Interview mit dem Kunstsammler Christian Boros

Kategorie: Kunstmarkt

Woher kommt Ihr Interesse für die Kunst der Gegenwart und welches war das erste Kunstwerk, das Sie erworben haben?

Mich reizt die Suche nach dem Verständnis für die Gegenwart. Über Kunstwerke und die Künstler lernen wir das "Hier und jetzt" besser zu verstehen. Die Künstler sind mit ihren Werken die besten Indikatoren für eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart. In den 90ern habe ich mehrere Arbeiten des britischen Künstlers Damien Hirst erworben. Heute zählt er, nicht zuletzt wegen seiner spektakulären Kunstwerke wie den mit Diamanten besetzten Totenschädel, zu den teuersten Künstlern der Gegenwart.

Damals faszinierte mich die erstmalige Auseinandersetzung mit dem Tod, die ich durch seine Arbeit erfuhr. Ernsthaft gesammelt habe ich erst zu Beginn meines Studiums. Ich sammle aus einem absoluten Zeitgefühl des Jetzt, deswegen auch nur Dinge, die jetzt entstehen. Ich kaufe nicht in Auktionen Bilder, die zehn Jahre alt sind, weil sie mir noch fehlen.

Nach dem Mauerfall hat sich der Kunstmarkt auf die Gegenwartskunst konzentriert. Berlin ist damit in die erste Reihe der führenden Kunststandorte in Europa aufgestiegen. Was sind die Gründe für diese Entwicklung und was ist Ihre Prognose für die nächsten Jahre?

Berlin wird das wichtigste Cluster für Kultur werden. Föderale Strukturen im Kunstbereich treten in den Hintergrund, stattdessen wird es zu einer Konzentration kommen und Berlin wird das Zentrum dieser Entwicklung sein. Dies bezieht sich nicht nur auf den deutschen Kunstmarkt, Big Player aus dem Ausland wie Friedrich Petzel, sind in Berlin schon ansässig, weitere werden folgen.

Die aktuelle weltweite Finanzkrise wird den Prozess der Konzentration nicht aufhalten. Auch wenn die Folgen der Krise zeitverzögert den Kunstmarkt erreichen und sogar eine Zäsur bedeuten können. Die bildende Kunst ist als Wert und als Wertanlage unsicherer geworden. Vormals als bleibende Werte eingeschätzte Werke werden nun korrigiert.

Heute ist das Berliner Fenster in Deutschland hinter der Telekom auf Platz zwei der Installationen im neuen Markt des Digital Signage (digitale Beschilderung).

Am Schlossplatz in Mitte hat die Temporäre Kunsthalle Berlin eröffnet, auf dem alten AEG-Gelände in Oberschöneweide entstehen nächstes Jahr die "Schauhallen" als Dependance des Frankfurter Museum für moderne Kunst und im ehemaligen Hochbunker in der Reinhardstraße zeigen Sie bereits rund 500 Werke Ihrer Sammlung. Welche Rolle wollen und werden Sie bei der Entwicklung Berlins zum Zentrum der Gegenwartskunst spielen? Wie verbinden Sie diese Rolle mit Ihrer Agenturtätigkeit?

Mit unserem Engagement wollen wir eine weitere Facette des schillernden Diamanten sein. Wenn München weltweit bekannt ist für das Oktoberfest, so lässt sich Berlin nicht einseitig festlegen. Vielseitigkeit, Kreativität und Weltoffenheit zeichnen die Berlin aus und der Kunstmarkt profitiert von dieser Atmosphäre. Mit rund 6.000 bildenden Künstlern und über 400 Galerien ist Berlin ein international attraktiver Produktionsort für Kunst und Standort mit der höchsten Galerien-Dichte Europas. Wenn wir nach Berlin kommen, ist uns das Umfeld wichtig. Wir wollen nicht Konkurrenz sein, sondern setzen auf eine befruchtende Zusammenarbeit mit den hiesigen Künstlern, Galeristen und Agenturen. Insofern begreifen wir uns als "Think-Tank", der Kraft und Mut spendet, um in Berlin einen Impuls zur Entfaltung der Kunst der Gegenwart zu geben.

Wir werden 2009 ein eigenes recht spektakuläres Agenturgebäude in der Nähe vom Potsdamer Platz beziehen, welches zurzeit umgebaut wird. Bis dahin ist unsere Agentur in der Münzstraße. Dort hat mein Partner Christian Bracht bereits ein erfolgreiches Team aufgebaut. Von hier aus beginnen wir mit Kulturkommunikation und betreiben Lobbyarbeit, um der Gegenwartskunst den verdienten Stellenwert zu geben. Dabei adressieren wir die Politik, die Medien und die Akteure der Kultur. Ein erstes Projekt ist die Zusammenarbeit mit dem renommierten Berliner Auktionshaus Grisebach. Darüber hinaus bereiten wir 2009 die große Ausstellung "Modell Bauhaus" vor. Im nächsten Jahr wird anlässlich des 90jährigen Gründungsjubiläums die erste gemeinsame Ausstellung der drei deutschen Bauhaus-Institute Berlin, Dessau und Weimar gezeigt. Ähnlich wie bei der erfolgreichen MOMA-Ausstellung werden in Berlin verschiedene herausragende Exponate an einem Ort konzentriert.

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