Dirk Böndel

Kategorie: Cluster/Strategien

Seit 2004 leitet Professor Böndel das Technikmuseum und wacht über mehr als 40.000 Exponate. Dem Museum ist Dirk Böndel eng verbunden, denn hier begann er 1983 seine Laufbahn als wissenschaftlicher Volontär. Der Experte für Schifffahrtsgeschichte war zunächst für den Ausstellungsbereich Schifffahrt verantwortlich, wurde stellvertretender Direktor und schließlich Direktor und Vorstand der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin. Projekt Zukunft sprach mit Professor Böndel über die Eigenwerbung der Berliner Museen in Zeiten knapper Kassen und die Ausbaupläne des Technikmuseums.

 

Investoren haben Pläne zur Errichtung eines Riesenrades auf dem Museumsgelände vorgelegt. Das fast 180 Meter hohe Riesenrad wäre ein Touristenmagnet, von dem auch das Museum profitieren würde. Sie sind gegen den Bau, warum?

Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Kooperation mit dem World Wheel Berlin (WWB), sondern haben sorgfältig Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen. Schließlich haben für uns die Nachteile überwogen: Der Bau des WWB auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs hätte die vorgesehene Erweiterungsfläche für das Museum um fast die Hälfte reduziert und das Deutsche Technikmuseum Berlin (DTMB) bekäme ein Imageproblem, da eine öffentliche Kultur- und Bildungseinrichtung eng mit einem privatwirtschaftlichen Freizeitunternehmen kooperieren müsste. Das gewaltige Riesenrad hätte den Gebäudekomplex so dominiert, dass das Museum gleichsam als „Anhängsel" - nicht mehr als Deutsches Technikmuseum, sondern als „Riesenradmuseum" - wahrgenommen worden wäre. Weiterhin wird in einem Gutachten eines Freizeitforschungsinstituts bezweifelt, ob das Museum tatsächlich von den Besucherströmen des Riesenrads profitiert hätte. Schließlich sind sowohl unsere Partner, mit denen wir den weiteren Ausbau des Museums vorantreiben wollen, als auch unser britischer Mäzen dezidiert gegen eine Vermengung von WWB und DTMB.

 

Ihr Mäzen will dem Museum 5,5 Millionen Euro spenden. Mit diesem Geld könnte der Museumsausbau weiter vorangehen. Wie sehen die Planungen aus?

Die genannte Summe dient dem Kauf des für den Ausbau erforderlichen Grundstücks. Als erster Schritt könnten noch 2005 - je nachdem, wie schnell die Formalitäten des Grunderwerbs getätigt werden können - einige der jeweils ca. 850 qm großen Segmente der Ladestraße mit einer (provisorischen) Ausstellung zur Geschichte des Straßenverkehrs bestückt werden. Gleichzeitig wird ein Gesamtkonzept für die endgültige inhaltliche, architektonische und gestalterische Realisierung entwickelt, das dann mit der Finanzhilfe externer Partner aus der Wirtschaft schrittweise umgesetzt werden kann. Bei einem Gesamtvolumen von über 25.000 qm Ausstellungsfläche für den Ausbau – also quasi einer Verdoppelung des Museums – ist dabei allerdings mit einem Zeitrahmen von etwa zehn Jahren zu rechnen.

Sammeln, Bewahren, Erforschen, Ausstellen, so könnte die Kurzdefinition für die Aufgaben eines Museums lauten. Sie möchten aus dem Deutschen Technikmuseum ein Kulturforum der Technik" machen. Was ist mit diesem Konzept gemeint und wie ist es zu finanzieren?

Die von Ihnen angeführte Definition eines Museums bleibt in jedem Fall gültig - und sie wird es meiner Ansicht nach auch in der Zukunft bleiben. Wir möchten das Spektrum des Deutschen Technikmuseums allerdings um wichtige Aspekte bereichern: Es soll nicht nur die Vergangenheit betrachtet werden, sondern vor dem Hintergrund der Geschichte sollen aktuelle Fragen der Gegenwart – wie die Abhängigkeit vom Öl, die Problematik der Kernkraft und der Gentechnologie – kritisch und kontrovers diskutiert werden, um Antworten für die Zukunft zu finden. Angesichts knapper Kassen der öffentlichen Hand ist ein solch ehrgeiziges Projekt nur mit Hilfe von Partnern aus verschiedenen Bereichen umzusetzen. Bei diesbezüglichen Gesprächen konnten wir feststellen, dass dieses Konzept, das sich vielleicht mit dem Dreiklang Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft umschreiben lässt, auf reges Interesse stößt.

 

Auf die Eigenwerbung der Berliner Museen bezogen, sprechen Kritiker von einer „MoMAfizierung des Denkens". Müssen vergleichbar große Marketing-Anstrengungen wie bei der MoMA-Schau unternommen werden, die Museen unabhängiger von öffentlichen Geldern machen?

Kultur, Bildung und Wissenschaft bleiben für mich originäre Aufgaben des Staates, den man aus dieser Verantwortung auch nicht entlassen darf. Unabhängig davon ist jede in diesem Bereich tätige Institution verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln und die eigenen Einnahmen zu erhöhen. Durch eine Intensivierung der Eigenwerbung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht lassen sich die Besucherzahlen sicherlich erhöhen, doch maßgeblich bleibt, wofür geworben wird. Die Qualität und die Einzigartigkeit sind letztlich entscheidend dafür, ob eine Ausstellung von den Besucherinnen und Besuchern angenommen wird. Schließlich ist zu bedenken, dass Kulturinstitutionen in der Regel nicht über ein Budget verfügen, das vergleichbare Öffentlichkeitsarbeit und Marketing ermöglicht.

 

Sie sind Schifffahrtsexperte. Was fasziniert Sie an der Geschichte der Schifffahrt? Haben Sie ein Lieblingsexponat?

Persönlich hat mich die Ästhetik alter Segelschiffe begeistert, solange ich zurückdenken kann. An der Schifffahrtsgeschichte kann man zudem hervorragend erkennen, wie eng die Technikgeschichte mit der allgemeinen Geschichte, der Sozialgeschichte, der Kunstgeschichte, der Ökonomie, der Ökologie und der Politik verknüpft ist. In der Ausstellung haben wir versucht zu zeigen, dass viele entscheidende Ereignisse der Weltgeschichte ohne die Schifffahrt nicht möglich gewesen wären - und dass man die Schifffahrtsgeschichte nur verstehen kann, wenn man sie nicht isoliert, sondern vor dem Hintergrund der Weltgeschichte betrachtet.

Die Frage nach dem Lieblingsexponat ist schwer zu beantworten, da die einzelnen Exponate in ihrer Zusammenstellung wirken. Vielleicht ist hier der „Kaffenkahn" zu nennen, der mit seinem zwanzig Meter hohen Mast gleichsam als Wahrzeichen der Ausstellung fungiert und an dem sich das Motto der Ausstellung, „Lebenswelt Schiff", gut veranschaulichen lässt. Bei diesem Wasserfahrzeug handelt es sich nicht um ein besonderes Schiff, sondern um einen Alltagsgegenstand, den es zu Hunderten gegeben hat und der für die wirtschaftliche Entwicklung Berlins von großer Wichtigkeit war.

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