Eine virtuelle Welt, in der Menschen mit Hilfe eines Avatars kommunizieren, einkaufen, arbeiten, spielen – als der Schriftsteller Neal Stephenson 1992 in seinem Science-Fiction Roman „Snow Crash“ den Begriff „Metaverse“ erstmals verwendete, klang die Idee fantastisch und utopisch. So aus der Luft gegriffen, dass sie in zahlreichen Büchern wie „Ready Player One“ von Ernest Cline, das Stephen Spielberg 2018 auf die Leinwand brachte, Filmen und Mangas weitergesponnen wurde. Etwa zehn Jahre später machten sich Entwickler:innen in Spielen wie „Sims“ und „Second Life“ daran, diese Vision auf den Computerbildschirm zu bringen.
„Second Life hat schon früh einen Vorgeschmack darauf gegeben, was eines Tages ein Metaversum sein kann. Hier haben sich Menschen jeglicher Herkunft ausprobieren und ausleben können“,meint Felix Falk, Geschäftsführer des game – Verband der deutschen Games-Branche in einem Interview und erklärt, warum diese Prototypen nach einem anfänglichen Hype nicht in die breite Öffentlichkeit vorgedrungen sind: „Nur waren viele Technologien noch nicht so weit entwickelt wie heute. Auch der soziale Aspekt darf bei solchen Innovationen nicht unterschätzt werden: Der Umgang mit dem Internet, der Austausch in Sozialen Netzwerken oder auch in Games, ist heute viel weiter verbreitet und auch viel selbstverständlicher. Verbesserte Technologien und eine größere Offenheit gegenüber solchen Neuerungen bilden heute einen ganz anderen Rahmen für die Idee eines Metaversums, als es noch rund um die 2010er Jahre war.“ Die Corona-Pandemie habe den Stellenwert digitaler Räume im Leben von Millionen Menschen zusätzlich deutlich gemacht, ergänzt er. So gelang es dem Rapper Travis Scott in Lockdown-Zeiten, als Live-Konzerte nicht möglich waren, mit seinem Auftritt im Spiel Fortnite über 12,3 Millionen Zuhörende zu unterhalten. Sie sind Zeug:innen der bisher größten Live-Musik-Performance der Geschichte geworden.
Rekorde verzeichnete auch die Videospiel-Plattform Roblox, die 2006 veröffentlicht wurde und als einer der Anwärter eines Metaversums genannt wird: Die aktiven User:innen stiegen von 146 Millionen im April 2020 innerhalb eines Jahres auf 202 Millionen an. Mindestens ebenso beeindruckend ist das Wachstum des Handelsvolumen von Metaverse-Grundstücken, die auf Plattformen wie Sandbox, Decentraland, Cryptovoxels und Somnium mit eigenen Non-Fungible-Token (NFT) gekauft werden können. Über 500 Millionen Dollar soll es im vergangenen Jahr ausgemacht haben, wie laut CNBC eine Analyse von Metametric Solutions ergeben hat. 2022 könnte die Millarden-Dollar-Grenze gesprengt werden. All das sei erst der Anfang: Schon Ende 2023 könne das weltweite Marktvolumen mit Produkten und Services für das Metaverse laut „Bloomberg Intelligence“ bei knapp 800 Milliarden Dollar liegen.
Ob zum gemeinsam Spielen, zum Besuchen von virtuellen Events, zum Shoppen oder, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen: Das Technologie- und Beratungsunternehmens Gartner geht davon aus, dass im Jahr 2026 ein Viertel der Bevölkerung mindestens eine Stunde pro Tag im Metaverse verbringen wird. Das Interesse an einer Verbindung von virtueller und realer Welt ist jedenfalls schon heute groß – auch bei den Deutschen. Mit 35 Prozent kann sich immerhin mehr als jeder/jede Dritte über 16 Jahren vorstellen, das Metaverse zukünftig zu nutzen. Das entspricht über 24 Millionen Menschen. So lauten die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des deutschen Branchenverbands game. Doch so neugierig viele Deutsche bereits auf das Metaverse sind, so unbekannt ist die Idee gleichzeitig für viele andere: Rund sechs von zehn Bundesbürger:innen haben bisher noch nichts davon gehört.
„Das nächste Kapitel für das Internet“
Damit ist das Thema zwar noch weit von der Mitte der Gesellschaft entfernt. Bei den großen Unternehmen ist das Metaverse hingegen längst angekommen. Spätestens seit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg Ende Oktober 2021 meinte, es sei „das nächste Kapitel für das Internet“ und sein Unternehmen in „meta“ umbenannte, scheint der Hype nicht mehr aufzuhalten sein. Dabei stellt sich der US-Amerikaner vor, dass die physische Realität mit der erweiterten, „Augmented Reality“ (AR) und der virtuellen Realität (VR) verschmilzt und auf diese Weise neue Erfahrungen virtueller Vernetzung ermöglicht werden. Das Metaversum soll seiner Ansicht nach nicht von der analogen Welt abgekapselt sein, sondern sich vielmehr wie eine zweite Ebene darüberlegen.