Michael Ronen of Splash

Kategorie: Zukunftsköpfe

© Splash

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Wer denkt, dass er spezielle Hardware benötigt, um virtuelle Realität, kurz VR, zu kreieren oder zu erleben, der irrt. Das Berliner Startup Splash hat eine App entwickelt, die es jedermann ermöglicht, 360-Grad-Videos mit dem eigenen Smartphone aufzunehmen und mit anderen über Social-Media zu teilen. Kurz zuvor erst im Appstore hochgeladen, gewinnt das Startup gleich den Accelerator-Wettbewerb bei der South by Southwest in den USA. Gründer Michael Ronen erläutert, wie die App „Splash“ das Aufzeichnen von 360-Grad-Erlebnissen ermöglicht, was Splashes sind und wieso es internationale Gründer nach Berlin zieht.

Guten Tag Herr Ronen, bevor wir über Ihre App und Ihre jüngsten Erfolge sprechen: Sie kommen aus Israel. Auch Tel Aviv ist als Startup Metropole bekannt. Was war ausschlaggebend, sich mit Ihrem internationalen Gründerteam in Berlin niederzulassen? Wie beurteilen Sie das Berliner Ökosystem?

Eigentlich bin ich 2007 nach Berlin gekommen, um als Direktor am Theater zu arbeiten und ein Kunstprojekt, das ich ursprünglich in London initiiert hatte, umzusetzen. Berlin ist ein guter Ort für solche Projekte, da es möglich ist, am Wissenstransfer teilzunehmen und weil die Stadt sehr vielfältig ist. Nach und nach wechselte ich dann aus der Welt des Theaters in die Entrepreneurship-Szene über und wurde schließlich Teil des Startup-Ökosystems: zunächst als Entrepreneur im Betahaus, danach im Accelerator „You is Now“ und im Founder Institute oder auch durch Besuche von Events, beispielsweise dem Tech Open Air. In meinem ersten Startup kamen wir dann auf die Idee, eine neue Plattform zu etablieren, die nur in diesem speziellen und einzigartigen Berliner Umfeld entstehen konnte: Wir wollten das erste soziale Netzwerk für virtuelle Realität kreieren. Unsere Ausgangsüberlegung lautete dabei: Wie können Nutzer Inhalte in 360-Grad, also in virtueller Realität, ohne großen Aufwand kreieren? Und zwar mit den Mitteln, über die wir bereits verfügen – beispielsweise mit dem Smartphone. Berlin hat den Vorteil, dass die Menschen risikobereiter sind, weil die Stadt über eine gut etablierte Kunstszene verfügt, in der man von Natur aus eher dazu bereit ist, Risiken einzugehen. In der Stadt und der Umgebung gibt es zudem viele gute Talente aus der ganzen Welt, was uns die aktuelle Suche nach neuen Mitarbeitern erleichtert. Auch hier zu leben, ist vergleichsweise günstig.

Um über einen Ihrer jüngsten Höhepunkte zu sprechen: Sie haben sich beim US-Tech-Festival South by Southwest, einem der weltweit renommiertesten Startup-Wettbewerbe, gegen knapp 50 andere Teams durchgesetzt. Glückwünsch zu diesem Erfolg! Wenn Sie zurück blicken: Wie hoffnungsvoll waren Sie vor und wie überrascht nach dem Wettbewerb?

Zur South by Southwest sind wir mit einem großen Ziel gefahren: Wir wollten so viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen wie möglich. Die Botschaft sollte lauten: Wir sind hier. Splash ist hier. Schließlich haben wir einige Wettbewerber im Silicon Valley. Und da gibt es nur eine Option: Wir mussten gleich zum Start einen Sturm verursachen. Die einzige Wahl für uns war tatsächlich, diesen Wettbewerb zu gewinnen – was natürlich alles andere als einfach war: Die Jury war äußerst kritisch, die Wettbewerber sehr gut. Ausschlaggebend war letztendlich, dass die Jury unser Potenzial erkannt hat. Überzeugen konnten wir sie wohl auch, weil wir kurz vor dem Festival die App als Minimum-Viable-Product in den Appstore gestellt hatten und bereits Nutzer und damit auch einen ersten „Proof-Of-Concept“ hatten.

Zu Ihren Vorgängern als Preisträger zählen neben dem deutschen Startup Sonormed, Entwickler der Tinnitus-App Tinnitracks, auch heutige IT-Größen aus den USA wie der Kurznachrichtendienst Twitter oder Foursquare, das Orte in der näheren Umgebung empfiehlt. Für wie viel Trubel hat die Auszeichnung in Ihrem Fall schon gesorgt?

Die Auszeichnung hat viel Aufmerksamkeit, beispielsweise von der Presse hervorgerufen. Wir haben aber auch viele neue „Early-Adaptor“, also neue frühe Nutzer gewonnen. Unser Aufruf an die Berliner Startup-Szene lautet nun, Teil von Splash zu werden, eigene Erlebnisse in 360-Grad einzufangen und zu teilen. Ganz egal, ob es Touren sind, Partys, Meetups oder andere Events. Startups können beispielsweise auch ihre Büroräume zeigen und so die Unternehmenskultur vermitteln, um neue Mitarbeiter anzuwerben.

Nun ist virtuelle Realität eines der Top-Themen des Jahres. Noch glauben viele Menschen allerdings, dass man, um VR zu erleben, eine spezielle Brille oder eine eigens entwickelte 360-Grad-Kamera benötigt. Wer Ihre App runterlädt kann dagegen durch „Live Stitching“ virtuelle Erlebnisse mit dem eigenen Smartphone kreieren – einen Splash, wie Sie es nennen. Wie funktioniert dies?

Splash ist eine App, die es ermöglicht, sehr einfach virtuelle Videos in 360 Grad zu kreieren. Dazu nimmt man den gesamten Raum, in dem man sich befindet, nach und nach auf. Dafür drückt man mehrmals auf den Kamera-Button und fängt so die gesamte Umgebung ein. All diese einzelnen Aufnahmen erscheinen in einem Splash in einem einzigen Raum in 360 Grad. Der Betrachter hat daher den Eindruck, dass es ein zusammenhängendes 360-Grad-Erlebnis ist. Ein Beispiel: Wenn ich mit Ihnen in einem Raum sitze, würde ich einfach das Umfeld einfangen, etwa die Tapeten an der Wand, den Boden und die Decke, dann würde ich einfangen, wie Sie dort sitzen und essen. Ein anderer würde am Fenster stehen und ein Fenster öffnen. All diese Handlungen werden einzeln aufgenommen und zu einem einzelnen Splash zusammen gefügt. Über soziale Medien, wie Facebook oder Youtube, kann ich diesen Splash dann mit anderen teilen. Wer ein Google-Cardboard besitzt, kann natürlich auch dieses nutzen und so das Gefühl haben, sich unmittelbar in dem Raum des Splashes zu befinden.

Auf was darf sich die Splash-Community in diesem Jahr denn noch freuen?

Wir haben tatsächlich noch einiges vor. Am 20. Juni werden wir unseren eigenen 360-Grad-Player launchen, der auf anderen Websites eingebunden werden kann, um unsere Splashes abzuspielen. Dann kann ich auf jeder Seite, ohne diese zu verlassen, 360-Grad-Videos sehen. Zudem werden wir an diesem Tag auch eine neue Version unserer App in den Appstore stellen. Unsere App, die wir kurz vor der South by South West in den Appstore gestellt haben, ist ja eher eine öffentliche Alpha-Version, die nur über einen kleinen Teil des eigentlichen Kernprodukts verfügt. Die neue Version wird einige neue Funktionen haben, beispielsweise können Sie dann andere Nutzer finden und diesen folgen. Bis Ende des Jahres haben wir zudem ein paar weitere Dinge vor. Unter anderem werden wir ermöglichen, in einem Splash bestimmte Gebiete und Dinge zu „liken“ und zu kommentieren. Beispielsweise erhält der Urheber eine Nachricht, dass jemand anderem seine Schuhe in seinem Splash gefallen. Der Urheber kann nun wiederum direkt im Splash über die Kommentarfunktion Fragen zu bestimmten Dingen beantworten, zum Beispiel nach der Herkunft der eigenen Schuhe. So ermöglichen wir Dialoge, die mit bestimmten Dingen in einem Splash zusammenhängen.

Allerdings ist VR noch immer eher ein Nischenmedium – ab wann denken Sie wird es als Massenmedium wahrgenommen?

Für uns beginnt virtuelle Realität mit 360-Grad. Dies ist auch die Grundlage, um Begeisterung für VR zu entfachen. Schließlich kann man sich so, noch bevor man spezielle Hardware hat, über VR-Erlebnisse freuen. Wir aus der Startup-Szene sind dabei natürlich Early-Adopters. Allerdings sind auch große Firmen wie Google, Facebook oder Microsoft auf dem Markt aktiv. In den nächsten zwei Jahren sollten wir ein stetiges Wachstum von Menschen sehen, die virtuelle Realität konsumieren – etwa in der Spiele- und Unterhaltungsbranche. Wir sehen auch, dass sich im Bereich der mobilen virtuellen Realität viel bewegt. So kommen immer mehr Cardboards auf dem Markt. Der große Impuls wird schließlich von mobiler VR ausgehen, da wir bereits alle erforderlichen Geräte dafür haben. Auch unsere App ist dabei ein wichtiger Schritt. In zwei bis fünf Jahren wird VR dann deutlich stärker dominieren als heutzutage. In zehn Jahren werden wir Menschen sehen, die auf dem Bürgersteig gehen, aber gar nicht mehr auf die eigentliche Umgebung achten. Über Mixed-Reality-Brillen werden sie stattdessen gleichzeitig in der echten und der virtuellen Realität sein. Es wird so üblich sein, diese Brillen zu tragen, wie es heutzutage üblich ist, ein Smartphone zu besitzen.

Herr Ronen, abschließend nochmal zurück zu Ihrem gegenwärtigen Unternehmenssitz. Können Sie bitte folgenden Satz vervollständigen: Berlin ist…

… ein vielfältiger, kreativer Ort, um Dinge zu kreieren, die wichtig sind.

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