Deep Dive #12: Berliner Kreativwirtschaft vs. Coronakrise

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Shutdown, Social Distancing, Kontaktverbote, Ausgangssperren – Themen, die bereits jetzt das Jahr 2020 prägen. Deutschland, oder besser gesagt ganz Europa und weite Teile der gesamten Welt stehen vor extremen Herausforderungen, die durch die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 hervorgerufen werden. Die Schutzmaßnahmen, die die Regierung verordnet, um den Verlauf der Pandemie zu verlangsamen und so eine Überlastung des hiesigen Gesundheitssystems zu vermeiden, beeinflussen das private und wirtschaftliche Leben enorm.

Innovationen aus der Krise

Was in diesen Zeiten jedoch auch deutlich wird, ist dass Krisenzeiten oft auch einen guten Nährboden für Innovationen und kreative Ideen bilden. Wenn sich schlagartig vieles so nachhaltig und tiefgreifend verändert, erfordert die Situation neue Wege – und im Fall der Corona-Krise 2020 sind diese neuen Wege oft digital.

Digitalwirtschaft: Hackathons gegen Corona

Es kann einem in der aktuellen Situation Mut machen, zu sehen, wie viele Ideen aus der Startup- und Tech-Szene Berlins sprudeln. Mit Hackathons wird versucht, digitale Lösungen zur Bewältigung der Corona-Krise zu entwickeln. Zahlreiche Akteur*innen aus dem Startup-Ökosystem sind hochmotiviert, ihren Beitrag zu leisten.

Vom 20. bis 22. März fand der vom BMWi in Leben gerufene Hackathon #wirvsvirus zum Thema “Wie können wir als Gesellschaft die Herausforderungen, die im Zuge der Corona Krise entstehen, mit neuen Lösungen gemeinsam meistern?” statt. Unter der Schirmherrschaft des Chefs des Bundeskanzleramtes Prof. Dr. Helge Braun wurden dabei Ideen und vielfältige Lösungen in der COVID-19-Krise gesucht. Die 20 ausgewählten Gewinner des Hackathons finden sich hier.

Für digitale Unterstützung im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus COVID-19 will auch der Hauptstadt-Hackathon Hack the Crisis – Berlin Edition sorgen. Hier soll statt in einem Sprint-, in einem wirklichen Marathon-Format ein vernetztes Ideen-Hub entstehen. Projekte aus den Bereichen Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Modellierung, Simulation und Prognose, Hardware (3D-Druck, Sensorik, Medizintechnik), Bildung, Kultur und Freizeit, Wirtschaft und Mobilität und Information und Kommunikation können eingereicht werden.

Lokal kaufen gegen die Krise

“Wenn du nicht zu uns kommen kannst, kommen wir zu dir”, verspricht die Berliner Initiative #stayhomeclubberlin, die von einem Zusammenschluss lokaler Unternehmen initiiert wurde. Zu bestellen gibt es hier regionale und nachhaltige sowie fair produzierte Produkte. Bei jeder Bestellung kommt eine Spende in Höhe von 5 Euro Berliner Clubs, Veranstalter*innen und Künstler*innen über die Initiative #UnitedWeStream zugute.

Anpassungsfähigkeit und Erfindungsreichtum beweist auch der Verein Buy Local, der bereits 2012 von Buchhändler*innen ins Leben gerufen wurde, mit dem Ziel gegen die kopflose Schnäppchenjagd im Netz und für eine lebendige, lebenswerte Stadt mit einer starken regionalen Wertschöpfung zu kämpfen. Die Krisensituation und der notwendige Schließung von Geschäften, hat sie veranlasst, die Kampagne “Books against Corona” zu starten. Hunderte Buchhandlungen im deutschsprachigen Raum haben über ihre Social-Media-Kanäle gleichzeitig das gleiche Foto geteilt. Damit soll kommuniziert werden, was der Buchhandel leistet. “Nutzen wir gemeinsam diese Chance! Zeigen wir der Welt, dass wir uns nicht unterkriegen lassen und das Buchhandlungen zur Vergangenheit, der Gegenwart und erst recht zur Zukunft gehören”, heißt es dazu im offiziellen Aufruf von Buy Local. Geplant ist auch eine Lösung, bei der telefonisch bestellte Bücher künftig per Fahrradkurier oder Lieferdienst zugestellt werden können.

© Lokalkauf
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Außerhalb des Buchhandels, können Berliner Einzelhändler das Angebot der neuen App LokalKauf nutzen, die bereits aus dem Hackathon #wirvsvirus bekannt ist. Sie liefert eine schnelle Online-Lösung für lokale Geschäfte. Über die App sollen diese in der Corona-Krise die Möglichkeit erhalten, schnell und unkompliziert über die Online-Plattform ihre Produkte digital zu vertreiben.

Eine weitere Idee, lokale Unternehmen zu retten liefert Helfen.Berlin. Über die Plattform können Berliner jetzt Gutscheine für ihre Lieblings-Cafés, -Clubs, -Läden, -Theater und -Restaurants erwerben, die eingelöst werden können, sobald diese Lokalitäten wieder öffnen können. So soll den häufig kleinen Betrieben ohne große finanzielle Rücklagen durch die aktuelle Krise geholfen werden. Betroffene Lokalitäten können sich online für das Gutschein-System registrieren.

Auch das Portal Radkurier24 ist bereits in Berlin verfügbar. Die Kuriere / aber auch Ehrenamtlichen liefern normalerweise alles, was in einen Rucksack passt – und zwar mit dem Fahrrad für den Umweltschutz. Über eine Onlinemap können Hilfsbedürftige direkt und ohne Anmeldung sehen, wo die Kuriere gerade unterwegs und verfügbar sind. Die Kommunikation erfolgt ausschließlich zwischen Endkund*innen und Kurier. Über den Live Radar wählen Kund*innen das Profil des Fahrradkuriers aus und nehmen im Anschluss den Kontakt über SMS, Messenger oder Anruf auf, um die Einkaufsliste mitzuteilen.

Die digitalen Ideen der Musikwirtschaft

Auch die Kreativbranche lässt sich einiges einfallen. Künstler*innen bieten Fan- und Merchandise-Artikel an und rufen zu Spenden auf, da sie durch die Notwendigkeit ihre Shows oder Konzerte abzusagen in existenzbedrohende finanzielle Lagen rutschen. Vielerorts werden Aufrufe gestartet, Musik – ob als Download oder auf Tonträger zu kaufen und Künstler so direkt zu unterstützen, statt die Musik über Spotify oder andere Anbieter zu streamen. Live-Streams erleben aktuell einen ungeahnten Hype. Musiker*innen stellen Streams von Auftritten zuhause oder im Proberaum online zur Verfügung und bitten in diesem Zusammenhang um Spenden und Solidarität. Auch Weltstars wie John Legend oder der Coldplay-Frontman Chris Martin haben bereits Live-Stream-Sessions unter dem Hashtag #TogetherAtHome produziert.

In Berlin, der Stadt mit dem üblicherweise pulsierenden Nachtleben, leiden vor allem auch die Clubs und DJs. Die Initiative #UnitedWeStream wurde deshalb von Berliner Clubs und Veranstalter*innen gegründet. Täglich werden Livestreams online bereitgestellt, um so den Party-Gänger*innen, die sich in der aktuellen Lage von ihrem Hobby distanzieren müssen, zu ermöglichen, sich gewissermaßen ihren Lieblingsclub und -künstler*in für eine bestimmte Zeit ins eigene Quarantäne-Wohnzimmer zu holen. So entsteht ganz nebenbei der größte, digitale Club Berlins, der über Spendenaufrufe der Rettung realer Clubs dienen soll.

© berlin(a)live
© Berlin(a)live

Eine weitere, aus der Not der Kulturschaffenden geborene Initiative ist Berlin(a)live. Sie stellt sich die Frage, “Wie kommt Kultur an ein Publikum, wenn öffentliche Events abgesagt sind?” Egal ob Performance, Konzert, Lesung, Theaterstück, Kabarett, DJ-Set oder Kinderprogramm, Künstler und Kulturschaffende sind bei diesem Programm dazu aufgerufen, als Zeichen lebendiger Solidarität, Ihre Werke als Livestream bereitzustellen.

Viele Künstler/innen und Veranstalter/innen rufen außerdem mit der #AktionTicketBehalten zu Solidarität auf und bitten, Ticketkäufer das Geld für die ausgefallenen Veranstaltungen nicht zurückzufordern und somit als Spende einzureichen.

Eine Branche weiß sich zu helfen: Berliner Kinos im Krisenmodus

Die Krisensituation macht sich auch bei Filmschaffenden und Streaming-Anbietern bemerkbar. Zwar wird aktuell mehr gestreamt, doch fast die gesamte Fernseh- und Filmproduktion wurde weltweit gestoppt und die Dreharbeiten auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Folgen von COVID-19 sind auch hier verheerend. Für viele Darsteller und Crewmitglieder bedeutet das Arbeitslosigkeit und massive finanzielle Einbußen. Auch Kinos stehen bundesweit vor einer ungewissen Zukunft, jedoch regt sich auch in der Branche in der Spreemetropole kreativer Widerstand gegen die Situation: Etwa gibt es für Besucher Möglichkeiten, sein Lieblingskino per Werbung oder direkter Spende über Wasser zu halten (#hilfdeinemKino), ein kuratiertes Streaming-Angebot zu nutzen oder direkt per Crowdfunding-Kampagne Kinos im Verbund zu unterstützen.

Kunst und Kultur: Museen und Galerien werden digital

Die Berliner Museen öffnen ihre digitalen Pforten und laden zu einem Rundgang vom eigenen Sofa aus ein. Das Angebot reicht dabei von virtuellen Museen, über Online-Ausstellungen und downloadbaren Apps zu Ausstellungen bis hin zu Forschungsdatenbanken und Kommunikationsplattformen. Über museum4punkt0 werden virtuelle Angebote bereitgestellt, aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands vernetzen sich Kulturinstitutionen und widmen sich der Frage, wie Museen in Zukunft aussehen könnten und was digitale Technologien dazu beitragen können. Eine Fragestellung, die durch die aktuelle Corona-Krise nur an Wichtigkeit gewinnt.

© Bode Museum / SMB
Bode Museum © Staatliche Museen Berlin

Auch in Berlin werden hier neue Wege gegangen: Die fünf Museen, die sich auf der Berliner Museumsinsel befinden, lassen sich über Google Arts & Culture digital vom heimischen Sofa oder Schreibtisch aus erkunden. Selbst Quarantäne ist so kein Hindernis, sich die Exponate des Alten Museums, des Neuen Museums, der Alten Nationalgalerie, des Bode-Museums oder des Pergamonmuseums in einem digitalen Rundgang anzusehen.

Dass Not erfinderisch macht, hat man selten so deutlich gespürt wie in diesen Tagen. Die vielen Ideen und Lösungen, die in der Digital- und Kreativwirtschaft gesucht und gefunden werden und in Berlin und überall aus dem Boden schießen, geben einen Hoffnungsschimmer in der Krisenzeit. Die Vielzahl und die Schnelligkeit, mit der sich aktuell große Änderungen vollziehen, machen es aber auch fast unmöglich einen kompletten Überblick zu schaffen.

Die hier vorliegende Sammlung kann daher nur als ein Anfang gesehen werden:

Filmwirtschaft

Musikwirtschaft

Modewirtschaft

Kunst & Museen

Theater

Verlagswesen

Branchenübergreifend

In der Themenreihe “Deep Dive” gibt Projekt Zukunft regelmäßig Einblick in aktuelle Technologien der Digital-, Medien- und Kreativwirtschaft und informiert über Akteure, Trends und Anwendungen aus Berlin.

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