Dr. Jan Wergin

Dr. Jan Wergin ist seit März 2010 Chief Technical Officer (CTO) bei Bigpoint, dem weltweit größten Portal für Browser-Games mit Stammsitz in Hamburg. Als CTO verantwortet er den Development-Bereich – dies umfasst die Leitung der IT-Abteilung und die Koordinierung der Spieleprogrammierung bei Bigpoint. Das Unternehmen hat in diesem Jahr die Spieleschmiede Radon Labs übernommen und deren Mitarbeiter in die neue Bigpoint GmbH in Berlin überführt.

Bigpoint hat kürzlich das renommierte Unternehmen Radon Labs übernommen. Was erhoffen Sie sich von diesem Schritt?

Herr Wergin: Schon vorher hatten wir das strategische Ziel, neben unserem Stammsitz in Hamburg einen zweiten Entwicklungsstandort in der Hauptstadt aufzubauen. Hierzu hatten wir bereits vor einem Jahr das Berliner Entwicklerstudio eLOFD gekauft. Berlin lag als Ziel für uns nahe, weil es zwischen den beiden Städten eine sehr gute Verkehrsverbindung gibt und sich die beiden Metropolen in puncto Mentalität und Internationalität gut ergänzen. Als es dann zur Insolvenz von Radon Labs kam, hieß das für uns, bei einer Übernahme auf einen Schlag einen großen Pool an hoch qualifizierten und erfahrenen Entwicklern und Managern zu gewinnen. Aus diesem Grund haben wir Nägel mit Köpfen gemacht: eLOFD wurde zur Berliner Bigpoint GmbH und übernahm die Radon-Mitarbeiter. Bei dem gesamten Prozess hat uns Berlin Partner unterstützt – eine sehr aktive und positive Zusammenarbeit, die auch noch weiterhin besteht.

Sie sind seit März CTO bei Bigpoint – welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Herr Wergin: Unter dieser neuen Position ist die gesamte technische und grafische Produktion aufgehängt, außerdem Projekt- und Qualitymanagement sowie die Lokalisierung. Unsere Produkte werden in 30 Sprachen übersetzt – in einem Segment wie dem unseren, in dem so viel Bewegung herrscht, ist es als deutsches Unternehmen besonders wichtig, weltweit mitzuhalten. Aktuell sind wir mit 130 Millionen registrierten Usern das größte Portal für Browsergames, diese Position wollen wir ausbauen. Ein Schlüssel hierzu und somit auch meine Aufgabe ist es, in diesem Bereich die besten Köpfe Deutschlands zu finden und für Bigpoint zu gewinnen.

Welche Trends werden Ihrer Ansicht nach den Markt für Computerspiele besonders beeinflussen?

Herr Wergin: Nicht zuletzt die Wirtschaftskrise hat dazu beigetragen, Box-Spielesysteme und Subscription-Modelle weniger attraktiv zu machen. Die Zukunft gehört meiner Ansicht nach dem Free-to-play-Modell, bei dem die Nutzer frei entscheiden können, wie viel Geld sie in ein Spiel investieren. Die Einstieghürde ist geringer, die Kosten kontrollierbar, so erreicht man viel mehr potenzielle Spieler. Spiele nach diesem Paradigma zu bauen, ist die Herausforderung der Zukunft.

Im Bereich Technik ermöglichen jetzt immer mehr browserbasierte Online Games Spiele im 3D-Look, also eine attraktive Grafik, die man sonst nur aus den Box-Spielen kennt. Den Nutzern so etwas ohne große Kosten bieten zu können, ist ein Riesenschritt für die Games-Industrie. Das heißt meiner Ansicht nach nicht, dass Flash-basierte Spiele aussterben – hier kommt es viel mehr auf das jeweilige Games-Konzept an.

Inhaltlich sind es vor allem die so genannten „Casual Games“, die in eher bodenständigen und alltäglichen Welten spielen, die im Computerspiele-Markt für eine Entwicklung sorgen. Sie eröffnen dem Gaming neue, breitere Publikumssegmente: Ein Spiel wie unser „Farmerama“ hat zum Beispiel überwiegend weibliche User. „Casual Games“ tragen dazu bei, Gaming einen anderen Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung zu geben – es verlässt die Scifi-Nerd-Ecke und wird zum allgemeinen Kulturgut.

Welche Bedeutung hat Berlin heute als Standort für Bigpoint als Games-Entwickler und welche Chancen sehen Sie für die Zukunft?

Herr Wergin: Berlin ist neben Hamburg für uns ein unheimlich interessanter Standort, den wir weiter ausbauen werden. Neben ihrer allgemeinen Attraktivität punktet die Stadt mit einer guten Networking-Infrastruktur, darunter Veranstaltungen wie die Deutschen Gamestage und die Entwicklerkonferenz Quo Vadis.

Entscheidend sind außerdem die Ausbildungssituation und Nachwuchsförderung: Eine Schlüsselinstitution ist hier die Games Academy, zu der wir enge Kontakte haben und an der zahlreiche Bigpoint-Köpfe lehren. Als gebürtiger Berliner bin ich natürlich ohnehin ein Fan der Stadt und glaube an ihr Potenzial.