft. Was hier an universitärer und außeruniversitärer Forschung geleistet wird, ist in Deutschland einzigartig und stellt einen wirklichen Reichtum für die Stadt dar. Es wäre schön, wenn die Menschen, die Berliner und ihre Besucher, zukünftig nicht nur Regierungsbauten, Museen und das Brandenburger Tor an Berlin wahrnehmen, sondern verstärkt auch das Thema Wissenschaft mit der Stadt verbinden würden - das Thema und die Chancen, die sich damit für die gesamte Region verknüpfen. Veranstaltungen wie die "Lange Nacht der Wissenschaften", die die TSB unterstützt, und die Treffpunkte WissensWerte, die sie zusammen mit rbb inforadio und der Investitionsbank Berlin selbst veranstaltet, tragen hoffentlich dazu bei, dies zu erreichen.

Was sind die Kernziele Ihrer Doppelfunktion als Geschäftsführer der TSB Technologiestiftung Innovationszentrum Berlin und der TSB Technologiestiftung Innovationsagentur Berlin GmbH?

Ziel meiner Tätigkeit ist es, Grenzen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft möglichst durchlässig zu machen, mit vielen Verbindungen von hüben nach drüben Dinge in Gang zu setzen. In den Berliner Laboren werden Forschungsprojekte betrieben, die oftmals sehr interessant für die Praxis sind. Wenn sich da die richtigen Leute kennen, gibt es Initialzündungen für Innovationen. Das bringt die notwendigen Impulse für die Stadt. Und das möchte ich: zukunftsträchtige Entwicklungen anstoßen. Neben diesen Netzwerken ist es möglich, herausragende Projekte auch mal ein kurzes Stück auf dem langen Weg von der Forschung in die Anwendung zu fördern. Leider gibt es hier finanzielle Grenzen. Mein Vorgänger, Professor Lichtfuß, hat mir für diese Arbeit ein reiches Erbe hinterlassen. Die TSB hat sich wirklich als Anlaufstelle für nahezu alle innovationspolitischen Fragen in der Stadt etabliert. Meine erste Aufgabe wird es jetzt sein, die Fäden aufzunehmen und möglichst bald mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich freue mich darauf.

 

Im aktuellen Innovationsindex der innovativsten Länder und Regionen Europas steht Berlin auf dem zweiten Platz, knapp hinter Baden-Württemberg, obwohl in mehreren Studien zur Wirtschaftslage Berlin zuletzt schlecht abgeschnitten hatte. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären?

Ich denke, die Probleme Berlins liegen in seiner Geschichte begründet. Aus dem Westteil der Stadt hatten sich viele große Unternehmen schon vor der Wende zurückgezogen, im Ostteil brachen die Betriebe Anfang der 90er Jahre zusammen. Kleine und mittlere Unternehmen, Mittelstand also, der in der Regel das Rückgrat der Wirtschaft bildet, war im Osten gar nicht, im Westen durch die Subventionskultur nur stark verzerrt vorhanden. Das ist der Grund dafür, dass eine kreative und innovative Stadt wie Berlin sich wirtschaftlich so schwer tut. Jetzt kommt es darauf an, die zweifellos vorhandenen Stärken heranzuziehen, um neue Perspektiven zu entwickeln. Der Innovationsindex zeigt, was zu tun ist. Denn die Forschungslandschaft - in Berlin traditionell gut vertreten - hat die Wende im Gegensatz zur Wirtschaft nahezu unbeschadet überstanden. Und hier liegt die Zukunft für Berlin: Denn dies sind die Orte, an denen Innovationen entstehen, die Entwicklung für die Stadt bringen können. Das bestätigt die Sinnhaftigkeit, ja sogar Notwendigkeit der TSB-Arbeit: die Wissenschaft mit der Wirtschaft vernetzen.

 

In welchen Bereichen und mit welchen Potenzialen liegt Berlin vorn und wo gibt es noch Defizite?

Perspektivreich für Berlin sind die Biotechnologie, die Medizintechnik, die Verkehrstechnik sowie die Informations- und Kommunikationstechnologie. Das ist heute unumstritten und darauf konzentriert sich auch die Förderung mit öffentlichen Geldern. Diese sogenannte Kompetenzzentrenstrategie, die gewählt wurde, geht übrigens auf die TSB und ihre regelmäßigen Technologiefeldevaluationen zurück. Daneben sind die Querschnittstechnologien Optische Technologien und Mikrosystemtechnik zu erwähnen. Sie sind in Berlin gut vertreten. Nicht umsonst werden sie „enabling technologies" genannt, weil sie häufig die wichtigen Voraussetzungen für technologische Entwicklungen in allen Technologiefeldern bereitstellen. Wir sind in allen diesen Bereichen auf gutem Wege. Was immer noch besser werden kann, ist das Verständnis der verschiedenen beteiligten Bereiche füreinander und ihre Zusammenarbeit. Teilweise sollten sich die Bereiche selbst besser organisieren. Ich denke da nur an die Verwaltungsapparate an den Hochschulen. Da müsste manches stringenter und schneller laufen. Aber auch die Wirtschaft auf der anderen Seite könnte mehr Interesse für Innovationen haben. Dass Innnovationsfähigkeit auch Wettbewerbsfähigkeit bedeutet, weiß jeder. Entsprechendes professionelles Innovationsmanagement betreiben trotzdem zu wenige. Und die Politik bräuchte den berühmten langen Atem, den sie häufig nicht hat. Systematisches Vorgehen, Kontinuität und Ausdauer sind wichtige Faktoren. gerade wenn es um Innovationen geht.

 

Wie wird sich die TSB weiterentwickeln und wo bewährt sich der Stiftungsgedanke für den Standort Berlin?

Ich würde mich freuen, wenn unsere strategischen Initiativen eines Tages stabile Cluster zwischen Wissenschaft und Industrie bilden würden, die in enger Vernetzung miteinander innovative Entwicklungen einleiten. Wenn diese Cluster dann auch eine Anziehungskraft über die Grenzen der Region entwickeln und F&E-Aktivitäten nach Berlin locken, wäre das ein schöner Erfolg für die TSB. Überflüssig wird eine Einrichtung wie die TSB wohl nie. Im Gegenteil: In einer Zeit, in der der Staat sich aus vielen Bereichen zurückzieht - zurückziehen muss - wird eine private Stiftung wie die TSB als neutraler und unabhängiger Ansprechpartner natürlich immer wichtiger.

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