Patrick Rau von kunst-stoff

Kategorie: Zukunftsköpfe

© kunst-stoff GmbH

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Das hört sich fast zu schön an, um wahr zu sein. Funktioniert aber. Wie solche Serious Games entwickelt und eingesetzt werden, berichtet Patrick Rau, Gründer und Kreativdirektor von kunst-stoff, ein Produktionsstudio für Computerspiele. Ohne die vielen verschiedenen Förderprogramme wäre das noch junge Unternehmen wohl nicht so schnell und erfolgreich gewachsen. Zuletzt erhielt kunst-stoff 60.000 Euro durch das Programm Creative Europe.

Guten Tag Herr Rau, Sie managen die kunst-stoff GmbH und sind gleichzeitig kreativer Kopf des Teams. Mit kunst-stoff entwickeln Sie nicht nur Computerspiele, sondern auch interaktive Exponate für Industriekunden. Wo liegt zur Zeit Ihr Schwerpunkt?

Wir haben kunst-stoff in den letzten Monaten um einige Tätigkeitsbereiche erweitert. Es zeichnet sich mittlerweile ab, dass wir richtige strategische Entscheidungen gefällt haben und unsere Arbeit Früchte trägt. Neben der Herstellung von klassischen Entertainment Produkten produzieren wir mittlerweile auch Serious Games. Ein Beispiel dafür ist Eddies Teambuilding, Dabei handelt es sich um eine dynamische Kombination aus digitalem Game - Stichwort “E-Learning” und moderiertem Workshop. Ziel ist, Organisationen und Personen fit für die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu machen.

Und so etwas kann durch ein Computerspiel gelingen?

Im Spiel versucht ein interdisziplinäres Handwerkerteam aus Fabeltieren, ein Haus selbstorganisiert zu renovieren. Doch manchmal kommt leider das Leben dazwischen, die Arbeit kollidiert mit unvorhergesehen Ereignissen, und dann steht plötzlich auch noch die passende Fachkraft nicht zur Verfügung. Weil die Arbeit trotzdem perfekt ausgeführt werden muss, gilt es nun, in abteilungsübergreifender Zusammenarbeit die Probleme zu lösen. Für den optimalen Lernerfolg wird das digitale Online-Game durch Materialien, Workshops und durch eine kontinuierliche Betreuung durch Experten unterstützt.

Das hört sich nicht nur nach einer spielerischen, sondern auch nach einer innovativen Verzahnung von offline und online Weiterbildung an. Für ein kleines Team wie kunst-stoff sicherlich nicht ohne weiteres umzusetzen.

Eddies Teambuilding ist Teil des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes Rakoon, dessen Förderschwerpunkt „Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel“ lautet. Die Inhalte für das Spiel wurden von der kunst-stoff GmbH und der Ludwig-Maximiliansuniversität München in Kooperation entwickelt. Der Vertrieb des Spiels startet 2017 im zweiten Quartal. Daneben entwickeln wir gerade ein Serious Game zu „Smart Farming Technologien“. Im Rahmen des Horizon 2020 Calls ICT 2016-2017 Innovation Action haben wir die Zusage für EU-Fördermittel in Höhe von 1.000.000 Euro bekommen. kunst-stoff erhält davon rund ein Viertel. Wir sind sehr stolz ein H2020 Projekt an Land gezogen zu haben. Im Januar 2017 geht es los. Mit der Förderung entwickelt werden soll die Plattform GATES zur Vertriebsunterstützung von Smart Farming Technologien für den Ackerbau mit Ausbildungs- und Simulationskomponenten, die nach Projektende auch kommerziell vertrieben werden soll. Die Marktpotentiale sind sehr groß, der Umsatz mit Smart Farming Technologien in der EU ist heute bereits im Milliardenbereich und wird in Zukunft stark wachsen. Aufgrund der Angebotsvielfalt und Innovationsgeschwindigkeit sind gerade kleinere Agrarbetriebe oft überfordert mit der Bewertung von Investitionen in neue Technologien. Mit GATES entwickeln wir eine Lösung, in der mittels einer Simulation spielerisch verschiedene Technologien im individuellen Szenario ausprobiert werden können, gestützt durch echte Maschinendaten, unter Berücksichtigung von Boden- und Wetterdaten, und mit wissenschaftlich fundierten Wachstumsalgorithmen der Pflanzen. So können nicht nur Vertriebsprozesse der Landmaschinenbauer unterstützt werden, sondern auch das Wissen auf Anwenderseite über Vor- und Nachteile, sowie die korrekte Handhabung der Systeme vermittelt werden. Zielgruppen sind Landwirte, Agrarberater, Anbieter von Smart Farming Technologien, sowie Studierende und Lehrende der Agrarwissenschaften. Die EU erhofft sich von dem Projekt eine signifikante Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Agrarsektors.

Welche Rolle haben die Förderungen gespielt?

Mit der Unterstützung des Landes und der medienboard Berlin Brandenburg haben wir uns als Studio in der Spielebranche in Deutschland, aber auch weit darüber hinaus etabliert. Unser mehrfach ausgezeichnetes Spiel “The Great Jitters: Pudding Panic”, finanziert durch das ProFIT-Innovationsförderprogramm, ist bis heute unter den Top 100 der am besten bewerteten iPhone Spiele aller Zeiten. Dank dieses Erfolgs konnten wir weitere Projekte akquirieren, über die Jahre gute Umsätze machen und bis zu 15 Menschen beschäftigen.

So haben wir unter anderem an einem Spiel für Disney mitgewirkt oder mit dem deutschen Publisher Astragon ein Simulationsspiel auf dem Markt gebracht.

Für uns als Spielentwickler ist auch das medienboard mit seinen Förderungen von Prototypen für Audiovisuelle Medien sehr wichtig. Entwickler können nur mittels eines spielbaren Prototypen die Finanzierung einer Produktion durch einen Publisher stemmen.

Im Bereich Mobile ist es mittlerweile so, dass Publisher kaum mehr in die Produktion investieren. Die meisten erwarten ein fertiges Spiel, welches idealerweise auch schon in mindestens einem Land Umsätze generiert.

Im Rahmen des EU Programms Creative Europe können etablierte Games-Unternehmen, die in den letzten drei Jahren ein narratives Spiel wirtschaftlich verwertet haben, bis zu 150.000€ erhalten.

Auch kunst-stoff konnte als eines von vier Projekten aus Deutschland davon profitieren. Gefördert wurde “relight”, ein Abenteuerspiel, bei dem es darum geht, mithilfe einer Erfindung ungelöste Kriminalfälle aus der Vergangenheit aufzuklären.

Aus rund 100 Anträgen erhielten 23 Projekte aus zwölf Ländern rund 2,5 Millionen Euro an Unterstützung. Die Förderungen haben eindeutig dazu beigetragen, dass Arbeitsplätze geschaffen sowie signifikante Umsätzen erreicht wurden. Berlin beziehungsweise die Hauptstadtregion sollte die Kreativwirtschaft mehr als bisher - insbesondere was den Gamesbereich angeht - unterstützen. Hier liegt eine Menge ungehobenes Potential.

Viele Akteure in der Spielebranche zieht es nach Hamburg. Sie selber haben sich für Berlin entschieden - was sind die Vorteile Berlins?

Ich bin vor über 15 Jahren nach Berlin gekommen, habe mich selbständig gemacht und nach wenigen Jahren die kunst-stoff als GmbH gegründet.

Ich war damals sehr inspiriert von meinem Umfeld, welches sich aus Menschen der unterschiedlichsten Kreativdisziplinen zusammensetzte. Viele waren dabei, etwas Eigenes aufzubauen. Diese Kultur macht Berlin sehr interessant, einzigartig und attraktiv.

Auch heute noch zieht es viele Menschen nach Berlin. Es ist wichtig, dass Berlin dafür sorgt, dass diese Kultur nicht verloren geht.

Herr Rau, können Sie abschließend bitte noch folgenden Satz vervollständigen: Berlin ist…

… vielseitig, bunt und tolerant. Außerdem trauen sich hier viele etwas zu riskieren und aufzubauen. In solch einem Umfeld fühle ich mich wohl.

Kontakt

Tanja Mühlhans

Leitung Kreativ- und Medienwirtschaft, Digitalwirtschaft, Projekt Zukunft

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