Was tun, wenn ein Asteroid auf unsere Welt zufliegt und diese zu zerstören droht? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Computerspiel „Eco“ des amerikanischen Spieleentwicklers Strange Loop Games. Doch als wäre es nicht Herausforderung genug, den Asteroiden aufzuhalten, setzt das Spiel noch eins drauf: „Eco zeigt auf, dass alles, was wir tun, auch das Ökosystem der Welt belastet“, beschreibt Christian Huberts, Projektleiter bei der Stiftung Digitale Spielekultur, die Komplexität. „Wenn man Metalle aus dem Boden holt, um diesen Asteroiden abzubauen, produziert man beim Einschmelzen gefährliche Abgase. Es bleibt umweltschädlicher Müll übrig. All diese Punkte müssen zwischen den Spieler:innen abgewogen werden. Mit Alleingängen von Einzelnen ist das Ziel des Spiels nämlich nicht zu erreichen. Gleichzeitig bringt es nichts, den Asteroiden abzuschießen und dabei die Spielewelt zu zerstören.“ Für Huberts ist das Multiplayer-Simulationsspiel eines der aktuell spannendsten Computerspiele, denn es spiegle am besten die Situation wider, in der wir uns befinden. „Viele Games thematisieren in ihren Geschichten die Klimakrise oder appellieren für Umweltschutz, das ist auch wertvoll, kann aber genauso gut im Film oder Buch erfolgen“, meint der Experte. In „Eco“ werden hingegen die spezifischen Stärken von Computerspielen deutlich: „Es zeigt, wie wir das kooperativ über demokratische Prozesse verhindern können. Es macht erlebbar, was notwendig ist, um den Planeten vor Katastrophen zu retten.“ Man könne mit potenziellen Lösungen – im wahrsten Sinn des Wortes – herumspielen.
Ressourcenschonung und Umweltschutz beschäftigen aber längst nicht nur die Macher von „Eco“. „Wir sind im letzten Jahr immer wieder darauf gestoßen, dass sich Spieleentwickler-Studios und die Branche vermehrt mit der Klimakrise auseinandersetzen und schauen, wie sie das bearbeiten können“, weiß Christian Huberts und verweist etwa auf die Berliner gemeinnützige Initiative gamesforest.club, bei der Entwicklerstudios Baumpflanzprojekte unterstützen.
Um die Akteur:innen der Gaming Branche mit NGOs und Aktivist:innen zusammenzubringen und gemeinsam neue Möglichkeiten zu finden, diese „großen Menschheitsherausforderungen anzupacken“, hat die Stiftung Digitale Spielekultur am 5. Mai die Konferenz „One Planet Left“ veranstaltet. Damit wird die 2012 gegründete Stiftung einer ihrer Kernaufgaben gerecht: Auf gesellschaftlich relevante Themen aufmerksam zu machen und zu prüfen, was Computerspiele dafür tun können. Das geschieht einerseits durch Awards wie „Deutscher Computerspielpreis“, Bildungsprojekte wie „Games machen Schule“ oder Online-Tagungen, etwa zur Demokratievermittlung. Auf das Potenzial von Computerspielen in der Erinnerungskultur wiederum fokussierte die Initiative „Erinnern mit Games“. Dabei entwickelten in einem Ideenwettbewerb und -workshop Vertreter:innen der Erinnerungskultur zusammen mit Spieleentwickler:innen innovative Konzepte für interaktive Formate und Anwendungen des digitalen Erinnerns. Um den Dialog weiter zu stärken, fand im Anschluss eine hybride Fachkonferenz statt. „Heute gibt es einige Spieleentwicklerstudios, die mit Gedenkstätten zusammenarbeiten“, freut sich Christian Huberts, der für das Projekt zuständig ist, über den Erfolg. „Etwas Ähnliches wünschen wir uns auch für das Thema Umwelt- und Klimaschutz.“
Mit dem Event „One Planet Left“, das vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert wurde, ist ein vielversprechender Start geglückt: Über 300 Viewer:innen aus ganz Deutschland verfolgten das Event über das Live-Streamingportal, weitere 250 Live-Aufrufe kamen über den Twitch-Kanal von game – Verband der deutschen Games-Branche, dem Gesellschafter der Stiftung. Videos zu den Fachvorträgen und Paneldiskussionen, an denen Expert:innen wie Prof. Dr. Claudia Frick, Meteorologin und Informationswissenschaftlerin an der Technischen Hochschule Köln oder Clara Mayer, Pressesprecherin von Fridays for Future Berlin, teilnahmen, werden auch auf YouTube zur Verfügung stehen. „Wir haben ein Netzwerk gestartet“, ist Christian Huberts zuversichtlich. „Akteure aus der Energiewirtschaft oder Umwelt-NGOs haben hoffentlich einen Einblick bekommen, welche Beiträge Spiele leisten können.“
Dass sie nämlich einen Beitrag leisten können, scheint unbestritten: „Bei unserer Partnerveranstaltung, dem Kongress #SpielKlima der Berliner Energietage, habe ich von einer Expertin von Psychologists for Future einen spannenden Gedanken mitbekommen“, schildert Christian Huberts eine Erkenntnis: Der Klimawandel sei so groß, dass die Gefahr bestehe, inaktiv zu werden, weil ohnehin alles verloren sei. „Spiele hingegen ermöglichen uns Selbstwirksamkeit, auch im Zusammenhang mit der Kimakrise“, meint er. „Wir sind der Held oder die Heldin, die dazu beitragen kann, die Klimakrise zu lindern. Es ist eine positive Erfahrung und kann vor allem jungen Menschen helfen, auch im richtigen Leben ins Handeln zu gelangen.“ Ein gutes Beispiel dafür ist auch das Spiel „Klim:S21“, das Michel Wacker, CEO der Würzburger Gentle Troll Entertainment, auf der Konferenz vorstellte. Es soll in Schulen eingesetzt werden und vermitteln, wie man das Leben an verschiedene Klimafolgen anpassen könnte. „Wie geht etwa die Landwirtschaft in Brandenburg mit der zunehmenden Trockenheit um?“, berichtet Huberts. „Man kann verschiedene Anpassungen vornehmen, wie beispielsweise Hecken pflanzen oder Pflanzenschneisen in Felder einbauen. Mit einem Klick sehe ich dann, wie sich die Landschaft in den nächsten Jahrzehnten verändert und welche Auswirkungen es auf Bevölkerung oder Tourismus hat.“ Im Unterricht sollen die verschiedenen Optionen diskutiert werden.
Ein anderes Beispiel, diese Selbstwirksamkeit in Games zu erfahren, ist „Imagine Earth“ des in Berlin ansässigen Entwicklerstudios Serious Bros. Im Strategiespiel geht es darum, andere Planeten wirtschaftlich zu erschließen und gleichzeitig nachhaltig mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. „Jens Isensee, Managing Director des Entwicklerstudios, hat im Panel angesprochen, wie wichtig das Thema ihm war“, erzählt Christian Huberts. „Er hat aber auch gemeint, dass es für kleine Entwickler oft ein Risiko wäre, weil das Thema nicht so bewährt sei wie andere. Es bringt einen Alltag und Realität ins Spiel, während Spieler:innen oft eben dieser entfliehen wollen. Er forderte mehr Sicherheit durch Förderungen, um sich dem Thema widmen zu können.“ Letzteres unterstützt auch der Projektleiter der Stiftung Digitale Spielekultur, sieht aber auch, dass die Games durchaus populär sind. „Es gibt eine Nachfrage, die Menschen interessieren sich für das Thema. Leute möchten sich auseinandersetzen und die Perspektive im Spiel bekommen“, beobachtet er und fügt hinzu: „Wir rechnen damit, dass noch mehr Spiele herauskommen werden.“ Die zunehmende Popularität des Themas zeige die UN-Initiative Playing for the Planet, die sich mit dem Einfluss von Games auf die Erreichung der Sustainable Development Goals auseinandersetzt. „Wir auf Stiftungsebene möchten im Kleinen ebenfalls schauen, was wir tun können, damit das Thema im Gaming Fuß fassen und einen Beitrag dazu leisten kann, mit Expert:innen die Klimakrise zu lösen“, sagt Christian Huberts. Der Startschuss mit One Planet Left ist getätigt, jetzt soll das Netzwerk weiter gefördert werden. „Aber wie wir das tun, ist noch nicht klar“, fügt er hinzu. Sicher ist nur eines: „Da die Klimakrise nicht weggeht, wird sie auch in Spielen zentraler werden.“