Robert Tolksdorf

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Robert Tolksdorf ist Professor für Praktische Informatik an der Freien Universität Berlin mit dem Fachgebiet netzbasierte Informationssysteme. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen Web- und XML-Technologien, offene verteilte Systeme und Koordinationssprachen. Der Berliner Wissenschaftler ist Autor mehrerer Fachbücher, darunter "Die Sprache des Web", eines der allerersten Standardwerke zu HTML. Von der Arbeitsgruppe "netzbasierte Informationssysteme" (NBI) wird das Projekt XML-Clearinghouse, ein Teilprojekt innerhalb der Technologieinitiative von Projekt Zukunft, durchgeführt. Unter der Leitung von Professor Tolksdorf arbeitet die Gruppe in verschiedenen drittmittelgeförderten nationalen und internationalen Projekten in den Bereichen XML-Technologien und Semantic Web. Im Interview mit Projekt Zukunft spricht Robert Tolksdorf unter anderem über die Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft bei XML-basierten Anwendungen, die aktuellen Forschungsprojekte an der FU Berlin und die Aktivitäten des Vereins xmlcity:berlin.

XML hat sich als Daten-Austauschformat im Internet etabliert. Was sind kurz zusammengefasst die Vorteile der IT-Basistechnologie für Entwickler und Anwender?

XML bietet die Grundlage für einfachere Kommunikation zwischen Systemen und Anwendungen unterschiedlicher Hersteller. An die Stelle einer Fülle proprietärer und binärer Formate tritt eine wohldefinierte Austauschsprache, die auf offenen Standards beruht. Durch heute für alle Plattformen verfügbare Programmbibliotheken ist es für Anwendungsentwickler sehr einfach, eine offene Kommunikationsschnittstelle anzubieten. Selbst hinter den Kulissen arbeiten auch weitere Standards wie Web Services oder Semantic Web mit XML-Formaten.

Anwender profitieren von der zunehmenden Konvergenz hin zu XML-basierten Austauschformaten und Schemata, die für spezifische Branchen zugeschnitten sind. Im Bereich Reisen haben sich beispielsweise über 130 weltweit führende Fluggesellschaften, Hotelketten, Autovermieter und IT-Anbieter zusammengetan, um ein einheitliches XML-Schema zu definieren. Es ist somit die technologische Grundlage und auch der Wille vorhanden, den Datenaustausch zum gemeinsamen Nutzen erheblich zu erleichtern. Diese Konvergenz lässt sich mittlerweile in sehr vielen Branchen beobachten und ist durch XML beschleunigt worden.

An der FU Berlin hat sich unter Ihrer Leitung die Arbeitsgruppe netzbasierte Informationssysteme (NBI) gegründet. Ergibt sich daraus ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich mit anderen, auch europäischen Universitäten?

Wir haben uns in den letzten Jahren auf Technologien konzentriert, die neu standardisiert sind, mit denen aber noch keine wirklichen Anwendungserfahrungen gesammelt wurden. So forschen wir an Semantic Web Anwendungen, um herauszufinden, wie man die Technologien einsetzen sollte und wo genau dadurch Mehrwert entsteht. Die dadurch ermittelten Vorgehensweisen und Kostenmodelle sind von hohem Interesse nicht nur für Anwender, sondern auch für die Universitäten, an denen mehr Gewicht auf die Fortentwicklung der Basistechnologien gelegt wird. Wir setzen also etwas später im Lebenszyklus netzbasierter Technologien an und füllen damit einen für die Anwender sehr relevanten Platz in der Forschungslandschaft aus.

Was sind die wichtigsten aktuellen Forschungsprojekte Ihrer Arbeitsgruppe?

Neben den laufenden Anwendungsprojekten zu Semantic Web in den Bereichen Medizin, Tourismus oder eRecruitment arbeiten wir seit dem Frühjahr am EU geförderten Projekt TripCom, in dem eine neuartige Middleware zu Kommunikation und Koordination in großen vernetzten Systemen entwickelt wird. In dem Verbund mit acht europäischen Universitäten und Unternehmen kombinieren wir Ideen aus den Bereichen Semantic Web, Web Services und Koordinationssprachen für eine neuartige Infrastruktur für Web-basierte Dienste. Wie im Web Seiten auf Servern dauerhaft abgelegt werden, kommunizieren Dienste ihre Ergebnisse nicht einmalig über Verbindungen sondern legen sie zunächst persistent in einem intelligenten Speicherraum ab. Wir können somit neue Interaktionsformen ermöglichen und erwarten erhebliche Einflüsse auf die zukünftige Diensteinfrastruktur im Web durch dieses neue Paradigma.

Sie engagieren sich im Verein <xmlcity:berlin>, was sind die Vereinsziele, und welcher Nutzen ergibt sich für die Mitglieder?

In Berlin gibt es eine sehr agile Landschaft aus kleineren und mittleren Unternnehmen sowie Forschungseinrichtungen, die innovative IT-Lösungen mit XML entwickeln. Bei einer solchen Basistechnologie ist es für alle Beteiligten von Vorteil, eng miteinander vernetzt zu sein. XML befördert die Kooperation zwischen Anwendungen und Systemen, dies trifft aber auch für die Entwickler und Forscher zu, bei denen Know-how und Interessen oft komplementär sind. Der Verein xmlcity:berlin bietet einen exzellenten Rahmen für diese Vernetzung, sei es durch informelle gegenseitige Kontakte oder aber durch ein gemeinsames Auftreten als Institution von mittlerweile ansehnlicher Größe.

In Berlin arbeiten neben der Forschung auch Projekte wie die Plattform für intelligente Kollaborationsportale oder Berlin - Stadt des Wissens an der Entwicklung XML-basierter Anwendungen. Welche Standortvorteile ergeben sich aus der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft?

Berlin hat bekanntermaßen eine einzigartige Landschaft aus Forschungseinrichtungen und kleinen und mittleren Unternehmen. Die Chance zur Vernetzung ist dabei ein echter Standortvorteil, der beispielsweise durch die genannten Initiativen genutzt wird. Es besteht ein hohes nutzbares Potenzial zum Transfer von Wissen aus der Forschung in innovative Produkte. Wir können starke Verbünde bilden, die die dabei notwendige Integration und Forschung leisten. Das hohe Vernetzungspotenzial ist auch von großem Vorteil für neue Unternehmen, denen wir in Zusammenarbeit mit der Gründungsförderung der FU Berlin beim Start in den Markt helfen.

Gleichzeitig haben wir als Universität aber auch die Möglichkeit, unsere Forschung und Lehre an realen Anforderungen auszurichten und so die Chancen unserer Absolventen der FU Berlin am IT-Arbeitsmarkt zu erhöhen. Es passiert mir öfter, dass ich von Unternehmen aus den genannten Netzwerken sehr positive Rückmeldungen über FU-Absolventen erhalte, deren Abschlussarbeit ich vor kurzem noch zur Begutachtung hatte.

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