GamesCapitalBerlin: Im Interview mit Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK)

Kategorie: Games

Elisabeth Secker, Geschäftsführerin

©HelenNicolai-BusinessPortraits.de

Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ist eine langjährige Institution und trägt zur Regulierung der deutschen Spielelandschaft bei, indem sie Jugendschutzmaßnahmen und Altersfreigaben für Spiele durchführt und überwacht. Damit trägt die USK eine große Verantwortung, gerade in Zeiten von Online-Spielen, die den Jugendschutz vor große Herausforderungen stellen. Die Geschäftsführerin der USK, Elisabeth Secker, hat mit uns über ihre Organisation, ihre Aufgaben sowie moderne Herausforderungen für den Jugendschutz in Deutschland gesprochen. Außerdem berichtet sie, wie die USK auch über die Grenzen hinaus von Bedeutung ist.

Die USK ist dieses Jahr 30 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch! Warum wurde sie überhaupt gegründet?
Danke schön! Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) steht für „Unterhaltungssoftware Selbstkontrollstelle“. Als Selbstkontrolleinrichtung der Spieleindustrie sind wir die zentrale Institution in Deutschland für die Vergabe von Altersfreigaben für Spiele und die Förderung des Jugendschutzes in der Spielebranche.

Gestartet ist die USK im Jahr 1994 als freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Spieleindustrie. Ziele waren eine größere Rechtssicherheit und Imageförderung. In ein staatlich anerkanntes Verfahren überführt wurden die USK-Altersvorgaben erst im Jahr 2003. Ausschlaggebend war die Debatte um Gewalt in Videospielen nach dem Erfurter Schulmassaker von 2002.

Heute ist die USK eine der zentralen Institutionen im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes für digitale Spiele. Seit ihrer Gründung wurden mehr als 56.000 Verfahren zur Alterskennzeichnung nach dem Jugendschutzgesetz durchgeführt. Darüber hinaus vergibt die USK im Rahmen des weltweiten IARC-Systems rund 2 Millionen Kennzeichnungen pro Jahr auf digitalen Spieleplattformen. Über 50 Mitgliedsunternehmen haben sich der USK angeschlossen, um im Bereich des Jugendschutzes dauerhaft zu kooperieren und diesen kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Wie hat sich die Prüfung von Spielen im Laufe der Jahre verändert? Und wie haben sich die Spiele verändert? Haben Sie Veränderungen der Themen, Mechanismen oder des Spieldesigns beobachtet, die die Altersfreigabe beeinflusst haben?
Heute ist kaum noch ein Spiel „offline“, und mit der stetigen Verlagerung auf digitale Vertriebswege haben sich auch die Nutzungsmöglichkeiten von Spielen stetig weiterentwickelt. Neben dem Thema Inhalte, das lange Zeit die Jugendschutzdebatte dominierte, geht es heute zunehmend um die mit der Nutzung verbundenen Risiken. Dazu gehören etwa Risiken im Bereich der Kommunikation durch Chat-Funktionen, aber auch die Auswirkungen neuer Monetarisierungsstrategien wie In-App-Käufe, Lootboxen und Battle-Pässe. Der Gesetzgeber hat darauf mit dem novellierten Jugendschutzgesetz reagiert und die USK mit neuen Kompetenzen ausgestattet. Seit 2023 prüfen die unabhängigen USK-Gremien unter staatlicher Beteiligung auch Nutzungsrisiken von Spielen. In die Bewertung fließt nun auch ein, ob technische Schutzmaßnahmen vorhanden sind. Eltern finden jetzt neben der Altersfreigabe auch zusätzliche Informationen, die ihnen eine bessere Orientierung vor dem Kauf eines Spiels geben.

Bitte teilen Sie Ihr Fachwissen mit uns. Wie funktioniert Jugendschutz im Allgemeinen und Jugendmedienschutz im Besonderen in Deutschland?
Deutschland hat mit die strengsten gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen der Welt, und das gilt auch für digitale Spiele. Deutschland ist aber auch Vorreiter, und viele Jugendschutzstandards werden international übernommen. Anders als in anderen europäischen Ländern sind die Altersfreigaben für digitale Spiele gesetzlich verankert. Auch staatliche Vertreter sind an dem Prozess beteiligt, weshalb das deutsche System als besonders verbindlich gilt. Alle Spiele, die an Minderjährige verkauft oder in der Öffentlichkeit gezeigt werden sollen, müssen der USK zur Prüfung vorgelegt werden. Im Gegensatz zu den PEGI-Kennzeichnungen, die in anderen europäischen Ländern verwendet werden und lediglich empfehlenden Charakter haben, sind die Altersfreigaben der USK verbindlich. Auch für Online-Spieleplattformen besteht nun eine Kennzeichnungspflicht nach dem IARC-System, das die USK gemeinsam mit anderen Prüfinstitutionen entwickelt hat. Denn auch die Anbieter im Online-Bereich müssen dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche nicht generell mit schädlichen Inhalten konfrontiert werden. Zu diesem Zweck können sie ihre Jugendschutzsysteme von der USK zertifizieren lassen. So sind beispielsweise die Jugendschutzeinstellungen der Konsolen Nintendo Switch und Xbox von der USK anerkannt.

Was sind Ihre Aufgaben als Geschäftsführerin der USK?
Als Geschäftsführerin der USK bin ich unter anderem für die Führung des Tagesgeschäfts, die Verwaltung der Finanzen und die Organisation der einzelnen Abteilungen der USK zuständig. Dazu gehört neben der Sicherstellung robuster und aktueller Prüfverfahren auch die Pflege der Beziehungen zu den Unternehmen der Games-Branche, zu den für den Jugendschutz zuständigen Institutionen und Behörden sowie zu Politik und Öffentlichkeit. Außerdem arbeite ich an strategischen Initiativen zur Weiterentwicklung des Jugendschutzes im digitalen Zeitalter, einschließlich der Einführung neuer Technologien und Methoden zur Verbesserung unserer Bewertungssysteme. 

Persönlich halte ich es für wichtig, dass Kinder und Jugendliche in einer Medienwelt aufwachsen können, die ihrer Entwicklung nicht schadet, ihnen aber gleichzeitig die Teilhabe an den vielfältigen Möglichkeiten ermöglicht. Diese Balance in einer immer komplexer werdenden Medienwelt zu finden, ist für mich eine spannende Herausforderung. 

Die USK ist eine Institution in Berlin. Wie schätzen Sie die Relevanz des Standorts Berlin für die deutsche Games-Branche ein?
Berlin ist für die deutsche Games-Branche von zentraler Bedeutung. Als dynamisches Zentrum für Innovation und Kreativität bietet die Hauptstadt ein inspirierendes Umfeld für die Entwicklung von Games. Die lebendige Start-up-Szene, die vielfältige Kulturlandschaft und die erstklassige Infrastruktur ziehen talentierte Entwickler:innen, Studios und Unternehmen aus der ganzen Welt an. 

Darüber hinaus plant Berlin das House of Games als zentrale Anlaufstelle und Innovationszentrum für die Games-Branche. Das House of Games wird nicht nur als physischer Ort fungieren, sondern auch als Plattform für den Austausch von Ideen, die Förderung von Talenten und die Unterstützung von Unternehmen. Die Schaffung eines solchen Zentrums unterstreicht die führende Rolle Berlins in der deutschen und internationalen Games-Landschaft.

Die Novellierung des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) bringt viele Änderungen mit sich. Wie wirkt sie sich auf die Arbeit der USK aus? 
Tatsächlich hat die Anpassung des Jugendschutzgesetzes die größten Veränderungen für die USK in den vergangenen 20 Jahren mit sich gebracht. Alle Prozesse rund um die Einreichung von Spielen sowie das Prüfverfahren selbst mussten neu gestaltet und entwickelt werden. Die USK hat den Umsetzungsprozess gemeinsam mit den für die Alterskennzeichnung zuständigen Obersten Landesjugendbehörden und in Kooperation mit dem game e. V. – Verband der deutschen Games-Branche – durchgeführt. Einzigartig an dem Projekt war, dass die USK erstmals auch Kinder, Jugendliche und Eltern an der Umsetzung eines Jugendschutzgesetzes beteiligt hat. Dadurch konnten wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, die in die Ergebnisse eingeflossen sind. 

Um Eltern noch mehr Orientierung bei der Auswahl digitaler Spiele zu geben, wurden die USK-Alterskennzeichen um zusätzliche Informationen zu Inhalt und Nutzung erweitert. Eltern können nun auf einen Blick erkennen, welche Gründe zur Altersfreigabe geführt haben, wie z.B. „Gewalt“, „hoher Spieldruck“ oder „erhöhter Kaufanreiz“, und welche Risiken bei der Nutzung solcher Medien – wie z. B. „Chats“ oder „In-Game-Käufe“ – beachtet werden sollten. 

Auch Online-Risiken werden bei der Altersfreigabe von Spielen berücksichtigt:  Anbieter, die ihr Spiel bei der USK zur Prüfung einreichen, müssen angeben, ob Funktionen wie Kauf- oder Kommunikationsmöglichkeiten im Spiel vorhanden sind und welche technischen Schutzsysteme sie dafür vorsehen. Bei der Prüfung der Spiele wägen die unabhängigen Prüfstellen ab, ob nachhaltige Risiken für Kinder und Jugendliche bestehen. Dabei können die Art und Weise, wie Käufe in das Spiel integriert sind, oder die Gestaltung von Chatfunktionen sowie entsprechende Melde- und Hilfesysteme oder technische Beschränkungsmöglichkeiten eine Rolle spielen.

Welche Faktoren fließen in die Bewertungsentscheidung ein? Und welche Spielmechaniken sind für junge Spieler:innen besonders gefährlich? 
Die unabhängigen Gremien der USK orientieren sich an den Leitkriterien für Altersfreigaben, die von unserem Beirat beschlossen werden und auf den neuesten Erkenntnissen aus Forschung und Wissenschaft beruhen. Kriterien für die Beurteilung der Jugendschutzrelevanz sind u. a. Gewaltdarstellungen, sexuelle Inhalte, die Atmosphäre im Spiel oder problematische (z. B. kriminelle) Vorbilder im Spiel. Aber auch über den Inhalt hinausgehende Spielmechaniken können für die Bewertung relevant sein. Dazu gehören beispielsweise ungesicherte Kommunikationsmöglichkeiten, undurchsichtige Shops oder Elemente, die die Spieler:innen zu exzessiver Nutzung verleiten. Besonders risikoreich sind Spielmechaniken, die die Fähigkeit von Kindern und Jugendlichen zur Selbstregulierung beeinflussen. 

Wir bewerten diese Elemente sorgfältig von Fall zu Fall, um ihre Auswirkungen auf junge Spieler zu bestimmen und entsprechende Altersfreigaben zu vergeben. Darüber hinaus ist es wichtig, technische Hilfsmittel zur Unterstützung der Eltern einzusetzen, um sicherzustellen, dass der Spielspaß erhalten bleibt und die Kinder sicher teilnehmen können. 

Spieleunternehmen können Mitglied bei der USK werden. Was bedeutet eine solche Mitgliedschaft? 
Die USK bietet als Partner für Unternehmen ein breites Spektrum an Dienstleistungen. Neben Schulungen und Zertifizierungen im Jugendschutz unterstützen wir die Unternehmen bei der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an den Jugendschutz. Die USK fungiert auch als Rechtsschutz für Anbieter bei möglichen Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz. Unsere fast 50 Mitglieder sind sich ihrer Verantwortung für den Jugendschutz bewusst und erarbeiten gemeinsam mit uns praxisnahe Lösungen für ihre Angebote. So zertifizieren wir beispielsweise Jugendschutzsysteme nach den gesetzlichen Vorgaben in Deutschland. Die Jugendschutzeinstellungen der Nintendo Switch oder der Xbox sind somit rechtlich anerkannt, was eine besondere Auszeichnung für diese Systeme ist. Die Einstellungen auf der Xbox wurden in Zusammenarbeit mit der USK sogar weltweit ausgerollt – globaler Jugendschutz made in Germany. 

Sie haben auch eine beratende Funktion für Eltern. Was sind die am häufigsten gestellten Fragen und Anliegen, die an Sie herangetragen werden?
Zwei Themen, die die Eltern eindeutig beschäftigen, sind die Spielzeit und die Verwendung von Systemen zur elterlichen Kontrolle. Aber es fängt auch auf einer grundlegenden Ebene an: Eltern fragen, wie sie geeignete Spiele auswählen können und worauf sie achten müssen. Unser wichtigster Tipp für Eltern ist, der Faszination von Spielen bei Kindern und Jugendlichen positiv zu begegnen, gemeinsam Spiele auszuwählen und Regeln festzulegen. Unserer Erfahrung nach geschieht dies bereits! Laut einer aktuellen Umfrage wählen 42 Prozent der Eltern gemeinsam mit ihren Kindern Spiele aus. In 36 Prozent der Fälle müssen die Kinder ihre Eltern um Erlaubnis fragen, bevor sie ein Spiel benutzen. Nur in einer Minderheit der Fälle entscheiden die Kinder oder die Eltern allein, welche Spiele sie spielen wollen. Erfreulich ist, dass 81 Prozent den USK-Alterskennzeichen vertrauen – das motiviert uns, unser Engagement für den Jugendschutz auch in den kommenden Jahren fortzusetzen!

Mehr Infos zur Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle findet ihr hier.
Dieser Beitrag stammt im Original von GamesCapitalBerlin und ist hier zu finden (in Englisch).

Kontakt

Christopher Hohage

Medienwirtschaft, Medientechnologie, Games, Film- und Fernsehwirtschaft

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