Sylvia Fiedler, Referentin für Verlage und Buchhandel, im Interview

Kategorie: Buch- und Pressemarkt

Sylvia Fiedler, Referentin für Verlage und Buchhandel in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen/Projekt Zukunft, berichtet im Interview unter anderem von aktuellen Entwicklungen zur Förderung junger Autoren und Verleger in Berlin.

Welche Bedeutung hat Berlin für den deutschen Büchermarkt?

Seit der Wende ist Berlin auf dem besten Weg, wieder den Spitzenplatz unter den Deutschen Verlagsstandorten einzunehmen. Nicht nur nach der Anzahl der in der Stadt herausgegebenen Erstauflagen, sondern auch in Bezug auf die Anzahl der Verlage liegt Berlin (153) knapp vor München (151). Nach dem jährlich vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels herausgegebenen „Adressbuch des Buchhandels in Berlin und Brandenburg“ gibt es in Berlin sogar über 300 Verlage mit einer regelmäßigen Buchproduktion.

Die Vielfalt der Berliner Verlagslandschaft ist einzigartig in Deutschland. Neben den größten und weltweit bekannten Wissenschafts- und Schulbuchverlagen Springer Science+Business Media und Cornelsen gibt es hier auch ein breites Angebot an Publikumsverlagen. Dazu zählen sowohl große Verlagsgruppen wie Ullstein oder Aufbau als auch kleine unabhängige Verlage wie Klaus Wagenbach, Christoph Links, Transit oder Verbrecherverlag. Berlin kann sich auch die Hauptstadt der Autorinnen und Autoren nennen. Das Deutsche P.E.N.-Zentrum (Poets, Essayists, Novelists) zählt 661 Mitglieder, davon leben 186 in Berlin. Ähnlich sieht es beim Verband Deutscher Schriftsteller aus, der insgesamt 4.000 Mitglieder hat, von denen über 500 in Berlin organisiert sind. Insgesamt leben und arbeiten über 2.000 Schriftstellerinnen und Schriftsteller in der Stadt. Die Autorinnen und Autoren aus Berlin sind nicht nur zahlreich, sie sind auch einflussreich und genießen eine hohe literarische Anerkennung im In- und Ausland. Bei den überregional beachteten Literaturpreisen, die im deutschsprachigen Raum vergeben werden, ist Berlin häufig vertreten.

In den letzten fünf Jahren wurde der Ingeborg-Bachmann-Preis gleich drei Mal nach Berlin vergeben. In den letzten 15 Jahren hat sich im Buch- und Einzelhandel ein Konzentrationsprozess vollzogen, der besonders für die kleinen und innovativen Verlage ein Absatzproblem darstellt. Zum Glück macht sich diese Veränderung in Berlin noch nicht so stark bemerkbar, da die Buchhandelslandschaft hoch spezialisiert und in dieser thematischen Breite in Deutschland einzigartig ist. Neben den allgemeinen und wissenschaftlichen Sortimenten existiert in der Stadt eine große Anzahl von Fach- und Spezialbuchhandlungen zu fast jedem Thema. Hinzu kommen über 150 Antiquariatsbuchhandlungen, die ebenfalls über ein breites Spektrum von Spezialabteilungen verfügen. In Berlin werden jährlich mehr als 9.000 Erstauflagen publiziert, mehr als in jeder anderen deutschen Stadt.

Was macht Berlin so attraktiv und wo liegen die Potenziale?

In den letzten Jahren haben sich viele unabhängige Verlage angesiedelt, die vom kreativen Potenzial der Stadt angezogen wurden. Auch der Zuzug junger Autorinnen und Autoren reißt nicht ab. Das nächste Ziel ist jetzt, größere Verlagsgruppen von Berlin als idealem Standort zu überzeugen. Die wirtschaftliche Situation der Verlage und Buchhandlungen hat sich in den letzten beiden Jahren zudem wesentlich verbessert. Hatte sich die allgemeine Kaufzurückhaltung der Vergangenheit auch auf diese Branchen negativ ausgewirkt, gab es von 2004 zu 2005 eine Umsatzsteigerung von 15 Prozent. Auch für Buchverleger ist Berlin als Referenzmarkt sehr wichtig und fast alle großen deutschen Verlage haben wenigstens eine Repräsentanz in der Hauptstadt.

Was unternimmt Projekt Zukunft, um den Standort noch attraktiver für Verlage zu machen?

Seit dem Start der Kulturwirtschaftsinitiative 2004 hat sich Projekt Zukunft intensiv um die Belange der kreativen Branchen gekümmert. So gibt es heute mit dem Venture Capital Fonds Kreativwirtschaft, dem KCC (Kreativ Coaching Center) und den Mikrokrediten unterschiedliche Angebote, die speziell auf die Bedürfnisse der Kreativbranchen und damit auch auf die Buchverlage ausgerichtet sind. Um weitere Handlungsfelder für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufzuzeigen, wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Landesverband Berlin-Brandenburg, und anderen Akteuren aus Verwaltung und Wirtschaft ein Positionspapier für den Berliner Buchmarkt erarbeitet. Die darin dargestellten Maßnahmen werden sukzessive umgesetzt.

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