Voland & Quist: „Der Preis macht deutlich, dass wir in Berlin angekommen sind.“
Der Verlag Voland & Quist ist Preisträger des diesjährigen Großen Berliner Verlagspreises. Ein Interview mit dem Verleger Leif Greinus. Mehr
Anika Wiest
E-mail: anika.wiest@senweb.berlin.de
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Das Verlagswesen verändert sich zunehmend durch die Digitalisierung: Viele Unternehmen müssen ihre Prozesse neu strukturieren und neue Wege beschreiten, damit diese wettbewerbsfähig bleiben. Im Zuge der Corona-Pandemie und der großen Herausforderungen des Bildungssystems in Deutschland, rückt der Einsatz von Online-Medien als Ergänzung zu gedruckten Schulbüchern im Eiltempo in den Fokus. Ein Unternehmen, das sich diese Botschaft bereits lange Zeit vor der Pandemie zu Herzen nahm, war der Berliner Cornelsen Verlag.
Georg Müller-Loeffelholz, Chief Product Officer beim Cornelsen Verlag und Olaf Carstens, Geschäftsführer Bibliographisches Institut GmbH, sprechen über die Digitalisierung an den Schulen, die Transformation der Bildungsverlage und den guten, alten Duden.
Herr Carstens, Sie verantworten das Gesamtportfolio des Dudenverlags – wird der Duden in Papierform durch seinen digitalen Nachfolger abgelöst?
Olaf Carstens: Das kann ich ganz klar mit nein beantworten. Im August haben wir unseren neuen Rechtschreibduden veröffentlicht – mit knapp 1.300 Seiten, gelb und dick, wie man ihn kennt. Und er hat sofort den Platz 1 der Bestsellerlisten erobert. Zudem ist unser gedruckter Duden nach wie vor als Lehrmittel in den Schulen zugelassen und wird sicherlich auch in den Zeitungs- und Verlagsredaktionen nach wie vor nicht fehlen. Printprodukte werden ihren Wert behalten, schon der Haptik wegen.
Dennoch verfolgen wir natürlich auch weiterhin unsere Digitalisierungsstrategie. Bereits im vergangenen Jahr haben wir zum Beispiel mit dem „Duden Mentor“ ein Tool gelauncht, das durch seine vielen Zusatzfunktionen mit einem digitalen Lektor zu vergleichen ist: Die Prüfsoftware, bei der auch KI eingesetzt wird, kann Texte kompetent auf Rechtschreibung und Schreibstil bewerten. Mit dem Duden Mentor bekommen alle, die einwandfrei formulieren wollen, einen digitalen Lektor an die Hand.
Georg Müller-Loeffelholz: Ich würde hier gern ergänzen und auf unsere Online-Plattform Duden Learnattack hinweisen. Dies auch im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie. Die Plattform kann als digitales Angebot zur Ergänzung des Unterrichts genutzt werden und soll Schülerinnen und Schülern dabei helfen, bessere Noten zu erzielen. Mit Erklärvideos, Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Übungen kann Duden Learnattack ideal für das Homeschooling eingesetzt werden. Während der Schulschließungen in der ersten Jahreshälfte haben wir Duden Learnattack allen Schülern und Eltern für diese Zeit kostenfrei zur Verfügung gestellt. Wie übrigens auch der Cornelsen Verlag, der weite Teile seines digitalen Angebots kostenfrei zur Verfügung gestellt hat.
Gestartet ist Duden Learnattack mit der Intention, Schülerinnen und Schülern einen einfachen Zugang zu Schulwissen zu ermöglichen und sie beim Lernen zu unterstützen. Und dieses Ziel ist dringlicher denn je: Denn wenn wir es nicht schaffen, den Lernrückstand infolge des Lockdowns wieder auszugleichen, wird sich das auch noch in vielen Jahren bemerkbar machen. Dann haben wir einen gesamtwirtschaftlichen Schaden zu beklagen, der nicht mehr gut zu machen ist.
Herr Müller-Loeffelholz, Sie sind vor allen Dingen auch angetreten, um die digitale Ausrichtung des Cornelsen Verlages noch weiter voranzubringen. Was genau macht Ihren Verlag aus und wo liegt das Potenzial?
Müller-Loeffelholz: Wir nutzen unsere Erfahrung aus der langjährigen Entwicklung erprobter Medien, um Bildung in Zeiten der Digitalisierung mitzugestalten. Und wir haben schon früh gesehen, dass die Nachfrage nach digitalen Medien und erweiterten Bildungsangeboten kontinuierlich gestiegen ist. Schnell war uns klar, dass wir uns darauf fokussieren müssen, Tools zu entwickeln, die individuelle Lernerfolge unterstützen und die Lehrerinnen und Lehrer bei ihrer Wissensvermittlung unterstützen. Dies geschieht beispielsweise durch die Plattform „Leseo“, die Kinder individuell fördert und zum Lesen animiert.
Ein anderes Beispiel ist die Sprechförderungs-App „ChatClass“, mit der Schülerinnen und Schüler ganz angstfrei Englisch sprechen und üben können. Das sind aber nur einige Beispiele unseres umfangreichen Angebots. Darüber hinaus bieten wir natürlich unsere Lehrmaterialien in hochwertiger Schulbuchqualität auch als E-Books an.
Herr Carstens, der Cornelsen Verlag gehört nach wie vor zu Spitze der Schulbuchverlage. Was macht das Unternehmen aus – wie unterscheiden Sie sich von Ihren Wettbewerbern?
Carstens: Unsere Expertise, das kann ich ganz klar sagen. Dies in Kombination mit einer strikten Ausrichtung auf den Kunden. So feilen unsere Entwicklerteams lange in Praxistests an neuen Bildungsangeboten, um Kundenwünsche bestmöglich umzusetzen.
Ob analoge oder digitale Medien – für uns als Verlag ist es wichtig, immer offen für neue Ideen zu sein und diese Offenheit mit den Erfahrungen vergangener Jahre zu kombinieren.
Vor knapp zwei Jahren wurde der Digitalpakt Schule mit 5 Milliarden Euro aufgelegt, um die Digitalisierung voranzubringen. Eine Entwicklung, die Sie als Schulbuchverlag mit digitaler Ausrichtung begrüßen dürften…
Müller-Loeffelholz: Natürlich begrüßen wir diese Entwicklung. Allerdings war im Digitalpakt zunächst keine Förderung von Bildungsinhalten vorgesehen. Inzwischen gibt es hier erste positive Entwicklungen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es nicht reicht, einfach nur neue Geräte in den Schulen anzuschaffen und in die Technik zu investieren, sondern dass es hochwertiger, rechtesicherer Bildungsinhalte bedarf. Und auch wenn die Verlage sich digital aufstellen, können wir nicht losgelöst von den Schulen agieren. Wir befinden uns alle in einem Lernprozess, denn für die Printprodukte gibt es gelernte Mechanismen, diese erstrecken sich aber noch nicht auf die Digitalprodukte. Daher braucht es eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, um die Schulen bei der Digitalisierung voran zu bringen.
An Geldern scheint es aber nicht zu mangeln. Zumal während der Corona-Pandemie noch einmal eine weitere Milliarde für mobile Endgeräte fürs Homeschooling und die Administration von Computersystemen bereitgestellt wurde. Wo hakt es Ihrer Meinung nach?
Carstens: Ich sehe, und verstehen Sie mich nicht falsch, die Corona-Pandemie auch als Chance. Wir können definitiv nicht so weitermachen wie bisher. Ich befürchte beinahe, dass vielerorts gesagt wird: Die Rahmenbedingungen sind jetzt da und wenn es wieder zu einem Lockdown kommt, setzen wir genau dort an. Und hier liegt das Problem. Wir müssen tatsächlich dranbleiben und dürfen den Prozess nicht unterbrechen. Digitalmedien sollten langfristig ein integraler Bestandteil des deutschen Bildungswesens sein.
Das föderale System in Deutschland hat seinen eigenen Wert, gleichwohl zeigt sich jetzt besonders deutlich, welche Entwicklungen noch dringend erforderlich sind.
Wir wünschen uns zentrale Standards etwa bei Fragen der Interoperabilität. Aber auch beim Datenschutz hat jedes Bundesland unterschiedliche Regelungen. Wenn eine Schule ein Angebot von uns wahrnehmen will, muss sie viele Hürden überwinden – nicht nur technische.
Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen, was wünschen Sie sich für das Verlagswesen?
Müller-Loeffelholz: Wir sollten den Corona-Effekt als Gamechanger begreifen. Die Offenheit für digitale Medien ist enorm gewachsen – und hier muss unbedingt angesetzt werden. Dass sich der Wunsch nach Digitalisierung beschleunigt hat, ist natürlich gut für uns. Jetzt sollten wir die Chance nutzen, indem wir einen breiten Dialog führen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen, um gemeinsam für zukunftsfeste Schulen zu arbeiten.
Carstens: Ich würde mir darüber hinaus wünschen, dass der Unterrichtsstoff an die neue digitale Welt schneller angepasst wird. Der Vermittlung von Medienkompetenzen muss mehr Raum gegeben werden, auch neue Schwerpunkte sind vorstellbar, wie beispielsweise KI oder die Geschichte des Silicon Valley. Dazu gehört auch, die Schattenseiten der sozialen Medien zu betrachten, um somit auch Radikalisierungen bereits im Vorfeld zu verhindern oder doch zumindest einzudämmen.
Georg Müller-Loeffelholz verantwortet als Chief Product Officer die gesamte Produktentwicklung des Cornelsen Verlags. Der Digitalexperte verfügt über mehr als 20 Jahre Digitalexpertise in der Medien- und Telekommunikationsbranche mit Stationen bei der Funke Mediengruppe, Axel Springer sowie zuletzt RedBee Media, Ericsson. Im August 2019 trat er als CPO des Bibliographischen Instituts in die Cornelsen Gruppe ein und hat seitdem erfolgreich die digitalen Sprachangebote aus- und aufgebaut, darunter Duden Mentor und Duden.de.
Olaf Carstens ist der Buchbranche und dem Börsenverein seit vielen Jahren verbunden. Nach Stationen in der Geschäftsleitung u.a. von Egmont und Herder ist er seit 2015 Geschäftsführer des Bibliografischen Institutes (Duden) und seit 2018 zusätzlich Ressortleiter Fachverlag & International Cornelsen Verlag GmbH. Hier ist er unter anderem als Verwaltungsratspräsident der Cornelsen Schweiz AG für das Auslandsgeschäft zuständig. In seinem Verantwortungsbereich liegen auch digitale Initiativen zum Erlernen und Anwenden von Sprachen.
Mit Unternehmen wie dem Cornelsen Verlag, dem Bibliographischen Institut (Duden), VERITAS oder Verlag an der Ruhr zählt die Cornelsen Gruppe zu den führenden Bildungsmedienanbietern im deutschsprachigen Raum. Seit über sieben Jahrzehnten lernen und unterrichten Menschen mit Bildungsmedien von Cornelsen. Cornelsen fördert Bildungspotenziale von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenen- und Berufsleben.
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