Voland & Quist: „Der Preis macht deutlich, dass wir in Berlin angekommen sind.”
Der Verlag Voland & Quist ist Preisträger des diesjährigen Großen Berliner Verlagspreises. Ein Interview mit dem Verleger Leif Greinus. Mehr
Anika Wiest
E-mail: anika.wiest@senweb.berlin.de
Telefon: (030) 90138423
Am 24. November 2020 wurde bereits zum dritten Mal der Berliner Verlagspreis gemeinsam von den Berliner Senatsverwaltungen für Kultur und Europa sowie Wirtschaft, Energie und Betriebe verliehen. Die festliche Preisverleihung fand dieses Mal in einer Sondersendung auf radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) statt.
Insgesamt haben sich 71 unabhängige Verlage beworben, darunter auch viele Neugründungen sowie Verlage aus unterschiedlichen Publikationsrichtungen, die längst über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind.
Der mit € 35.000 dotierte Hauptpreis ging an den AvivA Verlag, der sich seit über 23 Jahren Autorinnen verpflichtet fühlt, die es zuvor auf dem deutschen Buchmarkt nicht gegeben hat, bzw. vergessen wurden.
Der Verlag widme sich seit seiner Gründung – damals wie heute – weiblichen Stimmen und Biografien, heißt es in der Laudatio von Jury-Mitglied Ruth Klinkenberg. Und weiter: „AvivA ist ein hebräischer, weiblicher Vorname und bedeutet ‚Frühling’. Und im Frühling des Verlages begann die Kunsthistorikerin und Literaturwissenschaftlerin Britta Jürgs ein Verlagsprogramm zu entwickeln, das die Jury heute, viele Bücher weiter, durch sein Profil, seine Vielfalt, Kontinuität und Konsequenz überzeugt hat. Denn AvivA gräbt vergessene Texte aus und macht sie wieder oder erstmalig zugänglich. Autorinnen der 20er und 30er Jahre vor allem – und häufig jüdische Autorinnen.“
Sich seit 1997 unter die Verleger*innen zu mischen, hat Britta Jürgs nie bereut – auch, wenn es durchaus eine Herausforderung gewesen sei, ohne viel Geld und ohne Vorkenntnisse zu starten. Doch die Literaturkennerin hatte eine klare Mission: „Es war vor allen Dingen der Wunsch, dem Ziel der NS-Politik, diese Autorinnen aus der Literaturgeschichte zu löschen, etwas entgegenzusetzen. Aber natürlich auch, die wunderbaren Schätze zu teilen und andere auf diese großartige Literatur aufmerksam zu machen.“
Das ist der Wahl-Berlinerin gelungen, die für jede Publikation persönlich kämpft. Ein Lieblingsbuch oder eine persönliche Lieblingsautorin hat sie nicht: „Jedes Buch, das ich in meinem Verlag veröffentliche, hat es mir besonders angetan. Allerdings bekommen nicht alle Bücher die Aufmerksamkeit, die ich mir für sie gewünscht hätte“, so Britta Jürgs.
Weibliche Perspektiven in der Literatur – das war es, was der Literaturwissenschaftlerin Jürgs gefehlt hat und sie zur Verlegerin machte. So wie das Buch „Mädchenhimmel“ mit Gedichten und Geschichten: „Als mir die Herausgeberin Anke Heimberg, die bis dahin nur in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichten Gedichte von Lili Grün zeigte, von der wir bis zu diesem Zeitpunkt zwei Romane veröffentlicht hatten, ‚Alles ist Jazz’ – ein wunderbarer Berlin-Roman – sowie ‚Zum Theater!’ wusste ich, dass wir den Band einfach machen mussten.“
Dass die ersten 1.000 Exemplare aber so schnell verkauft sein würden, damit rechnete Britta Jürgs allerdings nicht: „Gedichte und Erzählungen sind ja doch schwieriger zu verkaufen als Romane – und bekannt war die 1904 geborene und 1942 ermordete jüdische Schriftstellerin aus Wien nun auch nicht gerade. Inzwischen ist das Buch in der 3. Auflage, war auf der HOTLIST und wurde mit dem Melusine-Huss-Preis ausgezeichnet. Und in Marzahn-Hellersdorf gibt es inzwischen sogar einen Lili-Grün-Weg.“ Einer Wiederauflage im AvivA Verlag ist es ebenfalls zu verdanken, dass es seit einigen Jahren eine Alice-Berend-Straße in Moabit gibt.
Gerade in diesem schwierigen Jahr sei der Berliner Verlagspreis eine großartige Anerkennung und Motivation nicht aufzugeben, auch weiterhin Schätze vergessener Autorinnen und Künstlerinnen auszugraben: „Es gibt so viele tolle Verlage in Berlin und ich fühle mich wirklich sehr, sehr geehrt und wertgeschätzt durch diese große Berliner Auszeichnung!“, bedankt sich die Preisträgerin.
Der Preis sei zudem unglaublich wichtig, um auf die unabhängigen Verlage in Berlin aufmerksam zu machen, betont Britta Jürgs. „Wir haben eine großartige Vielfalt an Verlagen und Buchhandlungen. Ich hoffe sehr, dass uns diese auch in der Zukunft erhalten bleibt, denn die Situation wird nicht leichter.“
Für Britta Jürgs ist der Standort ihres Verlages ebenfalls eine Herzensangelegenheit: „Ich lebe seit über 30 Jahren hier und liebe Berlin. Berlin ist meine Wahlheimat, ein Ort der Vielfalt und der Inspiration – und hoffentlich bald auch wieder der Kultur und der Begegnungen.“
Über den Berliner Verlagspreis
Ins Leben gerufen wurde der Berliner Verlagspreis im Frühjahr 2018 von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Mit insgesamt € 68.000 ist der Berliner Verlagspreis die am höchsten dotierte Auszeichnung ihrer Art in Deutschland. Ziel des Preises ist es, die Vielfalt der Berliner Verlagsbranche zu fördern, den Verlagsstandort Berlin zu stärken und die ambitionierte Arbeit der unabhängigen Publikumsverlage in Berlin zu würdigen.
Der Verlag Voland & Quist ist Preisträger des diesjährigen Großen Berliner Verlagspreises. Ein Interview mit dem Verleger Leif Greinus. Mehr
Im Deutschen Theater Berlin ist am Sonntag, den 3. November 2024, der Berliner Verlagspreis 2024 verliehen worden. Die diesjährigen Gewinner:innen sind Voland & Quist, Reprodukt und der Transit Verlag. Mehr
Von Games über Fashion bis hin zu Musik - 12 Gewinnerformate wurden prämiert. Mehr