„Eine Straßenbahn zu entwerfen, die dann in Serie gebaut und eingesetzt wird, hat eine enorme Wirkung. Sie müssen sich vorstellen, dass der Fahrzeugtyp für die nächsten vier Jahrzehnte auf der Schiene ist. Da Berlin das größte deutsche Straßenbahnnetz hat und unser Produkt die Hälfte der Fahrzeugflotte stellen soll, wird es geradezu stadtbildprägend“, sagt Jan Vietze, Industriedesigner bei IFS Design. Das Unternehmen hat im Auftrag der BVG das neue Tram-Modell FLEXITY entworfen. Im Interview erläutert Vietze, welche Verantwortung Gestalter bei der Entwicklung eines neuen Schienenverkehrsfahrzeugs haben.
Wie ist „FLEXITY“, der neue Straßenbahntyp für die BVG, entstanden?
Jan Vietze: Von den ersten Zeichnungen und Entwürfen über 3D-Modellierung bis hin zur Serienproduktion und dem Einsatz können schon mal fünf Jahre vergehen. Das Ganze ist ein großes Teamprojekt: Zuerst hat die BVG den Auftrag an einen Straßenbahnhersteller vergeben. Während der Hersteller die Ingenieursleistung erbringt, kümmern wir uns um Exterior und Interior Design. So haben wir z. B. den Führerstand der Straßenbahn komplett neu gestaltet und dazu die Arbeitserfahrung der Straßenbahnfahrer einbezogen. In dem neuen Cockpit haben sie nun eine bessere Sicht auf das Verkehrsgeschehen und die Bedienelemente wurden übersichtlicher angeordnet. Das sorgt für mehr Sicherheit auf den Schienen.
Was waren die Anforderungen bei der Gestaltung?
Jan Vietze: Als Fahrgast bemerkt man nicht, wie viele Aspekte und Details bei der Gestaltung berücksichtigt werden mussten. Der Entwurf und die Ausgestaltung sind eine sehr komplexe Angelegenheit, bei der technologische Vorgaben des Fahrzeugherstellers einfließen, aber auch Anforderungen der Straßenbahnführer, Verkehrssicherheitsthemen, sogar demografische Merkmale schlagen sich nieder. Die niedrigen, verbreiterten Einstiegsbereiche und breite Gänge sind z.B. im Hinblick auf ältere oder mobilitätseingeschränkte Menschen entworfen worden.
Als Designer müssen wir all diese Anforderungen in unsere Entwürfen aufnehmen. Dabei nehmen wir eine Art Vermittlerrolle zwischen Auftraggeber und Schienenfahrzeughersteller ein.
Welche Außenwirkung für Ihr Unternehmen hatte die Entwicklung von „FLEXITY“?
Jan Vietze: Für das Fahrzeug haben wir zwei Designpreise erhalten, darunter eine Nominierung für den renommierten Designpreis der Bundesrepublik Deutschland. Unser Entwurf ist sehr positiv aufgenommen worden, sowohl von der Fachpresse als auch von der Bahn-Fanszene. Da man sich als Industriedesigner sehr intensiv mit technischen und wirtschaftlichen Aspekten auseinandersetzen muss, freut man sich natürlich auch über positive Meinungen der Nutzer zur Formgebung. Die Mehrheit findet die neue Straßenbahn modern, hochwertig und unverwechselbar.
Der neue Straßenbahntyp ist nicht als Einzelleistung, sondern als Gemeinschaftsarbeit der verschiedenen Akteure entstanden. Nur wenn Verkehrsbetrieb, der Hersteller und unser Büro eng zusammen arbeiten, kann auch ein gutes Produkt entstehen.
Der Designer
Jan Vietze
Dipl. Designer / Industriedesigner bei der IFS Design
Studium/Werdegang: Produktdesign-Studium an der Kunsthochschule Berlin - Weißensee mit Schwerpunkt Industriedesign, Meisterschülerstudium bei Prof. Helmut Staubach
Design mit Vorbildcharakter: Alle Produkte, die handwerklich gut umgesetzt wurden. Die Apple-Produkte zeigen eindrucksvoll, welchen Einfluss eine durchdachte Gestaltung auf den Erfolg haben kann.
Was ist, Ihrer Meinung nach, die Hauptaufgabe von Design? Das hängt stark vom Bereich ab: Public Transport Design berücksichtigt alle Anforderungen seiner Nutzer. Das Produkt muss langlebig und hochwertig sein.
Welche Bedeutung hat Berlin für Design? Berlin ist mit seinen vielfältigen kulturellen Möglichkeiten eine große Inspirationsquelle und zieht derzeit viele Kreative und Gestalter aus aller Welt an. Für die Zukunft hoffe ich, dass von Berlin noch stärkere Impulse in Sachen Gestaltung ausgehen, z. B. was experimentelles Design angeht.
Über IFS Design und das Straßenbahnprojekt „FLEXITY“
Die IFS Design wurde 1997 von Jochen Dittrich gegründet. Dittrich hatte zuvor als Chefdesigner bei einem großen Schienenfahrzeughersteller gearbeitet und brachte das Know-how für die Gestaltung von Öffentlichen Verkehrsmitteln mit. IFS Design ist Dienstleister für Transportation Design und spezialisiert auf die Entwicklung von Schienenfahrzeugen und öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Büro beschäftigt derzeit sieben Mitarbeiter.
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