„Voland & Quist steht für literarische Stimmen, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit perfekt zueinander passen – und doch ist jede einzelne unverwechselbar. Der Verlag wagt Experimente, entdeckt neue literarische Welten und vertraut darauf, dass Bücher nicht in die etablierten Muster des Publizierens und Präsentierens gepackt werden müssen, um zu funktionieren. Und genau deshalb feiern wir in diesem Jahr nicht nur den zwanzigsten Geburtstag von Voland & Quist – wir gratulieren herzlich auch zum Großen Berliner Verlagspreis", heißt es in der Laudatio von Philipp Böhm, Jury-Mitglied des Berliner Verlagspreises 2024. Freuen durfte sich der Verlag bei der Preisverleihung am 3. November 2024 nicht nur über die Glückwünsche, sondern auch über ein Preisgeld von 26.000 Euro.
Herr Greinus, wir gratulieren Ihnen und Ihrem Team zum Gewinn des Großen Berliner Verlagspreises. Es ist nicht Ihre erste Auszeichnung, die Preisliste Ihres Verlags ist bereits beeindruckend. Was bedeutet dieser Preis für Sie als Berliner Verlag?
Die Auszeichnung bedeutet uns sehr viel. Erstens ist es eine Art Manifest: Voland & Quist (V & Q) ist jetzt ein Berliner Verlag. Wir sind ja 2018 von Dresden in die Hauptstadt umgezogen. Der Preis macht deutlich, dass wir in Berlin angekommen sind. Darüber hinaus bedeutet die Auszeichnung deutlich mehr Aufmerksamkeit für V & Q. Anstelle von drei Manuskripten bekommen wir nun täglich 15 Manuskripte zugeschickt.
Sie wollen für „mutige, emanzipierte, frische Literatur" stehen – wie setzen Sie diesen Anspruch in Ihrem Verlagsalltag um?
Das ist ja vor allem ein programmatischer Anspruch. Den finden Sie in der von uns herausgegebenen Literatur. Ich denke da etwa an das Buch Ist hier das Jenseits, fragt Schwein, geschrieben von der Autorin Noemi Somalvico. Sie hat einen liebevollen , tröstlichen und dabei herrlich absurden Kosmos entworfen.
V & Q ist stolz auf seine „ostdeutschen Wurzeln und europäische Identität”. Prägt dieser Hintergrund die Wahl Ihrer Autor:innen und Themen?
Auf jeden Fall. Wir schauen immer nach Osteuropa, wir haben da eine gewisse Affinität. Als Kinder waren wir (Leif Greinus und sein ehemaliger V & Q-Mitgründer Sebastian Wolter, Anm. d. Red.) nicht in westeuropäischen Ländern. Wir haben somit eher eine Verbundenheit zu Tschechien oder zum Balkan, was sich auch in unseren Büchern widerspiegelt. V & Q ist kein reines Wirtschaftsunternehmen, sondern hat eine Mission: Stimmen aus Ost- und Südosteuropa präsent zu machen. Es gibt beim deutschen Publikum aber leider eine gewisse Scheu gegenüber osteuropäischen Namen.
Wie sollte ein Manuskript aussehen, damit es Sie überzeugt?
Da gibt es kein Allgemeinrezept. Es spielt vielmehr wahnsinnig viel zusammen: Welchen Sound höre ich aus dem Manuskript heraus, wer ist die Person, die es geschrieben hat, wie sehen unsere Programmplätze aus? Fehlt uns da eine bestimmte Note? Im Idealfall verliebe ich mich direkt in ein Manuskript. Es ist selten, dass Manuskripte blind eingeschickt werden. In der Regel suchen wir nach neuen Autor:innen. Der Roman Bye Bye Lolita von Lea Ruckpaul war eine Ausnahme, hier hat mich die Mutter der Autorin angesprochen.
Sie verstehen sich als Verlag als Ort für Grenzgänger und Experimentierfreude. Gehen Experimente und Verlagsgeschäft heute überhaupt zusammen – und was ist Ihr Weg?
In der Buchbranche erreicht man die breite Masse nicht mit Experimenten. Wenn ein solches Buch 4.000 Mal verkauft wird, bin ich zufrieden. Eigentlich gilt: Alles jenseits der 2.000 verkauften Exemplare ist okay.
Wir leben in Zeiten polarisierter Meinungen und multipler Krisen. Wo genau sehen Sie die Rolle von Verlagen für die Stärkung von Demokratie und Meinungsvielfalt?
Wir haben den Auftrag, die Welt besser zu machen. Das ist eine Herausforderung, klar. Als Verlag beziehen wir Stellung, so etwa zum Angriff Russlands auf die Ukraine. Auch unsere Bücher sind politisch, so zum Beispiel Sputnik von Nikita Afanasjew. Das ist mit viel Humor geschrieben, aber letztlich geht es um die Fiktion einer Unterwanderung des russischen Staatssenders Russia Today. So wirken auch wir als Verlag politisch.
Was macht Berlin für Sie zu einem spannenden Lese- und Literatur-Ort?
Wir machen Literatur in Berlin und wir vermitteln Literatur in Berlin. 80 Prozent unserer Honorarabrechnungen gehen nach Berlin, da sitzen sehr viele kreative Menschen. Es ist ein riesiger literarischer Haufen, ein riesiges Netzwerk. Außerdem finden wir in Berlin hervorragende Mitarbeiter:innen.
Worauf dürfen sich Leser:innen als nächstes freuen – was ist Ihr Herzensprojekt für die Zukunft?
Bis 2027 kommen viele Übersetzungen. Gerade haben wir einen Lauf gehabt mit dem Buch Der schwarze Magier – die Urfassungen des Romans Der Meister und Margarita, die der russische Autor Michail Bulgakow mit Hilfe seiner Frau Jelena über zwölf Jahre geschrieben hat. Es gibt noch weitere Bücher, die man aus der Historie heben kann, weitere Werke von Bulgakow. Darauf freue ich mich.
Danke für das Gespräch!