Selbstfahrende Autos, bildgebende Medizingeräte, intelligente Stromzähler: Wie gut ein Produkt ist, zeigt sich auch immer stärker daran, wie schnell und effektiv es Daten verarbeiten kann. An Big Data führt längst kein Weg mehr vorbei. Trotzdem stehen viele kleinere und mittlere Unternehmen dem Thema immer noch skeptisch gegenüber: So werden 80 Prozent der erhobenen Daten einer Schätzung zufolge nur „abgelegt“, ohne sie jemals weiter zu nutzen.
Eine umfassende Studie der Technologiestiftung Berlin, gefördert von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, legt jetzt dar, wie innovative datengetriebene Modelle zukünftig umgesetzt werden können, wo noch Barrieren bestehen und wie man diese überwinden kann. Denn gerade Berlin bietet grundsätzlich sehr gute Rahmenbedingungen für die Erfassung und Nutzung von Daten.
Big Data – Rohstoff der Zukunft
In Zeiten der Digitalisierung wird es für Unternehmen immer wichtiger, die Daten ihrer Nutzenden möglichst umfangreich und präzise auszuwerten, um das dadurch gewonnene Wissen zur Verbesserung ihrer Produkte zu nutzen oder den Kaufanreiz zu erhöhen. Darüber hinaus kann mit den richtigen Informationen eine Basis für schnellere und bessere strategische Entscheidungen geschaffen werden. E-Commerce-Riesen wie Zalando, Amazon und weitere arbeiten schon lange erfolgreich mit den Datenmengen und nutzen sie für die Verbesserung ihrer Geschäftsmodelle und den Ausbau ihrer Marktdurchdringung.
Durch Neukombination von Daten und der Anwendung von KI-gestützten Analysemethoden können einerseits zusätzliche Services und Leistungen erbracht, andererseits Lösungsansätze für komplexe und drängende Probleme in Branchen wie Gesundheit oder Mobilität erarbeitet werden.
Eine der Herausforderungen ist es noch, Unternehmen und Organisationen dazu zu befähigen, die Daten, die von ihnen erhoben und gesammelt werden, so zu managen und zu nutzen, dass sie einen Mehrwert bieten. Doch gerade KMU tun sich nach wie vor damit schwer, die Daten für ihr eigenes Geschäft zielführend zu nutzen. Nur zwei Prozent der befragten Betriebe haben laut Studie Datenstrategen, die sich gezielt hiermit befassen.
Nicolas Zimmer, Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung Berlin: „Daten an sich sind kein Wert. Erst durch die Auswertung und Verknüpfung entstehen neue Chancen und Möglichkeiten, beispielsweise Produktionsprozesse zu optimieren und innovative Produkte zu entwickeln. Doch Unternehmen, die jahrelang analog erfolgreich waren, fällt es oft schwer, datengetrieben zu denken und digitale Disruption anzunehmen. Oft fehlt auch das Know-how. Deshalb haben beispielsweise nur zwei Prozent der Unternehmen bereits Datenstrategien. Das muss sich ändern.“
Stärken weiter ausbauen
Ramona Popp, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe: „Daten sind Kernbestandteil der Digitalisierung und können von verschiedenen Akteur*innen für unterschiedliche Zwecke genutzt und geteilt werden. Rund 84 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland sind digitale Einsteiger*innen. Sie erheben zwar Daten, werten sie aber kaum aus.
Dabei liegen hier große Potenziale. Wir bieten den Unternehmen in Berlin mehr qualifizierte Arbeitskräfte, als andere Standorte und mit unseren exzellenten Forschungseinrichtungen die Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Diese Stärken wollen wir weiter ausbauen.“
Denn die Notwendigkeit, sich mit dem Thema dauerhaft und vertieft auseinanderzusetzen, ergibt sich sowohl aus dem steigenden Volumen verfügbarer Daten, vorangetrieben durch die Digitalisierung, als auch aus der Notwendigkeit, unter Anwendung europäischen Datenschutz- und Wettbewerbsrechts erfolgreiche, innovative und technologiegetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Und hier sei Eile geboten und eine einheitliche europäische Linie von Nöten – doch noch fehlen die notwendige Infrastruktur und die erforderliche Sicherheit. Insbesondere wird eine europäische Cloud benötigt, da datengetriebene Prozesse wegen der anfallenden Datenmengen nicht mehr auf firmeneigenen Servern betrieben werden können. Sollte diese Voraussetzung nicht erfüllt werden, bestünde die Gefahr, dass Unternehmen von nicht-europäischen Anbietern abhängig bleiben und dies würde die Entwicklung langfristig gefährden.
Dabei liegt Deutschland im europäischen Vergleich weit vorn, wenn es um Produktweiterentwicklungen wie die Einbindung von Sensoren oder die Kommunikation mit den Kund*innen geht. Doch in Bereichen wie Analytics, Machine Learning und Künstliche Intelligenz, in denen die Daten in den Mittelpunkt rücken und die als Innovationstreiber die weitere Entwicklung bestimmen, sind hauptsächlich Startups aktiv. Etablierte Unternehmen agieren hier noch extrem vorsichtig. Dennoch – gerade in den Bereichen IKT, Fertigung und Finanzen – sind datengetriebene Geschäftsmodelle immer häufiger anzutreffen.
Günstige Rahmenbedingungen durch Open Data
Mit jährlich rund 40.000 Gewerbeanmeldungen und mehr als 500 Startup-Gründungen ist Berlin unangefochten Deutschlands Gründerhauptstadt. Die Startups sind insbesondere in den Bereichen Health, FinTech, Robotics und E-Commerce sehr erfolgreich; demzufolge ist hier das Angebot an Daten überdurchschnittlich gut.
Hinzu kommt: Berlin verfolgt eine "Open Data-Strategie" und stellt viele Daten zum öffentlichen Leben offen zur Verfügung; große Unternehmen teilen bereits Daten und ermöglichen so neue Entwicklungen. Insgesamt ist das Innovationsklima der Stadt mit seiner exzellenten Forschung, den Acceleratoren und Inkubatoren für die weitere Entwicklung sehr günstig. Obwohl auch hier die Entwicklungen noch ausbaufähig sind, finden Unternehmen in der Hauptstadt trotz einiger Schwächen grundsätzlich gute Rahmenbedingungen vor. Das gilt insbesondere, wenn sie datengetriebene Geschäftsmodelle entwickeln – oder ihr traditionelles Geschäftsmodell durch datengetriebene Aspekte verbessern wollen.
Um die Entwicklung voranzutreiben, sollte Berlin gezielt Ausbildungs- und Studienangebote ausbauen und die Zusammenarbeit von Forschung und Wirtschaft fördern. Insbesondere muss die Datenkompetenz erhöht werden, die es möglich macht, Daten nicht nur zu sammeln, sondern auch auszuwerten, zu vernetzen und in weitere Prozesse einzubinden.
DSGVO wird noch als Barriere wahrgenommen
Die „europaweite Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO)“ spielt im Rahmen der Datenökonomie – und hier konkret im Zusammenhang mit der Nutzung personenbezogener Daten – eine zunehmend entscheidende Rolle. Unternehmen sehen bei der Einhaltung der DSGVO jedoch teilweise ein Hemmnis, da die Umsetzung nicht selten mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden ist und nicht immer klar ist, wie die einzelnen Vorgaben umgesetzt werden müssen.
Laut einer Bitkom-Umfrage haben 25 Prozent der Unternehmen die Anforderungen immer noch nicht umgesetzt. Schwierigkeiten treten vor allen Dingen bei kleinen Unternehmen auf. Die größten Probleme sind: Rechtsunsicherheit, schwer abzuschätzender Arbeitsaufwand (bspw. zur Umsetzung von Dokumentations- und Informationspflichten) und Mangel an praktischen Umsetzungshilfen. Hier sei es wichtig, die Unternehmen mit fachlichen Weiterbildungsangeboten zu unterstützen.
Fazit: Die stetige Weiterentwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle wird neben den bestehenden insgesamt als große Chance wahrgenommen. Dabei können sich Deutschland und Europa auf die Kompetenzen im Industriebereich besinnen und sollten sich nicht von der Vorherrschaft der USA und Asiens bei den großen B2C-Plattformen ablenken lassen. Die fortschreitende Digitalisierung der Unternehmen bei der Nutzung von internetbasierten Diensten (u. a. Cloud) eröffnet dabei immer mehr Möglichkeiten, beispielsweise bei Big Data.
In einer stärkeren Nutzung von Open Data und Open Government Data liegt die Chance, dass eine engere Zusammenarbeit mit KMU und Startups entsteht, die dann in Form einer Wirtschaftsförderung positive Effekte entfaltet. Hier könnten Schnittstellen etabliert werden, über welche Unternehmen Zugang zu diesen Daten erhalten. Doch nur gut koordinierte gemeinsame Aktivitäten von allen Akteur*innen versprechen langfristige Erfolge.