Crowdfunding: Die Masse macht´s?

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Harald Asel moderierte zum Anlass des 65. Zukunftsgesprächs eine spannende und lebendige Diskussion über die Chancen von Crowdfunding für Kultur und Medien. Klar war allen, dass Crowdfunding die traditionelle Kulturförderung bisher nicht ersetzen kann. „Wenn wir von heute auf morgen sagen würden, wir schaffen die komplette öffentliche Kulturförderung und alle Verleger ab, dann hätte man das Problem, dass die Crowd noch nicht finanzkräftig genug ist“, erklärte Karsten Wenzlaff, Crowdfunding-Experte und Gründer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien.

Aber bereits jetzt birgt es Chancen für Journalisten, Filmemacher und andere Kreative, ihre Projekte selbstbestimmt mit Unterstützung der Crowd auf die Beine zu stellen. Dabei geht es aber nicht nur um den Austausch von Geld, sondern auch um den Austausch von Information, betonte Sebastian Esser, Gründer von Krautreporter.de, die Bedeutung von Crowdfunding besonders für den Journalismus: „Alles, was Austausch bedeutet, ist für den Crowdfunding-Prozess wahnsinnig wichtig.“

Doch diesen Austausch sieht Tanja Dückers, Autorin und Journalistin, auch kritisch. Besonders Schriftsteller seien häufig zurückgezogene Charaktere, die nicht mit jeder neuen Idee sofort an die Öffentlichkeit treten wollen. Für sie sei das geschützte Umfeld eines Verlages nicht durch Crowdfunding und die damit verbundene Selbstvermarktung zu ersetzen. „Ich bin skeptisch, wenn man sich als Künstler von einer Art Massenmäzenatentum abhängig macht.“ Zudem würden in Verlagen auch Projekte unterstützt, die erst einmal niemand interessant fände. „Viele Produkte finden erst später ihre Fans“, merkte Tanja Dückers an.

Auch Anke Schiemann, Regisseurin des Film „I (heart) Berlin“, ist während ihrer Crowdfunding-Kampagne bewusst geworden, wie aufwendig die PR-Arbeit dafür ist, die Crowd immer wieder zu motivieren. Zudem gab sie zu bedenken, dass im Bereich Film so gut wie nie Geld für Gehälter gesammelt würde, sondern nur für die reinen Produktionskosten.

Dieses Problem sprach auch Harald Asel an, als er nach der Perspektive fragte, nicht nur konkrete Projekte zu finanzieren, sondern ganze Strukturen. Dies ist nach Karsten Wenzlaff noch problematisch: „Die Crowd will konkrete Projekte oder Produkte sehen.“ Hier seien traditionelle Strukturen bisher noch besser geeignet, um den zeitlichen Aufwand hinter großen Projekten zu honorieren. Aber Karsten Wenzlaff führte auch Beispiele wie Blogger an, die einen Teil ihres Lebensunterhalts durch die Crowd einnehmen. Zwar sei die Entwicklung noch nicht so weit, dass große allgemeine Strukturen finanziert werden könnten, aber in Bezug auf zeitlichen sowie finanziellen Aufwand aber auch Honorare gelte für den Journalismus: „Die Crowd lernt langsam, dass das auch zu unterstützen ist, selbst wenn am Schluss gar kein konkretes Projekt herausgekommen ist.“ Das kann auch Sebastian Esser bestätigen. Er berichtete, bei Krautreporter gäbe es durchaus investigative Recherchen, bei denen der Reporter nur sehen möchte, ob Potential in dem Thema steckt und „wenn dann nichts herauskommt, ist das für die Unterstützer ok.“

„Es bleibt nicht bei dieser jungen und internetaffinen Zielgruppe“, gab Karsten Wenzlaff zu bedenken. Ein Beispiel dafür sei die erfolgreiche Finanzierung von zwei Skulpturen in diesem Jahr vom Pariser Louvre. Hier sah Anke Schiemann wiederum ein Problem. „Institutionen wie der Louvre sind eine unfaire Konkurrenz für Menschen, die ihre Projekte ohne Crowdfunding gar nicht auf die Beine gestellt bekommen würde.“

Das Beispiel zeigt aber, dass die Bevölkerung Engagement bei der finanziellen Beteiligung kultureller Einrichtungen und medialer Projekte zeigt. Auch Barbara Fischer von Wikimedia Deutschland weiß: „Viele Menschen sind bereit für das, was sie das ganze Jahr bekommen, etwas zurückzugeben.“ Besonders bei Wikimedia sei zu bemerken, dass die Förderer häufig auch ältere Menschen seien. Trotzdem sieht sie staatliche Förderung weiter als wichtig an, denn wenn ein Projekt fertig sei, fände sich häufig noch eine andere Zielgruppe. Die Unterstützer der Crowdfunding-Projekte sind also nicht immer die Zielgruppe oder die einzigen, die das Endprodukt konsumieren.

Die Veranstaltung fand in Kombination mit einer gut besetzten Crowdlounge-Veranstaltung — organisiert von WeTeK/ARTWert und ikosom — statt. Dabei berichteten Projektinitiatoren aus dem Filmbereich über ihre Erfahrung mit Crowdfundingprojekten. Außerdem gab Projekt Zukunft den Start einer neuen Aggregator-Plattform mit dem Namen „Crowdfunding Berlin“ bekannt. Darauf sollen demnächst Berliner Crowdfunding- und Crowdinvestingprojekte gebündelt präsentiert werden. Rund 150 Besucher waren zu der Veranstaltung in die Deutsche Kinemathek gekommen.

Im Crowdfunding liegen große Chancen für die Zukunft. Jedoch müssen dazu Strukturen geschaffen werden, mit denen nicht nur konkrete Projekte profitieren können und die öffentliche Gelder mit Crowdfunding vernetzen. Die Stadt Berlin kann mit der neuen Plattform „Crowdfunding Berlin“ in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen.

Das Thema

Alle für einen, das ist das Prinzip von Crowdfunding. Welche Chancen liegen in dieser Finanzierungsform für Kunst und Kultur? Denn besonders für Künstler und Kreative ist Crowdfunding eine willkommene Möglichkeit, ihre Werke unabhängig von Labels, Verlagshäusern oder Produktionsfirmen zu veröffentlichen. Sichert Crowdfunding nun also die unabhängige Kulturproduktion? Und welche Chancen eröffnen sich für den Journalismus und kulturelle Projekte aus der Interaktion mit der eigenen Zielgruppe? Für den Journalismus hat sich bereits die Erkenntnis ergeben, dass die öffentliche Bereitschaft, Geld für gute Informationen auszugeben, durchaus vorhanden ist. Und auch in den Bereichen Film und Musik zeigt sich, dass viele besondere Projekte auf diesem Weg eine Chance haben, realisiert zu werden, die bei traditionellen Produktionsfirmen nicht finanziert wurden.

Man könnte annehmen, Crowdfunding sei die Lösung aller Probleme. Doch immer häufiger wird Crowdfunding auch als Marketinginstrument verwendet, um bereits im Vorfeld möglichst viel Aufmerksamkeit für die Produkte zu generieren und sich die Einbeziehung der potentiellen Käufer zu Nutze zu machen. So lautet zumindest der Vorwurf von Kritikern in Richtung prominenter Künstler.

Was hat es also mit Crowdfunding auf sich und wo liegen die Chancen und Perspektiven dieses alternativen Finanzierungsmodells für den künstlerischen und kulturellen Bereich? Sichert es die unabhängige Kulturproduktion oder schafft es neue Abhängigkeiten?

Diese und weitere Fragen sollen im 65. Zukunftsgespräch mit folgenden Gästen diskutiert werden:

Sebastian Esser ist Journalist und Gründer von Krautreporter.de, einer Crowdfunding-Plattform für Journalisten, die Anfang 2013 gelauncht wurde und auf der seitdem zahlreiche Projekte erfolgreich finanziert worden sind.
Barbara Fischer ist seit vielen Jahren Fundraiserin, Kulturmanagerin und seit April 2012 für Wikimedia Deutschland als Kuratorin für Kulturpartnerschaften tätig.
Tanja Dückers ist Autorin und Journalistin. Sie lebt in Berlin und schreibt regelmäßig Essays für Zeitonline und engagiert sich dabei für gesellschaftspolitische Themen.
Anke Schiemann ist Regisseurin des Films I (HEART) BERLIN, für dessen Postproduktion sie auf der Plattform Indiegogo Geld sammelte. Der Film begibt sich von Berlin nach den USA. Dorthin sind in den letzten 250 Jahren mehr als 7 Millionen Deutsche ausgewandert und gründeten an verschiedenen Orten ihr eigenes Berlin.
Karsten Wenzlaff ist Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien (Ikosom). Er ist Crowdfunding-Experte und Verfasser der ersten europäischen Crowdfunding-Studie und der ersten Studie, die sich mit Crowdfunding in Deutschland beschäftigt hat.
Moderation:
Harald Asel, <link http://www.inforadio.de/team/mitarbeiter_innen/harald_asel.html _blank external-link-new-window>Inforadio vom rbb</link>

Publikumsfragen werden vor der Veranstaltung gesammelt, so dass die Zuschauer interaktiv in die Gestaltung der Diskussion einbezogen werden.

Der Eintritt ist frei, um Anmeldung unter projektzukunft@ariadne-an-der-spree.de wird gebeten.

Im Vorfeld der Diskussion wird das Institut für Kommunikation in sozialen Medien in Zusammenarbeit mit WeTek und ArtWert von 17:30 bis 18:30 die crowdlounge unter dem Titel „Crowdfunding und Storytelling: Wie Crowdfunding Filmemachern und Journalisten helfen kann, ihr Publikum zu erreichen“ ausrichten.

Nähere Informationen zur Crowdlounge erhalten Sie hier

Danach (ca. 18:45) wird die von SenWTF/Projekt Zukunft in Auftrag gegebene und mit Kulturprojekte Berlin umgesetzte neue Plattform „crowdfunding Berlin“ vorgestellt.

Ablauf

ab 17:00 Uhr Einlass

17:30-18:30 Crowdlounge zum Thema Filmfinanzierung

                     (Veranstalter: Ikosom, WeTek / ArtWert)

18:30-18:45 Getränkepause

18:45-19:00 Vorstellung der neuen Crowdfunding-Plattform

19:00-20:30 Zukunftsgespräch

ab 20:30 Get Together

Eine Veranstaltung der Berliner Landesinitiative Projekt Zukunft bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung in Zusammenarbeit mit Inforadio (rbb).

Das Podiumsgespräch wird aufgezeichnet und am Sonntag, den 15.12. 2013 um 11.05 Uhr (Wdh 21:05 Uhr) im Rahmen der Sendereihe Forum im Programm von Inforadio (93,1 MHz) ausgestrahlt.

Landesinitiative Projekt Zukunft

Die Berliner Landesinitiative Projekt Zukunft – angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung – ist das größte Kommunikations- und Fördernetzwerk in der Hauptstadt. Neben der Entwicklung von Strategien für den Standort und der Förderung der Medien-, IT- und Kreativwirtschaft, werden innovative Projekte für Wirtschaft und Gesellschaft initiiert. Dazu gehört das Schaffen von internationalen Vernetzungs- und Präsentationsplattformen ebenso wie das Durchführen von Wettbewerben und Veranstaltungen. Ziel der Landesinitiative ist es, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmer zu verbessern.

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