Seit 1988 leitet Beki Probst den European Film Market (EFM) der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Der bis dahin als "Filmmesse" bekannte Markt wurde von ihr zum "European Film Market" umbenannt. Unter ihrer Leitung entwickelte und etablierte sich der EFM als eine der größten und wichtigsten internationalen Filmmessen. Probst wurde in Istanbul geboren und studierte in der Türkei Jura und Journalismus. 1960 siedelte sie in die Schweiz über und wurde dort Betreiberin der Probst-Kinobetriebe. Von 1981 bis 1988 war Beki Probst Delegierte der Internationalen Filmfestspiele Berlin für die Länder Türkei und Griechenland. Sie gehörte mehrfach den Jurys internationaler Filmfestivals an, darunter Toronto, Jerusalem und San Sebastian. Projekt Zukunft sprach mit Beki Probst u. a. über die Besonderheiten des European Film Market und über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Filmbranche.
Erstmalig nutzen Sie den Martin-Gropius-Bau für den European Film Market. Ist der neue und größere Veranstaltungsort Ausdruck des gewachsenen Interesses der Aussteller?
Wir starten im neuen Domizil mit einer Rekordbeteiligung von 240 Firmen aus 45 Ländern. Für den EFM ist der Umzug ein großer Sprung nach vorn, denn im Martin-Gropius-Bau werden wir dem verstärkten Interesse und dem Wachstum des EFM besser gerecht. Auf doppelt so großer Ausstellungsfläche stellen 54 Prozent mehr Aussteller aus als im letzten Jahr. Wir zeigen mit 642 Filmen auch erheblich mehr als noch 2005. Das große Interesse beweist auch die Präsentation kleinerer Firmen auf zwanzig Gemeinschaftsständen gegenüber acht im Jahr 2005. Die große Nachfrage von neuen Firmen kommt insbesondere aus den USA und Asien. Erstmalig mit einem eigenen Stand vertreten sind auch europäische Firmen wie Gaumont und TF1 aus Frankreich. Der deutsche Film ist sehr präsent, alle deutschen Filme sind im EFM und immerhin laufen auch vier deutsche Filme im Wettbewerb der Berlinale.
Das nicht nachlassende internationale Interesse freut mich, aber es darf es kein wildes Wachstum sein. Wir müssen eine Auswahl treffen, um unser Niveau zu halten und auszubauen.
Was macht den European Film Market in Berlin so außergewöhnlich?
Zu allererst ist der EFM fester Bestandteil der Berlinale. Viele Filme des EFM laufen im Wettbewerb der Filmfestspiele, somit profitieren wir von der Symbiose EFM und Filmfestspiele und haben damit im internationalen Vergleich eine Alleinstellung. Pluspunkt ist auch die Konzentration verschiedener technisch gut ausgestatteter Kinos am Potsdamer Platz, die in der Lage sind, die vielen Kinobesucher aufzunehmen.
Wir sind immer ein Filmmarkt mit einem anspruchsvollen Niveau, das bedeutet nicht, dass wir nicht kommerziell sind. Mit unserem Anspruch geben wir auch "kleinen Filmen" eine Chance, damit diese Produktionen nicht in der Angebotsmenge untergehen. Daher haben wir beschlossen, Filme, die beispielsweise bereits in Cannes gelaufen sind, nicht in Berlin zu zeigen. Somit bieten wir in diesem Jahr rund vierhundert Film-Premieren auf dem EFM an.
Aus den internationalen Veränderungen im Messegeschäft ergeben sich positive Konsequenzen für Berlin. Die internationale Filmmesse MIFED in Mailland gibt es nicht mehr. Durch die Neupositionierung im internationalen Eventkalender konnten wir unsere Rolle im globalen Filmgeschäft noch besser als in den Vorjahren ausbauen.
Mit über hundert Spielstätten und knapp dreihundert Leinwänden ist Berlin die deutsche Kinohauptstadt, obwohl zahlreiche Traditionskinos schließen mussten. Trotzdem hat Berlin mit 11,5 Millionen Besuchern in 2004 auch das größte Kinopublikum. Wie ist dieser Kinoboom zu erklären?
Sie erstaunen mich mit diesen Zahlen. Ich habe immer wieder gehört, wir haben alle 2005 rund 20 Prozent an Umsatz verloren. Große Konkurrenz macht uns das "Home Entertainment Cinema" und damit verbunden der steigende Absatz an DVDs. Zusätzlich schadet uns die Zunahme an Raubkopien. Das ist ein Riesenproblem. Dennoch gilt: Sobald etwas Neues auf den Markt kommt, sind die Menschen neugierig und probieren es aus. Wir haben immer noch ein Publikum das es schätzt, abends auszugehen. Der Kinobesucher teilt das Filmerlebnis mit anderen Menschen. Kino ist ein Event, das kann das Heimkino nicht bieten. Ich habe nicht alle Hoffnung verloren. Das Kino wird weiter leben, denn es bleibt in seiner Art einzigartig.
Die digitale Technologie hat inzwischen auch die Filmbranche erfasst. Wie schätzen Sie die Folgen dieser Entwicklung ein?
Die Diskussion wird schon seit über drei Jahren geführt. Dennoch habe ich den Eindruck, dass das "Ei des Kolumbus" noch nicht erfunden ist, sonst hätten sich digitale Technologien bis in die Kinos durchgesetzt. Ich sehe uns hier eher am Anfang einer Entwicklung. Man kann nicht sagen, ab 2007 ist alles digitalisiert. Bisher wird eher abgewartet, was in anderen Ländern passiert.
Dennoch muss sich die Filmbranche gemeinsam Gedanken machen, damit wir von den neuen Möglichkeiten nicht überrollt werden. Bisher haben wir andere Konditionen. Wenn sich durch digitale Technologien die Vertriebswege verändern, Transport- und Verleihkosten wegfallen, müssen alle Konditionen neu bedacht werden. Im Moment wird noch diskutiert ohne konkrete Maßnahmen zu entwickeln. Auch wenn die Digitalisierung die Filmproduktionen verändert, liegt es an den Verleihern und Kinobetreibern einerseits mit den technischen Möglichkeiten Schritt zu halten und andererseits selbst Impulsgeber zu bleiben. Das kann nur gelingen, wenn weiterhin ein breites und gleichzeitig spannendes Filmangebot in die Kinos kommt. Die Digitalisierung kann dazu führen, dass in kürzerer Zeit immer mehr, aber nicht unbedingt bessere Filme entstehen. Darüber entscheidet immer noch das Publikum und das will Filme mit einer "Message", mit einer Philosophie, und keine Katastrophen, wie sie täglich im Fernsehen zu sehen sind.