Im Interview für GamesCapital Berlin: Johannes Gorzel

Kategorie: Games

©Johannes Gorzel/INSTINCT3

©Johannes Gorzel/INSTINCT3

Mit kreativen Influencer-Marketing-Kampagnen werben INSTINCT3 und Eintracht Spandau erfolgreich für den Berliner Bezirk Spandau als "Place to be", wenn es um esports und gamingbezogenes Marketing geht. Im Interview mit GamesCaptial Berlin Co-CEO Johannes Gorzel über Spandau und die vielfältigen Möglichkeiten des esports als Motor für die Stadtentwicklung.

Es gibt Berlin und es gibt Spandau. Was viele Berliner als sehr weit weg empfinden, sehen Sie als Bereicherung. Bitte erzähl uns mehr über eure Vision für den Bezirk und Ihren Ansatz für das Stadtmarketing.

Während Spandau von vielen Berliner:innen immer noch als Altersruhesitz der Metropole angesehen wird, entwickelt es sich tatsächlich zu einem der wichtigsten Hubs in Europa für den esports und die Gaming-Influencer-Industrie.  

Mit unserer Unternehmensgruppe, bestehend aus der I3 Holding GmbH (Muttergesellschaft), der INSTINCT3 GmbH (Künstler- & Kreativmarketing-Agentur) und der Eintracht Spandau GmbH (esports club), arbeiten derzeit über 70 Menschen von Spandau aus. In diesem Personenkreis liegt das Durchschnittsalter bei 27 Jahren und somit ist unsere Erfahrung mit Spandau natürlich sehr viel differenzierter als das Klischee. Während einige von uns immer noch leichte Probleme mit dem Spandau-Image haben, leben die meisten Mitarbeiter in Spandau und genießen den komfortablen Lebensstil, den der Bezirk zu bieten hat. Uns gefällt es hier!

Und wir lieben es, mit Klischees und Geschichten zu spielen, die Spandau zu bieten hat. Ein Bezirk aus der Peripherie zu sein, dieses rebellische Gefühl zu haben, sich ständig gegen die Verbindung zu Berlin zu wehren und die tatsächliche Bezirksgeschichte zu nutzen, die mit dieser regionalen Kultur verbunden ist - all das ist ein tolles Material, wenn man eine Vereinsmarke formen will, die in ihrer Region verwurzelt ist. Und all das hat unseren Eintracht-Spandau-Slogan "Hier ist real" inspiriert.

Hier drei wichtige Fakten, die jeder über Spandau wissen sollte:

  • Spandau erhielt seine Stadtrechte bevor Berlin es bekam
  • Spandau baute sein Rathaus von Berlin abgewandt
  • Spandau weigerte sich, während des spielerischen, aber auch sinnvollen "Knüppelkriegs" Berlin Untertan zu sein

Also, wie geht es nun weiter? Um unsere Ambitionen auf den Punkt zu bringen: In 20 Jahren soll Eintracht Spandau einen Einfluss haben, wie man ihn sonst eher mit großen Bundesligavereinen in der jeweiligen Region verbindet. Wir könnten eine Breitensportabteilung im digitalen und analogen Sport betreiben, mit der wir die Jugendfreizeit gestalten könnten. Wir könnten Gemeinschaftszentren wie Gastronomie und Veranstaltungsorte betreiben, die mehr Verkehr in die lokale Wirtschaft bringen würden. Und wir könnten viele Menschen für den Verein, seine Werte und inklusive Gemeinschaft begeistern, die heute noch gar nicht wissen, was esports eigentlich ist.

Unser Ziel ist es, dass Spandau die erste Region sein wird, die eine solche integrative lokale esports-Kultur und ein solches Ökosystem erreicht. Deshalb wollen wir, dass Spandau nicht nur für Berlin, sondern auch für den Rest Europas ein Beispiel wird.

Mit Eintracht Spandau habt ihr über Nacht ein erfolgreiches und beliebtes esports-Team geschaffen - so scheint es zumindest. Welche Überlegungen sind in die Gründung von Eintracht Spandau eingeflossen, wo steht der Verein aktuell und was liegt in der Zukunft?

Eintracht Spandau war von Anfang an ein Storytelling-Produkt, das über Emotionen und gewissenhaftes Branding funktioniert, nicht nur über die Sportler. Eintracht Spandau verbindet die Ambitionen des sportlichen Erfolgs mit redaktionellen Inhalten und Unterhaltung, die stark von unseren Wurzeln im Influencer- und Content-Marketing geprägt sind.

Eine zentrale These bei der Konzeption von Eintracht Spandau war immer, dass das Spannungsfeld zwischen dem traditionellen, haptischen, klassischen Sport, wie ihn die Sportromantiker der 1990er Jahre lieben, und dem digitalen, dem neuen und progressiven, globalisierten und anglisierten esports-Umfeld genutzt werden sollte. Dieses Spannungsfeld wollten wir auf alle Ebenen der Kommunikation übertragen.  

Dieser Dissens spiegelt sich auch symbolisch in dem Gegensatz zwischen Berlin und Spandau wider. Die Geschichte des Bezirks Spandau verkörpert den Geist, den wir auch mit Eintracht Spandau ausstrahlen wollen. Er zeigt sich zum Beispiel in unserer Rivalität mit dem Berliner esports-Team "Berlin International Gaming" - eine Abgrenzung der Spandauer Mentalität und Kultur, die als rebellisch und eigenwillig gilt, im Gegensatz zu den Werten und dem Ansehen der großen und internationalen Stadt Berlin.

Wir haben gehofft, dass die Eintracht in diesem Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt, aber wir haben konservativ mit einem leichten Verlust im ersten Jahr geplant. Das Endergebnis wird höchstwahrscheinlich zwischen diesen beiden Szenarien liegen; wir stehen also auf soliden Füßen. Im zweiten Jahr des Vereins werden wir eine neue Dimension einführen: Der Einstieg in den Fußball. Aber darüber reden wir, wenn es soweit ist.

Welche Werte leiten euer Unternehmen?

Unsere Unternehmen sollen individuelle Identitäten und damit Kulturen und Werte haben. Allerdings gibt es bei INSTINCT3 und Eintracht Spandau eine große Gemeinsamkeit. Bei Beiden legen wir viel Wert auf Authentizität. Wir produzieren authentische Inhalte mit authentischen Machern, die sich nicht verstellen und ihre Überzeugungen und Positionen nach außen tragen - immer im Einklang mit ihrer eigenen Persönlichkeit. Das Gleiche gilt für unser Team, in dem jeder sein wahres Ich ausleben kann. Jeder von uns geht mit dem Ziel der Selbstverwirklichung an die Arbeit. Projekte, Kampagnen und Inhalte, die bei INSTINCT3 und Eintracht Spandau entstehen, sollen alle Mitarbeiter mit Stolz erfüllen und ihrem Wunsch nach Exzellenz und Ethik entsprechen.

Auch unser Team ist eine Ansammlung von zuverlässigen und aufrichtigen Individuen, die intern durch gemeinsame Leidenschaften und Sympathie verbunden sind. Gleichzeitig ist es unser Bestreben, auch außerhalb des Marktes Freundschaften zu schließen und als Ermöglicher und Partner angesehen zu werden. Eine gute Zusammenarbeit setzt Respekt voraus, und wir sehen Toleranz als Grundlage dafür. Niemand sollte Angst davor haben, seine Meinung ehrlich zu äußern. Mutige Projekte gehen wir mit noch mutigeren Mitarbeitern an. Sie genießen ein hohes Maß an Eigenverantwortung und können in vielen Belangen sehr selbstständig handeln.

Welches Potenzial für esports seht ihr in Spandau, das Engagement der Jugend und für die Gesellschaft insgesamt? Ist Spandau (und Berlin) bereit für den internationalen Wettbewerb? Wenn nicht, was muss sich ändern?

Wir sind überzeugt, dass Eintracht Spandau den Blick der Gesellschaft auf den esports verändern kann - und den Blick des esports auf die Gesellschaft. Vor allem in den folgenden Bereichen:

  • Schaffung von Lebenswelten für junge Menschen im Stadtteil, in denen sie pädagogisch begleitet werden, so dass Aspekte wie soziales Miteinander, sportliche Aktivitäten, Medienkompetenz und Suchtprävention gefördert werden.
  • Schaffung einer Vereinskultur, die Menschen im Stadtteil und darüber hinaus verbindet und Toleranz und Empathie zwischen z.B. verschiedenen Generationen, Herkünften oder Geschlechteridentitäten schafft.
  • Aufbau eines Ökosystems von lokalen Unternehmen, die zusammenarbeiten, um die durch esports geschaffenen Pull-Faktoren für den Stadtteil zu verstärken und sich gegenseitig zu verstärken, sowohl analog als auch digital.

Und in dieser Hinsicht wollen wir, dass Spandau auf internationaler Ebene konkurriert. Wir bauen eine esports-Marke auf, die in der Lage sein wird, sowohl ein digitales als auch ein lokales Publikum zu mobilisieren, und die diesen Einfluss nutzen soll, um einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben. Mit diesem Plan wollen wir zu Vordenkern für das gesamte europäische esports-Ökosystem werden.

In der derzeitigen Phase, in der wir versuchen, das Geschäft der esports-Clubs nachhaltig zu gestalten, wird der wirtschaftliche Erfolg unseres Projekts den größten Teil unserer Energie beanspruchen. Wir agieren aber schon jetzt als Vermittler zwischen den Stakeholdern in unserem Bezirk, wie den traditionellen Sportvereinen, den wirtschaftlichen Netzwerken und der lokalen Politik auf der einen Seite und den Stakeholdern aus ganz Deutschland, die Erfahrung in der Gestaltung nachhaltiger esports-Initiativen in Regionen wie NRW und SWH haben, auf der anderen Seite.

Ach ja, und in Sachen esports-Turniere haben wir ein klares Ziel vor Augen: Den Gewinn der EU Masters und damit den Sieg über die Konkurrenz aus allen anderen nationalen europäischen Ligen. Im esports-Bereich sind wir nicht daran interessiert, in derzeit existierende Franchise-Ligen einzutreten, da wir glauben, dass sie nicht mit unseren kulturellen und wirtschaftlichen Ambitionen und Werten vereinbar sind.

Was unterscheidet eure Marketingkampagnen zu denen anderer Unternehmen? Hast du ein Beispiel für eine erfolgreiche Influencer-Kampagne, die ihr durchführt.

Da uns die Ersteller von Inhalten am Herzen liegen, ist es unser Ziel, die Zusammenarbeit zwischen unseren Verbündeten aus der Branche zu fördern und Inhalte zu schaffen, auf die wir stolz sein können.

INSTINCT3 bietet ausschließlich maßgeschneiderte Kampagnen an. Unser Anspruch ist es, den Zielen und Interessen des Kunden gerecht zu werden, ohne dabei die individuellen Stärken und Wünsche des Influencers zu vernachlässigen. Nur so können erfolgreiche Kampagnen entstehen, für die der Influencer mit ganzem Herzen einsteht.

Ein tolles Beispiel für diesen Ansatz ist unsere Arbeit für die "Sparkassen-Hänno". In Zusammenarbeit mit unseren lieben Freunden von Jung von Matt SPORTS, einer der renommiertesten Markenagenturen Europas, haben wir die erste deutsche esports-fokussierte Kampagne kreiert, die bei den Effie Awards Silber gewonnen hat.

In der Zusammenarbeit auf Augenhöhe haben wir die strategischen Interessen des Kunden, um die Jung von Matt SPORT seine integrierte Kampagnenstrategie aufgebaut hat, mit den Zielen der Influencer in Bezug auf Authentizität in Einklang gebracht. Mit unserem Ansatz für Partnerschaften und unserem Verständnis für die Gaming-Community haben wir rekordverdächtige Inhalte geschaffen, die sowohl beim Publikum als auch bei anderen Influencern auf große Resonanz stoßen.

www.youtube.com/watch

Wie beurteilst du die Talente Landschaft in Spandau und Berlin?

Mit über 70 Mitarbeitern leiten wir Deutschlands einflussreichstes esports-Team, vertreten Deutschlands beliebteste Gaming-Content-Schöpfer, konzipieren und realisieren einige der bahnbrechendsten kreativen Kampagnen der deutschen Gaming-Industrie und diversifizieren diese Assets und Fähigkeiten in immer nachhaltigere Geschäftsmodelle - alles von Spandau aus. Und während wir das tun, produzieren unsere Nachbarn von Freaks 4U Gaming, die ebenfalls Spandau als Hauptsitz gewählt haben und fast 300 Mitarbeiter zählen, einige der aufwändigsten esports-Übertragungen und -Turniere der Welt. Dies ist bereits eine erstaunliche Infrastruktur, die natürlich immer mehr Akteure aus der Branche anzieht, z. B. Spieleentwickler und junge Menschen, die sich mit den von uns produzierten Inhalten identifizieren. Wir sehen, dass immer mehr Unternehmen aus der Industrie einen Umzug nach Spandau erwägen. Und wir wissen auch, dass Spandau derzeit der erfolgreichste Bezirk Berlins ist, wenn es um die Ansiedlung junger Menschen geht. Wir denken, dass das zum Teil an uns liegt.

Neben dem kulturellen Hype, den wir um Spandau gemacht haben, sehen wir auch, wie sich das Umfeld verändert. Wir sehen, dass Start-up-Flächen geplant werden, z.B. neben dem Stresowpark und gegenüber dem Bahnhof. Wir sehen auch, dass alteingesessene Unternehmen, die im Wirtschaftshof Spandau organisiert sind, innovative Projekte wie das unsere mit offenen Armen empfangen. Und wir sehen eine Stadtverwaltung, die unser Vorhaben, Spandau zu fördern, wohlwollend begleitet.

Meiner Meinung nach sind dies großartige Indikatoren dafür, dass Spandau - mit der notwendigen Unterstützung von staatlichen Stellen und bestehenden Akteuren - DER Nährboden für Deutschlands sich derzeit entwickelnde kreative Szene rund um Gaming Marketing und esports werden könnte.

Was müssen Influencer eurer Meinung nach mitbringen, um erfolgreich zu sein?

Als eine Agentur, die von einem der entschlossensten Influencer Deutschlands gegründet wurde, war es schon immer Teil der INSTINCT3-Identität, Integrität und Aufrichtigkeit über alles andere zu stellen. Und während wir Einfallsreichtum, Ehrgeiz und Freundschaft feiern, sind wir willensstark, wenn es darum geht, unseren Glauben an Anstand, Moral und Charakter zu schützen. Wir sind der Meinung, dass das Verständnis und das Vorleben dieser Moral und dieser Werte gute und erfolgreiche Influencer ausmachen sollten.

In der Vergangenheit haben wir Mentorenprogramme für Influencer ins Leben gerufen, um talentierten Personen ein Coaching in Bezug auf Markenentwicklung, Inhaltsproduktion und allgemeine Professionalität zu geben. Bei Kandidaten wie "Sterzik" haben wir gelernt, dass eine der wichtigsten Eigenschaften tatsächlich vorherige Berufserfahrung in einem anderen - wahrscheinlich langweiligeren - Bereich ist. In der Regel werden Influencer in jungen Jahren berühmt und sind mit einem ungesunden Maß an Aufmerksamkeit und bedingungsloser Anerkennung konfrontiert. Die klischeehaften Probleme, die sich aus einer solchen Erziehung ergeben, sind der Grund für viele Misserfolge. Und Sterzik ist das genaue Gegenteil davon: Man findet ihn morgens um 8 Uhr im Büro, er arbeitet diszipliniert und weiß seine Privilegien zu schätzen. 

Ein weiterer Grund für den Niedergang von Influencern ist aber auch die Neigung zu Burnouts. Der Job eines Influencers ist stressiger, als manche glauben: Man ist ständig von Zahlen getrieben und wird von einer nicht enden wollenden Flut von Feedback anderer Leute geleitet. Es fühlt sich furchtbar an, Pausen zu machen, denn die Leistung der Kanäle in den sozialen Medien, auf YouTube und Twitch sinkt, wenn man kurzzeitig mit der Produktion neuer Inhalte pausiert. Das bedeutet, dass Disziplin nicht nur nötig ist, um hart zu arbeiten, sondern auch, um gesunde Grenzen zu lernen und Unterstützung anzunehmen.

Autor: Johannes Gorzel für Gamescapital Berlin

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