Jutta Strauß

Kategorie: Kunstmarkt

Die promovierte Hebraistin, mit dem Forschungsgebiet deutsch-jüdische Aufklärung, kam im Jahr 2000 zum Jüdischen Museum, um die damals entstehende Dauerausstellung mit aufzubauen. Als wissenschaftliche Leiterin des multimedialen Rafael Roth Learning Centers begann sie Ende 2000, ein Konzept für diese Art der Geschichts- bzw. Kulturvermittlung zu entwickeln. Seit Herbst 2003 ist Dr. Jutta Strauß für die gesamte Medienabteilung verantwortlich. Projekt Zukunft sprach mit ihr über die Aufgaben der Abteilung, den Einsatzmöglichkeiten von Multimedia bei der Wissensvermittlung und die weiteren Pläne des Museums bei der Anwendung multimedialer Bestandteile.

 

Die eigene Medienabteilung gehört zum festen Bestandteil des Jüdischen Museums. Was sind die wesentlichen Aufgabenbereiche?

Die Medienabteilung fasst alle Bereiche des Museums zusammen, die die museumseigene Dokumentation datenbankgestützt organisieren und die mit der Mediennutzung im Museum und im Internet betraut sind. Dazu gehören beispielsweise die redaktionelle Pflege der Website und die Datenbankplanung für die Sammlung. Des weiteren werden die Inhalte für das multimediale Rafael Roth Learning Center produziert. Zur Medienabteilung gehören auch die Bibliothek und weitere Bereiche wie das Fotoarchiv, Scannen und die Copyrightklärung.

Das Learning Center ist der wichtigste Contentbereich der Medienabteilung und bietet dem Besucher im Museum an Computerstationen vertiefende multimediale Informationseinheiten zur deutsch-jüdischen Geschichte an. Diese Geschichten werden im Haus recherchiert, geschrieben und multimedial umgesetzt. Alle Inhalte werden auf Deutsch und Englisch angeboten und richten sich an Nutzer ohne Vorkenntnisse der jüdischen Geschichte und Kultur. Hier sind gerade zwei neue Geschichten veröffentlicht worden, eine über Heinrich Heine, sowie eine Geschichte, die sich speziell an Kinder richtet: „Sansanvis Park".Derzeit in Überarbeitung ist der digitale Katalog, der ebenfalls im Rafael Roth Learning Center zugänglich ist.

Ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich ist die Website, die im letzten Jahr überarbeitet wurde und kürzlich online gegangen ist. Die Inhalte liefern die einzelnen Abteilungen, wobei die Medienabteilung den Prozess steuert und den Inhalt einpflegt. Eine weitere integrale Aufgabe ist die Pflege der verschiedenen hausinternen Datenbanken. Dies ist auch deswegen so wichtig, da zum Beispiel aus der Sammlungsdatenbank Artefact heraus zahlreiche Dokumente erstellt werden, die für die Museumsarbeit essenziell sind, wie das Inventarbuch, Laufzettel für den Ausstellungsaufbau und das Design, Leihverträge, Objektlabels etc. Mittelfristig gehören zu diesem Bereich auch Fragen des Wissenstransfers, d.h. die Entwicklung der Datenbanken hin zu Wissenspoolen, die dem Museumspersonal und in ausgewählten Bereichen dem Publikum zugänglich sind.

In engem Zusammenhang mit der Datenbank steht eine weitere wichtige Aufgabe der Medienabteilung: die Erarbeitung bzw. Integration eines Thesaurus zur deutsch-jüdischen Geschichte und Kultur. Nur mit einem solchen systematischen Wörterverzeichnis ist eine einheitliche Inhaltserschließung der Objektdaten in den verschiedenen Datenbanken gewährleistet. Der Thesaurus kommt nicht nur dem Jüdischen Museum zugute, sondern ist auch für andere Institutionen von Interesse die sich mit dieser Thematik beschäftigen.

Der Bereich Copyrightklärung besorgt als Serviceabteilung die Nutzungsrechte für alle Fotos und Filme, die im Jüdischen Museum Berlin ausgestellt oder in anderer Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sie arbeitet dabei eng mit dem Fotoarchiv zusammen. Dieses umfasst die Reproduktionen aller Sammlungsbereiche (z.B. Gemälde, Judaica, Dokumente etc.) und Fotografien von Veranstaltungen im Haus sowie der Architektur. Darüber hinaus werden die Fotobestände wissenschaftlich aufgearbeitet.

Die Bibliothek des Jüdischen Museums Berlin ist mit ihrem öffentlichen Präsenzbestand eine wichtige Serviceeinrichtung für interne und externe Wissenschaftler. Zudem engagiert sich die Bibliothek in verschiedenen Verbundprojekten und Arbeitsgruppen, deren Ziel es ist, Judaica/Hebraica im Netz zugänglich zu machen.

 

Beim Aufbau des jüdischen Museums gehörten multimediale Inhalte zum Konzept. Wie setzen Sie Informationstechnologie in Ihrer täglichen Arbeit im Museum ein und wie können die Besucher multimediale Angebote nutzen?

Die multimedialen Angebote des Rafael Roth Learning Centers können von jedem Besucher genutzt werden. Die Museumsmitarbeiter, die sogenannten "Hosts", stehen auch im Learning Center bereit, um dort Besuchern zu helfen, die mit Computeranwendungen nicht sehr vertraut sind. In Zusammenarbeit mit der Bildungsabteilung bieten wir sogenannte „Kombinationsführungen" an, die den Besuch eines Kapitels der Dauerausstellung mit einer multimedialen Anwendung kombinieren (z.B. die Führung „Überleben mit Musik").
Auch bei den Ausstellungen setzen wir, wo es den Vermittlungszielen angemessen ist, immer wieder multimediale Anwendungen ein, um dem Ziel gerecht zu werden, Besuchern aller Altersgruppen Informationen über das deutsche Judentum und seine Kultur zu vermitteln. Hierbei unterstützt uns die moderne Informationstechnologie hervorragend und macht manche Inhalte leichter zugänglich.

Dank einer Spende der Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung haben wir sehr viele Abbildungen digitalisiert, um sie in der täglichen Museumsarbeit für verschiedene Zwecke einzusetzen, z.B. für die Recherche, Ausstellungen, Publikationen und das Learning Center. Eine umfassende Digitalisierung ermöglicht langfristig auch die Möglichkeit der externen Recherche.
In der Bibliothek steht den Besuchern nach Anmeldung eine Sammlung von über tausend Interviews der Shoah Foundation als DVDs zur Verfügung, die nach bestimmten Suchkriterien erschlossen werden können.
Da das Museum von Anfang an eine stark medienbezogene Ausrichtung hatte, ist das Haus insgesamt sehr gut vernetzt und verfügt über ein großes Storage-System (zur Zeit sind ca. 1,12 Terabyte im Einsatz).

 

Sehen Sie Multimedia, Virtuelle Realität und Cyberspace als geeignete Instrumente an, um vergangene und gegenwärtige Wirklichkeit zu dokumentieren und insbesondere jüngere Besucher anzusprechen?

Das Museum ist ja ein Medium, das sich über den Bezug zur Vergangenheit definiert. Dabei ist seine Beziehung zum Vergangenen einerseits eine bewahrende und andererseits eine interpretierende. Der Einsatz neuer Medien in Museen beeinflusst - wie bereits erkennbar - beide Aufgaben. Das Jüdische Museum Berlin sieht es als seine Aufgabe, deutsch-jüdische Geschichte und Kultur so aufzubereiten, dass sie für Menschen jeden Alters und mit verschiedenen Vorkenntnissen interessant und verständlich ist. Multimedia kann dabei helfen, komplexere Sachverhalte anschaulich darzustellen. Eine wichtige Zielgruppe sind Schüler, diese sind den multimedialen Angeboten gegenüber sehr aufgeschlossen.

Ein Beispiel dafür ist das Computerspiel "Sansanvis Park", das sich an Kinder ab 6 Jahre wendet und im Learning Center zugänglich ist. Hier versucht das Museum mit Hilfe einer multimedialen Aufbereitung und Spielen einige Aspekte der jüdischen Lebenswelten heute für Kinder verständlich zu machen. Vor allem solche, manchmal doch etwas „trockeneren" Themen können durch multimediale Umsetzung leichter vermittelt werden. Außerdem werden mit dem Einsatz neuer Technologien auch Menschen angesprochen, die sonst vielleicht nicht in das Museum kommen bzw. als Besucher andere Fragestellungen haben. Trotzdem sollten technische Anwendungen im Museum nicht um ihrer selbst willen eingesetzt werden - Ausgangspunkt bleibt immer die Mission der Institution bzw. die Ziele der Besuchervermittlung.

 

Welche Möglichkeiten ergeben sich auch international durch den Einsatz von Informationstechnologie, etwa bei der Vernetzung mit anderen jüdischen Museen?

Der Vernetzungsgedanke ist natürlich sehr interessant, gerade auf dem Gebiet der jüdischen Geschichte und Kultur. Die Zeitläufe haben ja dazu geführt, dass diese Artefakte und Dokumente sehr fragmentarisch sind bzw. in ganz Europa oder sogar weltweit verstreut liegen.
Eine Vernetzung mit anderen jüdischen Museen, Archiven und Bibliotheken, aber auch Forschungseinrichtungen, könnte daher langfristig dazu führen, dass sich bestehende Lücken in diesem „Wissensmosaik" nach und nach teilweise füllen und so neue oder umfassendere Kenntnisse gewonnen werden.
Abgesehen von einem Zugewinn an Wissen, den ein verstärkter Austausch nach sich zieht, könnte solch eine Vernetzung Quellen und Artefakte auch leichter für Forschende zugänglich machen. Auf diesem Gebiet gibt es schon einige Initiativen; dennoch wäre ein groß angelegtes, EU-basiertes Projekt erstrebenswert.

 

Wie sehen die weiteren Pläne beim Multimedia-Einsatz aus, etwa bei der Aufbereitung der Archivbestände für die Besucher, oder die Bekanntmachung der Ausstellungen?

Mit der Website des Museums bieten sich in Zukunft noch bessere Möglichkeiten, Ausstellungen und einzelne Bereiche des Museums vorzustellen oder interaktive Elemente einzubinden. Auch die Digitalisierung der Bestände, zum Beispiel von interessanten Hebraica oder die Neugestaltung des digitalen Katalogs, sind wichtige Anliegen. Es gibt auch Überlegungen, wie Museumsinhalte zusätzlich mittels Informationstechnologie transportiert werden können, sei es vor Ort, auf Speichermedien oder im Netz, also Anwendungen, die unter dem Stichwort „E-Learning" subsumiert werden können.
Digitalisierung und multimediale Anwendungen sind aber auch immer arbeits- und kostenintensiv, daher muss man sehen, was in der Zukunft alles umgesetzt werden kann.

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