Zukunftskopf: Co-Gründerin und CEO Aimie-Sarah Carstensen von ArtNight
Die Mission der Gründerin Aimie-Sarah Carstensen ist Kreativität zu einer Routine zu machen, die alle lieben. Wie sie das mit ArtNight schafft, erzählt sie uns im Interview. Mehr
Anika Wiest
E-mail: anika.wiest@senweb.berlin.de
Telefon: (030) 90138423
Afrikanische Schriftsteller:innen sind die spannendsten Stimmen des schwarzen Kontinents, davon sind Karla Kutzner, Stefanie Hirsbrunner und Venice Trommer überzeugt. Um diesen Gehör zu verschaffen, veranstalten die drei Politologinnen seit 2018 alljährlich in Berlin das African Book Festival und betreiben Deutschlands erste Buchhandlung, die auf afrikanische und afrodiasporische Literatur spezialisiert ist. 2022 kam der InterKontintental Verlag dazu: Mit Romanen wie „BLACKASS“ von A. Igoni Barrett sowie Werken etablierter Autor:innen wie Fiston Mwanza Mujila oder Jennifer Nansubuga Makumbi will der junge Verlag Schriftsteller:innen vom afrikanischen Kontinent und der Diaspora in den deutschsprachigen Kulturraum bringen und mit ihnen in einen gleichberechtigten Dialog treten. Die Idee scheint Zuspruch zu finden, denn schon im ersten Jahr nach seiner Gründung wurde der InterKontinental Verlag mit dem Berliner Verlagspreis ausgezeichnet.
Frau Kutzner, warum war die Gründung des Verlages im Jahr 2022 nach dem African Book Festival und der InterKontinental-Buchhandlung der nächste Schritt?
Es war die logische Konsequenz aus unserer Arbeit. Der Verlag ist entstanden, weil so viele Bücher afrikanischer Autor:innen nur auf Englisch und Französisch im Sortiment verfügbar gewesen sind. Wir stellten uns die Frage, warum diese keiner übersetzt? Gleichzeitig kann man mit Büchern nicht viel Geld verdienen und mit unserer Buchhandlung noch weniger, weil dafür schlicht der Platz fehlt. Viele Filialen aufzumachen, liegt in ferner Zukunft. Deshalb hat es Sinn, sich mit dem Verlag ein weiteres Standbein aufzubauen.
Hinter all dem steckt aber der InterKontinental-Verein?
Nein, dieses Gerücht kursiert. Es gibt den InterKontinental-Verein als Träger und offiziellen Veranstalter des African Book Festivals. Da sind wir im Vorstand und aktiv, doch da gibt es auch Mitglieder:innen. Sonst sind wir juristisch gesehen eine GbR. Diese führt sowohl den Verlag als auch die Buchhandlung. Mir ist das auch wichtig, aus feministischer Perspektive heraus zu betonen, weil, man wird als Frau oft so hingestellt, als wäre unsere Arbeit nur ein „Projekt“, ein Hobby. Das ist es nicht. Wir wollen Geld verdienen und uns Existenzen aufbauen. Das ist auch unser Ziel.
Dahinter steckt viel Arbeit. Schon beim Verlags-Launch im August 2022 meinten Sie: „Wäre Literatur ein Schuh, ein Waschmittel, ein Schokoriegel, würde das Marketingteam ja wohl auch einen Bedarf kreieren, einen Markt erobern, Nischen besetzen, Risiken wagen.“ Wie ist Ihnen das in diesem ersten Jahr gelungen und was sind Lernerfahrungen?
Jeder unabhängige Verlag, jede:r Selbstständige, würde Ihnen sagen: Alles ist Risiko. Ich habe im September einen Verlag kennengelernt, der Moodboards macht, für den Einkauf. Sie schauen, was sich gut vermarkten lässt, und nicht nach dem literarischen Inhalt. Wir kaufen Literatur ein, von der wir in erster Linie inhaltlich überzeugt sind, wovon wir aber glauben, dass diese hier Erfolg haben kann. Da wir aber so jung am Markt sind, können wir das nur schwer abschätzen. Ein Buch kann auf den internationalen Märkten gut laufen, aber jenseits der deutschsprachigen Grenze ist es etwas anderes. Das ist eine unserer vielen Lernerfahrungen, dass der deutsche Markt anders funktioniert.
Wann ist ein Buch für Ihren Verlag erfolgreich?
Ich würde sagen, wenn es auf einer Shortlist steht, eine gute Rezension bekommt oder in anderer Form eine Anerkennung, eine Auszeichnung erhält und so zeigt, dass man mit anderen Verlagen mitspielen kann. Das ist für uns besonders wichtig, dieser Blick von außen. Als Tsitsi Dangarembga 2019 unser Festival kuratierte, war es nicht einfach sie für Interviews an die Medien zu vermitteln. Einige kannten sie, aber wir mussten viel mehr Arbeit hineinstecken, um bekanntzumachen, dass sie als erste schwarze Frau in Simbabwe Ende der 1980er ein Buch veröffentlicht hatte. Dann übersetze der Orlanda Verlag ihre Bücher neu, und 2021 erhielt sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und wurde daraufhin u. a. für die Berlinale-Wettbewerbs-Jury und vieles weitere nominiert und eingeladen (PEN International, Award for Freedom of Expression). Jetzt ist sie bekannt und wenn sie beispielsweise das bei uns im Sommer auf Deutsch erschienene „Haus aus Stein“ von der ebenfalls aus Simbabwe stammenden Autorin Novuyo Rosa Tshuma wärmstens auch deutschen Leser:innen empfiehlt, dann sind das genau die Erfolgsmomente in den jungen fünf bis sechs Jahren unseres Bestehens, auf die wir stolz sind. Genau so muss es sein!
Wie hoch muss die verkaufte Auflage eines Buches sein, damit es ein Erfolg ist?
Wir sind zu jung am Markt, als dass wir mit Zahlen kommen können. Wir sind ein kleiner Indie-Verlag mit zwei Vertretern innerhalb Deutschlands. Wir haben Auflagen von 2.000 Stück und bisher sind noch nicht alle weg. Vielleicht könnte man als Ziel definieren: Wenn die erste Auflage weg ist, dann spielen wir auf einem anderen Level. Doch bei uns geht es jetzt erstmal darum, gelesen zu werden – und gelesen werden wir nur dann, wenn das mediale Interesse da ist.
Mit der Auszeichnung durch den Berliner Verlagspreis ist Letzteres sicherlich vorhanden. Was versprechen Sie sich sonst vom Gewinn?
Dass wir den Verlagspreis erhalten, das hat uns selbst überrascht. Wir hätten nicht gedacht, im ersten Jahr schon unter den ersten drei Preisträgern zu sein. Wir haben sehr großen Respekt davor, gemeinsam mit Verlagen auf der Bühne zu stehen, die über 30 Jahre im Geschäft sind. Für uns bringt die Auszeichnung Respekt und Akzeptanz. Wir wollen als unabhängiger Verlag in die Kurt-Wolff-Stiftung, doch dafür muss man drei Jahre in einer bestimmten Qualität existieren. Das Gleiche gilt für den Deutschen Verlagspreis. Diese Meilensteine gilt es zu erreichen, um von anderen Verlagen und Buchhandlungen wahr- sowie ernst genommen zu werden. Nicht als Nischenprojekt, sondern als normaler deutscher Verlag, der sehr gute Belletristik macht. Dafür sind solche Preise wichtig.
Darüber hinaus erhalten Sie ein Preisgeld von 15.000 Euro. Was haben Sie damit vor?
Wir haben zwei Verlagsprogramme mit jeweils vier Büchern, wovon jeweils drei Romane sind. Wir werden auch im nächsten Jahr diese vier Bücher machen – ohne Förderung. Übersetzungen sind bei uns der größte Kostenfaktor, sie liegen bei rund 10.000 Euro für ein 300-Seiten-Buch. Die Übersetzungsförderungen vom Auswärtigen Amt sind derzeit alle eingestampft worden, und die Neustart-Kultur-Gelder, die es während der Pandemie gab, gibt es auch nicht mehr. Übersetzungsförderung ist also sehr rar derzeit. Die Kosten sind überall gestiegen, auch die Honorare von Freelancern, mit denen wir arbeiten. Wir zahlen auch für die Lizenz beim Einkauf der Übersetzungsrechte, und dazu kommen die Druckkosten, die ebenfalls immens gestiegen sind.
In Ihrer Dankesrede beim Berliner Verlagspreis haben Sie deshalb auf die Notwendigkeit von strukturellen Verlags- und Übersetzungsforderungen in Deutschland hingewiesen, die es in anderen europäischen Ländern gibt. Was genau wünschen Sie sich?
In Österreich und der Schweiz erhalten Verlage meines Wissens eine strukturelle Verlagsförderung als ganz normale Wirtschaftsförderung. Literatur darf nicht nur im Kulturbereich liegen, sondern es sollte – wie beim Film – anerkannt werden, dass es sich um kulturelle Produkte handelt, die auch Teil der Wirtschaft sind. Bei der Filmförderung werden z. B. bedingt rückzahlbare Darlehen ausgeschüttet, staatliche Förderung, die es beim Büchermachen so nicht gibt. Preise und Auszeichnungen reichen nicht aus.
Dennoch nimmt das Preisgeld von 15.000 Euro sicherlich ein Stück weit den Druck für uns heraus. Da wir in die oben erwähnten Strukturen aufgenommen werden wollen, müssen wir diese vier Bücher pro Jahr schaffen. Vielleicht können wir in ein paar Jahren Projekte schieben oder nur zwei Bücher pro Jahr machen, weil wir mit einer bestimmten Person zusammenarbeiten wollen. Aber jetzt wollen wir drei Jahre durchhalten. Zudem haben wir Pläne für eine Erweiterung im Kiez.
Klingt spannend. Verraten Sie uns zu guter Letzt die vier Bücher, auf die wir uns im neuen Programm freuen dürfen?
Wir haben einen eritreischen Autor, der aus dem Arabischen übersetzt wird. In seinem Buch geht es um (religiöse) Identitäten, aber auch um Israel und die Verbindung zu Ostafrika. Es ist ein sehr, sehr spannendes Buch. Dass es interessanterweise sehr aktuell ist, konnte niemand ahnen. Gleichzeitig ist es auch spannend, weil wir damit in die ostafrikanische Region schauen und eines unserer Ziele ist, möglichst viel vom afrikanischen Kontinent abzubilden.
Dann haben wir eine kamerunische Debütautorin, die einen Gesellschaftsroman mit einer starken Hauptfigur geschrieben hat. Drittens werden wir eine Krimireihe mit einem Autor machen, mit dem wir seit Jahren zusammenarbeiten. Der Krimi spielt in Lagos in Nigeria, und wir hoffen, damit eine andere Zielgruppe als bisher zu erreichen. Und der vierte Roman ist von einer afrikanisch-kanadischen Autorin. „Coming of Age“ mag ich als Begriff nicht, aber er ist für ein jüngeres Publikum gemacht.
Wo wird man diese Bücher erhalten können?
Der Vertriebsaufbau ist ein großes Thema für uns: Wir bauen uns Stück für Stück unser Netzwerk auf. Bestellen kann man unsere Bücher schon jetzt in jeder Buchhandlung und in einigen tollen liegen sie auch.
Danke für das Gespräch!
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