Richard Huber ist seit Januar 2006 neuer Leiter Marketing und Kommunikation bei der Fachinformationszentrum Chemie GmbH. Der 40jährige Diplom-Ingenieur, Fachrichtung Technische Informatik, absolvierte sein Studium an der Technischen Fachhochschule Berlin und ist seit mehr als sechs Jahren für FIZ Chemie Berlin tätig. Zuletzt verantwortete er als Gesamtprojektleiter die Koordination der Entwicklungsarbeiten zum Vernetzten Studium - Chemie (VS-C), einem Leitprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Erstellung digitaler Lehr- und Lerninhalte für die universitäre Chemieausbildung.
FIZ Chemie Berlin ist eine von Bund und Ländern geförderte gemeinnützige Einrichtung mit der primären Aufgabe, der Wissenschaft, Lehre und Industrie Informationsdienstleistungen im Bereich der allgemeinen Chemie, chemischen Technik und angrenzender Gebiete zur Verfügung zu stellen. Projekt Zukunft sprach mit Richard Huber über seine neuen Aufgaben, über die Tendenzen der Vermarktung und wie eLearning Lernen und Lehren verändert.
Sie sind seit vielen Jahren für FIZ Chemie tätig, wo werden Sie die Schwerpunkte in Ihrer neuen Aufgabe als Marketingleiter setzen?
Meine Schwerpunkte liegen in der Schärfung des Profils des öffentlichen Auftritts des FIZ Chemie Berlin, der Ableitung neuer Produktgruppen aus bestehenden Projekten und der Koordination der Erstellung zugehöriger „product identities". Darüber hinaus gilt es, eine stärkere Prozessorientierung der internen Marketingabläufe umzusetzen, eine stärkere Integrierung der ISO 9001:2000 Strukturen zu erreichen, Routineprozesse zu formalisieren und nicht zuletzt die Kontinuität der Öffentlichkeitsarbeit zu gewährleisten.
Wo kommt dieses eLearning-Angebot an den Hochschulen bereits
zum Einsatz?
Insgesamt fünfzehn universitäre Partner aus Deutschland, Großbritannien und der Schweiz leisteten ihren Beitrag zur Erstellung der qualitativ hochwertigen Inhalte (ca. 14.000 multimedial gestaltete, interaktive Inhaltsseiten). Diese Universitäten nutzen heute das VS-C intensiv. Seit September 2004 wird das Gesamtmaterial frei zugänglich im Internet bereitgestellt. Die Nutzung ist für Universitätsangehörige kostenfrei. Anhand der Nutzerstatistiken zeigt sich, dass Studenten und Hochschullehrer nahezu aller Hochschulen im deutschsprachigen Raum rege auf die Inhalte zugreifen. Ebenfalls hoch ist die Zahl der Zugriffe von Schulen. Weiterhin finden sich Nutzer nahezu aller deutschen Großunternehmen aus den Bereichen Chemie, Verfahrenstechnik, Automobil- und Maschinenbau. Die Gesamtzahl der Zugriffe im November 2005 belief sich auf 135.000.
Welche Vermarktungspotenziale, auch international, sind für eLearning erkennbar?
Derzeit findet im Bereich des eLearnings ein deutlicher Konzentrationsprozess statt. Dieser wird charakterisiert durch eine Reihe nachfolgend kurz gelisteter Tendenzen:
Der allmählichen Abkehr von der technischen Betrachtungsweise des eLearnings
- eLearning wird als unterstützende Maßnahme im Gesamtumfeld Aus-, Fort- und Weiterbildung erkannt und nicht mehr als Allheilmittel zur Neudefinition von Lernen.
- Kleine Plattformanbieter ziehen sich vom Markt zurück oder werden von anderen Anbietern übernommen.
- Es besteht eine sehr hohe Nachfrage nach englischsprachigem Content; der Markt für deutschsprachigen Content ist nach wie vor schwach entwickelt.
- Die Recherche in Suchmaschinen wie Google wird mit Lernen und Fachinformation verwechselt.
- Die rasante Verbreitung von freien (Open Source) Plattformen.
- Die unzureichenden Erfahrungen mit der Strukturierung und Administration großer, mehrsprachiger Content-Sammlungen
- Die Adressierung potenzieller Kunden erfolgt mit zum Teil irreführenden Argumenten und Methoden
Alle diese Beobachtungen und Erfahrungswerte von Messen, Kongressen und aus zahlreichen Einzelgesprächen bedürften einer ausführlichen Erläuterung, die jedoch den Umfang dieses Gesprächs sprengen würden.
Wie verändert eLearning das Lernen und Lehren? Was sind die Vorteile und welche Potenziale kann Berlin hier vorweisen?
Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten. Zu unterschiedlich sind die Teilgebiete, die heute landläufig unter dem Oberbegriff eLearning zusammengefasst werden. Unterhalb des sehr unspezifischen Begriffes finden sich z. B. die Aspekte multimediales Lernen, Fernlernen, ferngesteuerte Experimente, Blended Learning, explorativ-, entdeckendes Lernen, etc. Jeder dieser Aspekte für sich genommen hat tiefgreifende Einflüsse auf die Art und Weise des heutigen Lernens. Eine genaue Schilderung der einzelnen Aspekte und ihrer Möglichkeiten, des aktuellen Nutzungsgrades und der damit verbundenen Kosten-/Nutzenanalyse würde den Umfang eines mittleren Taschenbuches einnehmen.
Berlin besitzt hierbei enorme Potenziale. In der Hauptstadt gibt es zahlreiche Universitäten, Fachhochschulen und andere private und öffentliche Bildungsträger, die in Teilen oder als Institutsverbund bereits unterschiedlichste Formen des eLearnings mit den oben genannten Teilaspekten betreiben. Unterstützend könnte hier eine zentrale Koordinationsstelle wirken, die in der Lage wäre, die vielfältigen, unterschiedlichen Einzelvorhaben und Teilforschungsgebiete zu sammeln, und für breite Benutzergruppen transparent zu machen.