Andreas Orth, Geschäftsführer von Berliner Fenster

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Das Berliner Fenster bietet in allen Berliner U-Bahnen Fahrgastfernsehen, auch Public-TV genannt, an. Wie entsteht das Programm und wie wird es finanziert? Welche Technologie ist notwendig, um das Programm zeitgleich in allen U-Bahnen zu senden?

Das Berliner Fenster ist ein Informations- und Unterhaltungsmedium, das den Fahrgast über wichtige Themen informiert, aber auch unterhalten will. Ausgehend von einer durchschnittlichen Fahrzeit von ca. elf Minuten haben wir die Programmteile Nachrichten, Magazin, Information und Werbung zu einer jeweils 15 Minuten dauernden Programmschleife zusammengefasst. Diese Schleife aktualisieren wir alle zwei Stunden.

Um diese Datenmenge zeitnah in über 1.100 U-Bahn-Wagen zu transportieren, setzen wir DMB (Digital Multimedia Broadcasting) ein. Der Vorteil dieser Technologie ist, dass wir die Fahrzeuge nicht nur an bestimmten Knotenpunkten, sondern auf der gesamten Strecke erreichen, um beispielsweise wichtige Fahrtinformationen zu übermitteln.

Um den rund 1,5 Millionen Zuschauern die täglich Public-TV nutzen, gerecht zu werden, müssen wir ein breites Spektrum anbieten. Deshalb arbeiten wir für bestimmte Programminhalte mit anderen Redaktionen zusammen. So werden wir im Nachrichtenbereich aktuell von der Tageszeitung, B.Z., und dem Nachrichtensender n-tv unterstützt. Auch verschiedene Magazinteile erarbeiten wir gemeinsam mit anderen Medien.

Aber auch „Consumer generated Content“ spielt im Berliner Fenster eine wichtige Rolle. So entsteht das Format „Bild des Tages“ ausschließlich durch unsere Zuschauer.

Das Geschäftsmodell des Berliner Fensters basiert auf einer Abrechnung der in Anspruch genommenen Sendezeit für Werbung und bestimmte Informationsprodukte.

Das Berliner U-Bahn-TV gibt es bereits seit acht Jahren. Welche Schwierigkeiten hatten Sie bei der Entwicklung zu überwinden und welche Akzeptanz hat Public-TV heute? Gibt es Untersuchungen zur Wirkung bei den Fahrgästen?


Zur Eröffnung des Berliner Fensters titelte der Tagesspiegel: „Jetzt verwandelt die BVG die U-Bahn in eine blaue Grotte.“

Trotz dieses Unkenrufs empfanden die Berliner nach kürzester Zeit das angebotene Programm als Bereicherung im öffentlichen Personennahverkehr. Über 80 Prozent aller Fahrgäste beurteilen das Programm mit der Note „gut“ bis „sehr gut“; wobei die Werte bei den Jüngeren noch steigen. Heute kann man sagen, dass das Berliner Fenster das „Autoradio“ für den ÖPNV geworden ist.

Die Sendung unseres Programms ohne Ton wirkte sich positiv auf die Akzeptanz des Mediums aus. Auf diese Weise drängt sich das Berliner Fenster nicht auf, sondern wird freiwillig gesehen und das acht Minuten von durchschnittlich elf Minuten, die ein Fahrgast in der U-Bahn verbringt.

Wirtschaftlich erfolgreich wurde das Berliner Fenster jedoch erst nach der Umpositionierung des Vermarktungsmodells von der Außenwerbung hin zur Radio- und Fernsehvermarktung. Dies hat zwei Gründe. Mit seinem Anteil von drei bis vier Prozent war das Marktsegment der Außenwerbung nicht groß genug. Standortbezogene Vermarktungsprozesse sind sicherlich am Brandenburger Tor erfolgreich, aber (insgesamt)liefert die Aufwand-Nutzen-Relation zu geringe Deckungsbeiträge.

Heute ist das Berliner Fenster in Deutschland hinter der Telekom auf Platz zwei der Installationen im neuen Markt des Digital Signage (digitale Beschilderung).

Werden Sie Ihr Angebot erweitern und ist das Berliner Fenster bald auch in der Berliner S-Bahn zu sehen? Welche Entwicklungen sehen Sie generell für das Out-of-Home-Fernsehen?

Als so exponierter Anbieter von „Out-of-Home-Fernsehen“ werden wir regelmäßig von verschiedenen Seiten nach Unterstützung gefragt, die wir auch gerne geben.

Nachdem wir nunmehr die wirtschaftliche Umpositionierung des Berliner Fensters erreicht haben, werden wir uns zukünftig auch an Ausschreibungen für andere Projekte in Berlin und anderenorts beteiligen. Ob es demnächst also in der S-Bahn ebenfalls das Berliner Fenster zu sehen gibt, hängt nicht allein von uns ab.

Generell schätze ich die Entwicklungsmöglichkeiten des Marktes Digital Signage in einer mobilen Gesellschaft für ausgesprochen günstig ein. Hierbei wird es, je nach Rezeptionssituation, auch zu unterschiedlichen Lösungen kommen und Partner zusammenbringen, die aufgrund klassischer Kommunikationswege bisher kaum Berührung miteinander hatten. Eines wird es in jedem Fall nicht sein: Fernsehen. Denn eines der wesentlichen Merkmale von Fernsehen ist der Ton. Die meisten Installationen im öffentlichen Raum bleiben jedoch stumm. Die, die es mit Ton versucht haben, sind meiner Kenntnis nach alle gescheitert. Viele Public-Viewing-Angebote stehen nur Sekunden für die Betrachtung zur Verfügung. Das Berliner Fenster bedient in der U-Bahn viel längere Zeiträume. Diese Faktoren führen zu der Notwendigkeit, die Inhalte an die jeweils spezifische Wahrnehmungsumgebung anzupassen. Meist ist das mit einer völlig anderen Erzählstruktur als im Fernsehen verbunden; etwa mit der Parallelität von Bild und Text.

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