Fax Quintus von der Design-Agentur e27

Kategorie: Zukunftsköpfe

©Fax Quintus

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Während alle von Design reden, setzt Fax Quintus es in die Tat um: Bereits vor über 20 Jahren gründete er die Design-Agentur e27. Seitdem haben sich die Anforderungen in der Branche geändert. Internet of Things ist in aller Munde. Designer agieren heutzutage an der Schnittstelle zwischen Hardware und Software. Quintus ist diesen Weg nicht nur mitgegangen, sondern hat als Gastprofessor, am Fraunhofer Institut oder als Gründer mehrerer Unternehmen Trends wie Virtual Reality frühzeitig erkannt.

Guten Tag Herr Quintus, zur Zeit etabliert sich Berlin als die Startup-Metropole Europas. Insbesondere junge und innovative Technologie- und IT-Unternehmen siedeln sich in der Stadt an. Wie sehr profitieren Sie als Teil der Designbranche vom wirtschaftlichen Aufwärtstrend?

Startups haben natürlich einen großen Bedarf an Design und stellen durch ihre innovativen Themen extrem interessante Aufgaben. Wir haben im vergangenen Jahr viele Startups komplett vom Produkt über die Marke bis hin zum gesamten Kommunikationsdesign entwickelt. In Berlin hat sich zudem eine starke Gründerszene im Bereich der "grünen" Produkte gebildet, die sich mit Elektro-Mobilität, alternativen Ernährungs- und Produkt- Formen beschäftigt und Zukunftsthemen wie Wasser vorantreibt. In diesem Umfeld entstehen neue physische Hardware-Produkte, was mich als Produktdesigner natürlich besonders freut.

Täuscht der Eindruck oder legen tatsächlich immer mehr Unternehmen viel Wert auf Design-Fragen. Merken Sie, dass Kunden Ihren Stellenwert inzwischen höher einschätzen als noch vor einigen Jahren?

Ich sehe die erfreuliche Entwicklung, dass Design nicht mehr im Sinn von “Styling” verstandenen wird, der Designer also die verkaufsfördernde Hülle gestaltet, sondern aufgrund der Popularität von Methoden wie "Designthinking" Designer stattdessen bereits in der Konzeption hinzugezogen werden. Das erschließt uns neue und spannende Aufgabengebiete: Wir werden vom “Gestalter” zum "Influencer". In dieser Rolle haben wir im vergangenen Jahr beispielsweise für einen Drop-off von Eon eine revolutionäre Ladesäule entwickelt. Dort haben wir aus der Idee, eine Ladesäule anstelle der Langfeldleuchten an der Decke von Parkgaragen zu installieren, ein funktionierendes Produkt mit allen Services generiert und zur Marktreife gebracht.

Welche Ihrer Design-Produkte sind zur Zeit besonders gefragt?

Da wir durch unsere Markenentwicklungen auch eine starke digitale, mediale Ausrichtung haben, werden bei uns gerade Internet of Things-Produkte besonders stark angefragt, sicherlich auch weil die Verbindung aus Hardware- und Software-Entwicklungskompetenz eher selten ist. Ein schönes Beispiel ist der Wassersensor von Palmetto, der aus dem Sensor, der an die Wasserleitung geklipst wird, und einer App besteht. Diese bringt dem User wie ein Tamagotchi das Thema Wasser auf eine spielerisch-erklärende Weise näher, chlägt im Notfall bei einem Wasserrohrbruch Alarm und benachrichtigtden Klempner.

Seit 2006 trägt Berlin den Titel “City of Design” und ist damit Teil des UNESCO-Netzwerks der Creative Cities. Durch vielfältige Maßnahmen zeigt Berlin, dass dieser Titel kein leeres Versprechen ist. Unter anderem wird im Rahmen des Förderprogramms “Design Transfer Bonus” die Zusammenarbeit zwischen Designunternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) finanziell unterstützt. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Programm gemacht?. Wie wichtig sind solche Förderprogramme für die Berliner Design-Branche?

Das Interessante am Design Transfer Bonus war gerade, dass man entdeckt, dass in Berlin tatsächlich sehr viele Produkte hergestellt werden, und dass man Firmen kennen lernt, die man als Gestalter nicht unbedingt als Kunden gesehen hätte. Der Design Transfer Bonus ist eine gute Eintrittskarte, da er dem Kunden die Angst vor den "teuren" Designern nimmt. Unsere Erfahrung war in allen Fällen, dass sich – vorausgesetzt, die Zusammenarbeit verläuft gut und positiv – eine längerfristige Partnerschaft entwickelt hat.

Ein Beispiel dafür wäre?

Gerade unser erstes Projekt mit Hahnlicht hat eine regelrechte Kettenreaktion an neuen Projekten generiert. Dadurch haben wir für uns von dem klassischen Produktdesign, dem Möbeldesign ausgehend, neue Felder Richtung Industriedesign erschlossen. Ich denke, gerade in der Berliner Design-Branche gibt es viele Design-Büros, die das Spielfeld Möbeldesign nicht verlassen. Erstens, weil Sie denken, es gebe hier keine fertigende Industrie, und zweitens, weil die Nachfrage in Berlin eher schwach ist. Letzteres liegt zum einen daran, dass etablierte Firmen Investitionen in Designleistungen scheuen und stattdessen lange mit alten Entwürfen arbeiten, und zum anderen natürlich daran, dass Startups einfach nicht das Kapital haben, um Designer zu bezahlen. Da ist ein Förderprogramm wie Design Transfer Bonus sehr hilfreich, weil es Brücken baut und Hemmschwellen eliminiert. Berlin verfügt mit seiner großen Anzahl an tollen jungen Firmen, die zusammen mit Designern neuartige Produkte entwickeln können, über den Grundstock für die Industrie 4.0. Diese kleinen Strukturen sind sehr viel agiler als große Konzerne, reagieren besser auf neue Entwicklungen und haben eine viel größere Innovationskraft. Deshalb werden sie langfristig wirtschaftlich relevanter als Konzerne. Es gilt, dieses Berliner Potenzial richtig zu unterstützen.

Herr Quintus, können Sie abschließend bitte noch folgenden Satz vervollständigen: Berlin ist...

… eine Keimzelle.

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