Mindfulness auf der Berlin Fashion Week: Mentale Gesundheit in der Modebranche

Kategorie: Mode

Looks der Lueder Kollektion 2024 / ©Lueder

Looks der Lueder Kollektion 2024 / ©Lueder

In einer Welt, die ständig im Wandel ist, spiegeln sich die Herausforderungen unserer Gesellschaft in vielen Facetten wider. Laut Our World in Data haben 10,7% der weltweiten Bevölkerung im Laufe ihres Lebens mit psychischen Gesundheitsschwierigkeiten zu kämpfen. Die Auswirkungen dieser psychischen Leiden gehen weit über individuelle Schicksale hinaus – sie haben erhebliche Kosten für Unternehmen und Gesellschaften weltweit. Die Weltbank schätzt, dass allein Angstzustände und Depressionen bis zu 1 Billion US-Dollar pro Jahr an Produktivitätsverlusten verursachen. Die Gesamtkosten für psychische Gesundheitsprobleme, wozu auch Suchterkrankungen zählen, werden global auf 2,5 bis 8,5 Billionen US-Dollar geschätzt. Doch hinter diesen Zahlen verbergen sich nicht nur ökonomische Belastungen, sondern individuelle Schicksale, die es zu schützen gilt.

In der internationalen Modebranche, einem Umfeld der kreativen Superlative, scheint es wenige moderate Zwischentöne zu geben. Der renommierte Designer Stefano Pilati äußerte sich einst in einem WWD-Interview: "Designer sind ehrgeizig, narzisstisch, auf sich selbst fokussiert. Sie wollen Anerkennung, die Welt retten und absorbieren alles." Die Interpretation dieser Aussage und ihre tatsächliche Gültigkeit bedürfen weiterer Reflexion und Analyse zu einem späteren Zeitpunkt. Superstars werden vor allem medial geschaffen und können genauso schnell gnadenlos in ihrer vermeintlichen Bedeutungslosigkeit verschwinden gelassen werden. Sicherlich lädt die Sparte der Designer:innen mit ihren Kollektionen dazu ein zu bewerten, betrifft aber auch andere Gruppen wie Influencer:innen sowie in Bereichen der Fotografie, Styling oder wo auch immer sich Menschen Anerkennung erkämpfen müssen. Ein sich wiederholendes Muster der Wechselwirkung des sich selbst Instrumentalisierens oder des Instrumentalisiert-Werdens durchzieht diese Strukturen, die auch in der Berliner Modelandschaft zu finden sind.

In diesem Kontext initiierte Florian Müller kürzlich die „Mental Health in Fashion“-Kampagne während der Veranstaltung zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) der Deutschen UNESCO-Kommission und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Berlin. Sie geht über den Blick auf Wirtschaftszahlen hinaus und widmet sich individuellen Psychen, die Schutz und Unterstützung benötigen. Diese Initiative setzt sich aktiv für die Entstigmatisierung und Enttabuisierung psychischer Erkrankungen innerhalb der Modeindustrie ein, indem sie die gesamte Lieferkette in den Fokus nimmt – von der Fabrikarbeiterin bis hin zu Modekonsumierenden. Angesichts dieser Betrachtung rückt die Berlin Fashion Week in den Fokus, ein Ereignis, das nicht nur Trends setzt, sondern auch Raum für Überlegungen bietet. In einer Branche, die nie zur Ruhe zu kommen scheint, wird die Schnelllebigkeit der Modewelt betont. Es lässt sich nie genau sagen, ob sich gerade vor, während oder nach einer Fashion Week befunden wird – ein Sinnbild für die permanent schnelle Abfolge von Ereignissen in diesem Wirtschaftszweig. Diese Rasanz wird oft als Normalität betrachtet, erzeugt jedoch gleichzeitig Druck und verdeutlicht den Bezug zu Mental Health und der laufenden Kampagne. Die Modeindustrie präsentiert ständig das perfekte Bild der idealen Welt, während sie gleichzeitig die realen Probleme nicht sehen will oder gelegentlich auch gar nicht sehen kann.

Entlang dieser Thematik tauchen wir ein in die Welt von Marie Lueder, einer Designerin mit einer einzigartigen Vision, die ihre Reise in die Mode mit bemerkenswerter Klarheit begann. Geboren in Hamburg, stammt sie aus einer Familie von Gesundheitspraktiker:innen. Ihre Mode, geprägt von akzentuierten Kniepaneelen, zweifarbigen Denim und wiederkehrenden Spiralmotiven, reflektiert ihre Faszination für die Ängste des modernen Lebens. Marie Lueder, die 2019 ihr eigenes Modelabel gründete, beschreibt ihre Kleidung als metaphorische Rüstung, inspiriert von den Herausforderungen mentaler Hindernisse. Lueders Reise führte sie von Hamburg, wo sie Modedesign studierte, bis zum Royal College of Art in London, wo sie einen Master in Menswear absolvierte. Ihre schnelle Anerkennung in der Branche spiegelt sich wider in zahlreichen Auftritten während der London Fashion Week und Partnerschaften mit renommierten Modeläden wie Browns. Nur noch wenige Tage und die Berlin Fashion Week wird in Kooperation mit Reference Studios Austragungsort der Lueder Herbst / Winter 2024 Modenschau.

Wie siehst Du die Verbindung zwischen der Selbstwahrnehmung von Designer:innen und der mentalen Gesundheit in der Mode?

Für mich persönlich gibt es zwei Hauptaspekte, warum ich die mentale Gesundheit betone und warum es für mich in der Mode wichtig ist. Einerseits liegt es daran, dass ich viele Menschen in meinem Umfeld hatte, die mit mentalen Gesundheitsproblemen zu kämpfen hatten. Ich fühlte mich machtlos, konnte ihnen jedoch durch meine Arbeit in der Mode etwas geben, das ihnen physisch half und in dem Moment Selbstbewusstsein, Geborgenheit und Schutz vermittelte.

Ein weiterer Aspekt liegt in meiner Ausbildung als Schneiderin, bei der es nicht nur um das äußere Erscheinungsbild, sondern auch um das Gefühl und die Haltung in der Kleidung geht. Die Idee ist, dass die Kleidung nicht nur äußerlich perfekt ist, sondern auch eine Art "mentale Rüstung" bietet. Diesen Zweck meiner Arbeit habe ich erst mit der Zeit erkannt, als ich im Masterstudium war. Es gibt auch eine persönliche Verbindung zu meiner Familie, da meine Eltern im medizinischen Bereich arbeiten. Ich suchte nach einem Sinn für meine Arbeit und stellte fest, dass ich bereits unbewusst diese Art der Unterstützung durch meine Mode leistete. Mein Ansatz war zunächst optimistisch, und ich wollte anderen helfen, nicht unbedingt mir selbst. In meiner Arbeit habe ich mich immer um andere gekümmert, manchmal sogar auf Kosten meiner eigenen Bedürfnisse.

Stefano Pilatis Aussage über Designer:innen, die ehrgeizig und narzisstisch sind und nach Anerkennung suchen, spiegelt sich in meinem Fall nur bedingt wider. Man bildet sich ein, etwas erreichen zu können, selbst wenn es nicht so lebensrettend ist wie die Arbeit einer Ärztin oder eines Arztes. Es geht darum, einen Beitrag zu leisten und das Leben zumindest ein wenig zu verbessern.

Allerdings gerät man in der Modeindustrie schnell in einen arbeitsintensiven Rhythmus, und man muss lernen, auf sich selbst aufzupassen. Designer:innen werden oft schlecht bezahlt und müssen viel arbeiten, um sichtbar zu sein. Das führt dazu, dass man erkennt, dass es auch um die eigene mentale Gesundheit geht. Mir ist wichtig, im System zu überleben, ethisch und umweltbewusst zu arbeiten und gleichzeitig dem Druck der Geschwindigkeit standzuhalten. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Betonung der mentalen Gesundheit in meiner Arbeit auf meinem fürsorglichen Ansatz und meinem Interesse an realen Menschen basiert. Die direkte Arbeit mit Menschen, die ähnliche Züge wie meine Freund:innen mit Problemen hatten, hat meiner Arbeit eine Bedeutung verliehen. Das Konzept der "mentalen Rüstung" spiegelt sich in der angefertigten Kleidung wider, die nicht nur äußerlich perfekt ist, sondern auch eine emotionale Schutzhülle bietet.

Du hast betont, dass Deine Designelemente aus deiner Faszination für die Ängste des modernen Lebens stammen. Wie fließt diese Reflexion in deine Kreationen ein, insbesondere im Hinblick auf die psychische Gesundheit?

Dies stimmt. Der Begriff "Rüstung" könnte sich vielleicht zu einem anderen Wort entwickeln, das den Fokus auf das Gegenteil legt. Die Idee ist, nicht Ängste und Verwundbarkeiten zu verbergen, sondern sie zu zeigen und anzuerkennen. Ein Beispiel dafür ist ein Strick-Cardigan, der die Metallrüstung aus dem 14. Jahrhundert in weichen Materialien darstellt. Trotzdem behält er Form und Struktur bei, während er ein Gefühl von Unterstützung und Beweglichkeit vermittelt. Der Kern meiner Arbeit ist es, Vertrauen zu fördern, sowohl in Bezug auf die Qualität der Kleidungsstücke als auch auf das Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Die Verantwortung für meine Arbeit und die Auseinandersetzung mit den Ängsten des modernen Lebens spiegeln sich darin wider.

Ich habe eine Faszination für autonome Räume und Menschen, die sich außerhalb des Systems entwickeln. Die Idee ist, Scheitern als Stärke zu sehen, einen Überlebenskampf in düsteren Situationen und gleichzeitig ein positives, hoffnungsvolles Verhalten zu erkennen. In meinen Kreationen sind Räume oft das zentrale Thema. Sie mögen anfangs dunkler erscheinen, aber sie entwickeln sich immer wieder ins Licht. Die Spirale und das Feuer symbolisieren den Kreislauf und die Idee, dass aus vermeintlichen Misserfolgen neue Chancen entstehen können.

Die Konzeption von Amateurismus als jemandem, der aus Leidenschaft handelt und nach Gemeinschaft sucht, steht im Gegensatz zur Vorstellung eines einsamen Künstlers im Keller. Es geht darum, Stigmata aufzubrechen und über gemeinschaftliche Anstrengungen zu sprechen. Die Vorstellung der Rüstung in meinen Kreationen ist nicht als starres Konzept gedacht, sondern als etwas, das Halt gibt und dennoch abgestreift werden kann. Einige meiner früheren Arbeiten mit Leder zeigen dies performativ, indem eine Eierschalen-artige Struktur abgenommen wird. Die Anzüge, die ich gestalte, haben beispielsweise kein hartes Futter, sondern verkörpern eher die Idee einer weichen Struktur, die sich ins Gegenteil entwickelt hat. Insgesamt geht es darum, eine neue Perspektive auf die Rüstung zu schaffen und eben vielleicht sogar einen neuen Begriff dafür zu finden.
 

Obwohl Du nicht in Berlin lebst, wirst Du an der Berlin Fashion Week teilnehmen. Was war der Grund sich für Berlin zu entscheiden? Wie siehst Du die Bedeutung dieser Plattform für die Förderung von Themen wie mentaler Gesundheit in der Mode?

Die Teilnahme an der Berlin Fashion Week hat für meine mentale Gesundheit einen bedeutenden Beitrag geleistet und wird Berlin möglicherweise zu meiner zukünftigen Heimat machen, obwohl ich aus Hamburg komme. In den letzten Jahren habe ich bewusst Erfahrungen gesammelt und mich intensiv in London weitergebildet. Obwohl London viele Möglichkeiten bietet, habe ich festgestellt, dass die Modebranche dort sehr wettbewerbsorientiert ist und es schwierig ist, voranzukommen, insbesondere ohne finanzielle Unterstützung und reiche Verbindungen.

Die Entscheidung, nach Berlin zu gehen, liegt in der Passung meiner Marke in die Gemeinschaft von Designer:innen und der Möglichkeit, auf einer bedeutenden jungen Plattform wie der Berlin Fashion Week gesehen zu werden. Dieser Ort ist für mich von entscheidender Bedeutung, um Themen wie mentale Gesundheit in der Mode zu fördern. Mein Team und ich haben hart daran gearbeitet, und die Berlin Fashion Week bietet eine unterstützende Umgebung, die in London so nicht vorhanden ist. In Berlin kann man als Designer:in mehr auf die kreativen Aspekte fokussieren, da die finanzielle Förderung und die Unterstützung der Modebranche vorhanden sind. Die Herausforderungen in London, insbesondere die finanziellen Belastungen für Catwalk-Shows, haben mich dazu bewogen, nach alternativen Plattformen zu suchen, um meine Kreationen zu präsentieren. Berlin bietet nicht nur eine finanzielle Unterstützung, sondern auch eine einzigartige Atmosphäre, in der kreative Ideen und Innovationen gefördert werden. Es ist wichtig, dass Sponsor:innen das Potenzial der Marken sehen und verstehen, dass Mode auch ein integraler Bestandteil der Kultur ist.

Die Berlin Fashion Week ermöglicht es mir, mein Label in einer neuen Umgebung zu präsentieren und zu sehen, ob mein Ansatz auch in diesem Markt funktioniert. Es ist eine Gelegenheit, zurück in den deutschen Markt zu kommen, neue Erfahrungen zu sammeln und möglicherweise mein Team zu erweitern. Die Unterstützung und das Interesse in Berlin geben mir die Zuversicht, dass dies ein Schritt in die richtige Richtung ist, und ich freue mich darauf, meine Arbeit dort auf dem Catwalk zu präsentieren. Übrigens eine Premiere, da ich sonst immer das Format der Performance wählte.

Die Kampagne "Mental Health in Fashion" setzt sich für Bewusstsein und Veränderung in der Branche ein. Wie siehst Du die Rolle von Designer:innen und Marken bei der Unterstützung von psychischer Gesundheit in der Mode, und gibt es Wege, wie Deine Marke aktiv dazu beitragen kann?

Als Designerin sehe ich eine große Verantwortung, was die psychische Gesundheit in der Mode betrifft - meine Marke setzt sich aktiv dafür ein, diese Themen anzugehen. Ein Beispiel dafür ist mein Experimentieren mit einem neuartigen Material, das Algen, Baumwolle und Viskose kombiniert. Dieses Material wird gestrickt und verleiht dem Kleidungsstück nicht nur einen gesundheitsfördernden Charakter, sondern auch einen abgestimmten Aspekt, der sich speziell an den oder die Träger:in richtet. Die Nähte sind so platziert, dass sie den Körper berühren und einen maßgeschneiderten Effekt unterstützen, ähnlich einem Weighted Blanket, das Geborgenheit vermittelt.

Des Weiteren habe ich ein Parfum entwickelt, das den Bereich des Hoffnungsaufbaus anspricht. Dieses Parfum spielt mit der Vergangenheit, den Kindheitserinnerungen, dem gegenwärtigen Gefühl von Klarheit und Gesundheit und einer synthetischen, dennoch hoffnungsvollen Zukunft. Das Parfum wurde nicht nur als persönliches Produkt entwickelt, sondern auch für den Einsatz in Smoke-Maschinen bei Performances und als Raumduft.

Ebenso integriere ich auch viel Text in meine Kollektionen, wobei kleine Tags an den Kleidungsstücken zusätzliche Informationen zur Kollektion liefern. Diese Herangehensweise dient dazu, nicht nur Kleidung zu präsentieren, sondern auch eine Geschichte und Botschaft zu vermitteln. Zusätzlich betone ich, dass ich mit meinen Kollektionen Kosmetik für den Körper schaffe. Ein Beispiel ist ein Strickstück, das nicht nur ästhetische, sondern auch wichtige gesundheitliche Aspekte berücksichtigt, wie zum Beispiel eine optische Brustverkleinerung, die für die mentale Gesundheit einer Person von großer Bedeutung sein kann. Dieses Kleidungsstück aus speziellem Material ist angenehm zu tragen, verursacht keine Irritationen und wird kontinuierlich weiterentwickelt.

Du hast bereits begonnen, Wege zur Reduzierung von Modeabfällen zu integrieren. Wie kann eine nachhaltige Praxis in der Mode dazu beitragen, das Bewusstsein für mentale Gesundheit zu stärken?

Durch meine Bemühungen, nachhaltige Praktiken in der Mode zu integrieren, entstand ein faszinierendes Konzept, das ich als "Nuclear-family T-Shirt" bezeichne. Dabei geht es darum, den Müll der Eltern-Generation in Form von T-Shirts zu nutzen, die oft gedankenlos weggeworfen oder nie getragen werden. Diese T-Shirts werden dann von mir upgecycelt, wobei ich versuche, die Individualität zu stärken und gleichzeitig nachhaltige Materialien wie Eco-Nylon, Deadstock und Organic Cotton zu verwenden.

Das Besondere an diesem Konzept ist, dass die ursprünglichen Käufer:innen aktiv in den Upcycling-Prozess integriert werden. Durch die Möglichkeit, mir ihre alten T-Shirts zu schicken und an einem Zoom-Gespräch teilzunehmen, können sie Einfluss auf das Design und den Stoff nehmen. Ich werde dann nicht für das Material, sondern für die Konzeption und den Herstellungsprozess bezahlt, was einen transparenten Einblick in die Modeindustrie ermöglicht. Außerdem habe ich eine Show während des Lockdowns der London Fashion Week realisiert, bei der Models ihre alte Kleidung einschickten, die ich upcycelt und in einer beeindruckenden Kollektion präsentiert habe. Dieses Projekt kostete insgesamt nur 100 Pfund und setzte nicht nur ein nachhaltiges Zeichen, sondern stärkte auch die Verbindung zwischen Designerin und Models, indem sie aktiv am Upcycling-Prozess beteiligt wurden.

Durch solche nachhaltigen Praktiken möchte ich nicht nur Modeabfälle reduzieren, sondern auch das Bewusstsein für mentale Gesundheit stärken. Das Konzept des "Nuclear-family T-Shirts" und die Einbindung der ursprünglichen Käufer:innen schaffen einen Raum für gemeinsamen Heilungsprozess und fördern das Vertrauen sowie die positive Awareness für Nachhaltigkeit. Der Fokus auf "People First" ist für mich entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und der Stigmatisierung entgegenzuwirken, was letztendlich zu einer aktiven und positiven Auseinandersetzung mit nachhaltigen Praktiken führt.

Eine Zusammenarbeit wie Deine mit Browns und Browns Focus hebt aufstrebende Talente hervor. Inwiefern spielt Gemeinschaft generell eine Rolle in Deiner Arbeit und wie könnte sie dazu beitragen, die Diskussion über mentale Gesundheit voranzutreiben?
 

Gemeinschaft spielt eine entscheidende Rolle in meiner Arbeit, und ich betone ständig die Bedeutung von Kollaboration. Meine Praktikant:innen sind integraler Bestandteil des kreativen Prozesses, und ihre Namen werden oft den Pieces zugeordnet, die sie mitgestalten. Die Idee hinter dieser kreativen Zusammenarbeit ist nicht nur das Überleben der Marke, sondern auch der Aufbau einer Art Welt, die über reine Kleidungspräsentation hinausgeht. Ich organisiere Events, die neben der Vorstellung der neuen Kleidung, auch als Plattform für Parties, Performances und Einladung anderer Künstler:innen dienen.

Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit einer Autorin, die sich auf das Thema Mental Health konzentriert. Während eines Pop-Up-Verkaufs meiner Kleidung organisierten wir auch einen Mental Health Workshop. Diese Events dienen als Raum für Begegnungen und bieten Möglichkeiten zum Austausch. Mein Ziel ist es, diese Gemeinschaftsorientierung zu stärken und die Diskussion über mentale Gesundheit voranzutreiben. Es macht Spaß, diese Veranstaltungen als Testorte zu nutzen, um zu sehen, ob sie funktionieren und die Menschen ansprechen.

In Bezug auf meine Kooperationen und Projekte mit verschiedenen Kollektiven, wie zum Beispiel "Slip Mode", das speziell für weibliche DJs in einer männerdominierten Szene Workshops anbietet, geht es immer darum, eine unterstützende Gemeinschaft zu schaffen. Ein weiterer Aspekt meiner Arbeit ist die Integration von Kleidungsmechanismen, die oft mit dem Mental Health-Aspekt verbunden sind. Ich habe eine Vielzahl von Veranstaltungen geplant, darunter auch mit einer Kreativdirektorin, die an der Schnittstelle von Kunst und Natur arbeitet. Diese Zusammentreffen sollen nicht nur die Marke präsentieren, sondern auch als Vehikel für andere Projekte und Begegnungen dienen. Die Kleidung spielt dabei eine unterstützende Rolle, um die Brücke zur Community zu schlagen.

Was läuft gut oder fehlt Dir in der Modeindustrie in Bezug auf Deine eigene mentale Gesundheit oder die der anderen Akteur:innen innerhalb der Lieferkette?

In Bezug auf meine mentale Gesundheit und die der anderen Akteur:innen innerhalb der Lieferkette gibt es positive Punkte und auch Herausforderungen. Positiv ist, dass meine Entscheidung, mit einem begrenzten Zyklus von ein bis zwei Kollektionen pro Jahr zu arbeiten, es mir ermöglicht hat, meine Produktionsketten genauer auszuwählen. Dies führte zu mehr Zeit, um die Arbeitsbedingungen in den Fabriken zu verbessern. Ich arbeite nun ausschließlich mit Frauen in England und Italien zusammen. Diese enge Beziehung ermöglicht es mir, die Bedingungen, unter denen sie arbeiten, zu verstehen und sicherzustellen, dass sie fair behandelt und bezahlt werden.

Die positive Entwicklung zeigt sich auch darin, dass ich trotz dieser Verbesserungen meine Preise senken und meine Kosten minimieren konnte, was zu einer leichten Ertragssteigerung führte. Es freut mich zu sehen, dass sich diese Bemühungen in die richtige Richtung bewegen.

Jedoch bleibt die Herausforderung, dass die Modeindustrie immer noch vor der Aufgabe steht, ausreichend Profit zu erzielen. Es gibt immer noch viel zu tun, um die wirtschaftlichen Aspekte zu verbessern. Auch im Bereich Marketing und Consumer Outreach sehe ich Raum für Verbesserungen. Das Wholesale-System und einige Geschäftsmodelle in der Branche sind aus meiner Sicht noch nicht optimal. Es besteht die Notwendigkeit, Veränderungen vorzunehmen, insbesondere im Hinblick auf das Vertrauen zwischen Designer:innen, Fabriken und Einzelhändler:innen.

Es ist bedauerlich, dass einige Teile des Systems kaputt sind, insbesondere wenn es um Verzögerungen bei Zahlungen seitens des Fachhandels geht. Die Preise bleiben eine Schwachstelle, und es gibt systemische Probleme, die dazu führen, dass einige Designer:innen ihre Unternehmen schließen müssen. Die aktuelle Situation, in der große Modeläden das Vertrauen in die Branche beeinträchtigen, ist eine Herausforderung, die angegangen werden muss.

Trotz dieser Herausforderungen freue ich mich über mein starkes Team und das positive Netzwerk, das ich aufgebaut habe. Die Loyalität zu bestimmten Fabriken und Materialien zeigt, dass eine nachhaltige und vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist. Insgesamt besteht die Hoffnung, dass durch kollektive Anstrengungen und Veränderungen in der Branche eine positive Entwicklung erreicht werden kann.

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