Voland & Quist: „Der Preis macht deutlich, dass wir in Berlin angekommen sind.“
Der Verlag Voland & Quist ist Preisträger des diesjährigen Großen Berliner Verlagspreises. Ein Interview mit dem Verleger Leif Greinus. Mehr
Anika Wiest
E-mail: anika.wiest@senweb.berlin.de
Telefon: (030) 90138423
Am 9. und 10. Februar 2023 findet die future!publish bereits zum achten Mal statt − digital auf Hopin. Als „dauerhafter Opener des Branchenjahrs“, wie das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels das Berliner Event einmal bezeichnete, liefert der größte Kongress der Verlagsbranche im deutschsprachigen Raum neue Ideen und setzt Impulse für das Verlegen und Verkaufen. Themenschwerpunkte liegen auf digitalem Publizieren sowie auf innovativen Marketing- und Verkaufsstrategien. Die Teilnehmenden kommen aus Verlagen, Buchhandlungen und von Dienstleistern. In Workshops, Vorträgen und interaktiven Formaten zeigt future!publish auch internationale Entwicklungen auf und berichtet, was sich in anderen Sparten der Kreativwirtschaft so tut.
Im Gespräch mit uns hat Dieter Durchdewald, Mitglied im Beirat der future!publish, Unternehmensberater für die Buch- und Medienbranche und Coach des Coaching-Bonus-Programms der IBB, im Vorfeld erste Einblicke gegeben, was uns in diesem Jahr erwartet.
Herr Durchdewald, als ehemaliger Buchhändler, Geschäftsführer im Verlag und heutiger Unternehmensberater in der Buch- und Medienbranche kennen Sie die Herausforderungen von allen Seiten. Welche Themen werden im Coaching am meisten angefragt?
An guten und innovativen Produktideen mangelt es den Gründer*innen nicht. Sie jedoch betriebswirtschaftlich richtig zu kalkulieren, herstellerisch umzusetzen und vor allem die Produkte in den Markt zu bringen, das sind Herausforderungen, bei denen Berater*innen besonders oft zur Seite stehen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf das vom Land Berlin initiierte und bundesweit einzigartige Coaching-BONUS-Programm der IBB hinweisen, das qualifizierte Beratung von Startups und etablierten Unternehmen fördert und damit auch dazu beiträgt, den Wirtschaftsstandort Berlin zu stärken.
Die future!publish bietet für die Verlagsbranche einen Blick über den Tellerrand gleich zu Jahresbeginn. Auf welche Themenkomplexekönnen wir uns in diesem Jahr besonders freuen?
Es ist gar nicht so leicht, da etwas herauszugreifen, aber ich nenne mal ein paar Highlights. Zunächst einmal die beiden Keynotes. Anne Friebel von Palomaa Publishing, die auch Initiatorin des Netzwerkes The Female Publisher ist, wird darüber sprechen, wie in einer eigentlich „weiblichen Branche“ auch mehr Führungspositionen von Frauen besetzt werden können. Und die Autorin Lisa Weeda, deren Buch und Hörbuch „Aleksandra“ im Februar im Berliner Independent-Verlag Kanon erscheint, wird den Krieg in der Ukraine aus eigener Perspektive thematisieren.
Auch Nachhaltigkeit und New Work spielen im Programm eine größere Rolle. Zum einen gibt es Best-Practice-Beispiele rund um die CO2-Kompensation in der Buchproduktion, zum anderen werden wir als Besucher*innen von den Erfahrungen junger „Digitaler Nomaden“ partizipieren. Hybrid und dezentral zu arbeiten, ist uns allen ja mittlerweile bekannt. Wie funktioniert es jedoch, wenn der Verlag in Deutschland sitzt, Mitarbeitende aber durch die Welt touren und dabei arbeiten? Darüber hinaus erwarten uns Themen wie Agilität, Lean Management, OKR und Corporate Social Responsibility.
Und was technische Innovationen angeht?
Auch da gibt es mehrere spannende Einblicke. Zum einen wird ein Innovationscheck für die Buchbranche vorgestellt, der die Umsetzbarkeit neuer Ideen prüfen soll. Und um Open Access wird es gehen. Das ist bei den großen Fachverlagen ja schon quasi ein alter Hut. Für kleinere Fachverlage ist der Einstieg aber wichtig, und dafür brauchen sie Best-Practice-Beispiele. Ein Workshop auf dem future!publish wird daher das Geschäftsmodell Open Access aus wissenschaftlicher Sicht näher erläutern, um zukünftige Verlagsangebote zu skizzieren.
Ist die Branche, was Digitalisierung angeht, aus Ihrer Sicht denn bereits gut gewappnet oder gibt es noch immense Herausforderungen zu bewältigen?
Digitalisierung ist natürlich für alle Branchen eine große und permanente Aufgabe. Im Verlagswesen betrifft sie ganz stark die Produktion. Mittlere und größere Verlage haben in der Regel eine Verlagssoftware. Das heißt, man legt den Titel einmal an und kann standardisiert den gesamten Workflow von der Produktplanung zu den Produktionsabläufen bis zur Produktvermarktung samt Schnittstelle zu den Dienstleistungen der Druckereien abbilden. Der Produkt-Inhalt wird zudem medienneutral aufbereitet. Ob ich eine Printausgabe, ein E-Book, ein Hörbuch oder einen Download daraus mache, ist dann ja egal. Chancen der digitalen Produktion von Büchern und Produktvermarktung werden alles in allem gut genutzt, aber dennoch gibt es natürlich Entwicklungspotenzial.
Auf dem Programm stehen auch Trends aus der KI. Werden KI-basierte Technologien, zum Beispiel in Produktionsprozessen, schon mehrheitlich eingesetzt oder gibt es noch Vorbehalte und Hürden in der Branche?
Die Akzeptanz für technologische Neuerungen ist in der Branche allgemein groß und wächst weiter. Mit einem Generationswechsel in der Branche, der sich gerade vollzieht, werden all diese Prozesse noch viel selbstverständlicher werden. Beim Kongress wird es zum einen um KI im Metadatenmanagement zum besseren Auffinden von Büchern und zum anderen um KI in Produktionsprozessen gehen. Und mit Stichworten von KI bis Metaverse werden wir mitgenommen zu einem Ausblick auf Trends und Tools für das Buch im Jahr 2040.
Die Medienlandschaft verändert sich, auch die digitalen Möglichkeiten, Bücher für Käufer*innen sichtbar zu machen. Worin liegen dabei die besonderen Herausforderungen?
Die liegen vielleicht am meisten in der Vielfalt der Kanäle, die es im Marketing zu bespielen gilt, von klassischen Medien über Blogs bis hin zu Social Media in allen Facetten. Eines der Best-Practice-Beispiele wird die Masterclass von TikTok sein, in der gezeigt wird, wie dort erfolgreich Bücher präsentiert werden können.
Auch interaktive Formate und Austauschmöglichkeiten sind auf der future!publish dabei. Was kommt bei den Teilnehmenden aus Verlagen, Buchhandlungen und Dienstleistern in der Regel besonders gut an?
Auch in der digitalen Ausgabe der Konferenz waren die Besucher*innen in den letzten beiden Jahren begeistert bei den Workshops dabei. Außerdem wird sehr rege ein Tool zum Netzwerken genutzt, das Buchbranchen-Speeddating, in dem Teilnehmer*innen zufällig einander zugeordnet werden, um so ins direkte Gespräch zu kommen.
Mit 180 Buchverlagen sind neun Prozent der deutschen Verlage in Berlin angesiedelt, so viel wie in keiner anderen Stadt. Auch bei der Anzahl der Neuerscheinungen liegt man in der Hauptstadt vorn. Was macht Ihrer Meinung nach Berlin für die Verlagsszene attraktiv?
Die Stadt hat sich sehr verändert und entwickelt. Sie hat große Aufmerksamkeit, zieht viele Verlage an, die zumindest eine Dependance gründen. Auch Verlage aus der Schweiz, wie Diogenes. Denn hier gibt es ein besonders kreatives und offenes Umfeld, hier leben viele Autor*innen und Grafiker*innen. Ein bisschen wie in Paris, das ja auch so ein Magnet ist. Und Berlin ist international. Hinzu kommt, dass auch viele Dissident*innen hierhergekommen sind, darunter momentan sehr kluge Köpfe aus der Türkei oder aus Russland. Insgesamt viele Menschen also, mit denen man sich austauschen und spannende Projekte, Bücher machen kann. Wir sind jedenfalls stolz darauf, in Berlin das größte Branchenevent zu haben. Und im kommenden Jahr wird die future!publish aller Voraussicht nach auch wieder in Präsenz hier in Berlin stattfinden.
Vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen einen kreativen Auftakt 2023.
Die future!publish wird von Literaturtest, PR-Agentur für Bücher und Autoren, Verlage und Buchhandlungen, veranstaltet und von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe/Projekt Zukunft gefördert.
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