Dr. Peter Göttel von Berlin Heals

Kategorie: Zukunftsköpfe

© Peter Göttel

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Herzinsuffizienz kann zur Zeit zwar behandelt, aber kaum geheilt werden. Dies ändert Berlin Heals durch einen völlig neuen Ansatz. Im Gespräch verrät Peter Göttel, Gründer und Geschäftsführer des jungen Berliner Unternehmens, wie die Therapie funktioniert, wieso sie auch wirtschaftlich betrachtet effizient ist und wieso ihm das Förderprogramm Design Transfer Bonus gerade in der Anfangszeit sehr gelegen kam.

Guten Tag Herr Göttel, Sie entwickeln ein Medizinprodukt, das herkömmliche Behandlungsmethoden auf den Kopf stellt. Millionen von Menschen, die unter Herzinsuffizienz leiden, können dank Ihres neuen Verfahrens nun auf Genesung hoffen. Dabei setzen Sie statt auf Medikamente oder Organtransplantationen auf schwachen elektrischen Strom. Können Sie uns kurz erklären, was die Vorteile dieser Therapieform sind und wieso das Herz tatsächlich geheilt werden kann?

Wir entwickeln ein implantierbares Medizinprodukt. Es handelt sich um ein kleines Gerät von der Größe eines Herzschrittmachers, das mittels zweier Kontakte einen sehr schwachen elektrischen Strom, einen sogenannten „Mikrostrom“, direkt an das Herz abgibt. Das kleine Implantat wird unter die Haut im Bereich des Brustmuskels implantiert. Das System heißt „C-MIC“, Cardiac Microcurrent. Seine Wirkungsweise beruht auf dem Wissen, dass bestimmte Formen der Herzmuskelschwäche auf chronisch-entzündlichen Prozessen im Herzmuskelgewebe beruhen. Der elektrische Mikrostrom kann diese chronisch-entzündlichen Prozesse wirksam unterdrücken. Letztendlich erreichen wir eine Normalisierung der Gewebestruktur auf zellulärer Ebene und damit auch eine Verbesserung oder gar Wiederherstellung der normalen Funktion und Auswurfleistung des Herzens. Dies konnten wir in prä-klinischen Untersuchungen nachweisen.

Alle bisherigen, etablierten Therapien – mit der Ausnahme der immer seltener stattfindenden Herztransplantation – wirken vorwiegend symptomatisch, bekämpfen also nur die Auswirkungen, nicht aber die Ursache der Erkrankung. Unser Ansatz ist demgegenüber eine fundamentale Therapie, eine Heilung des erkrankten Muskelgewebes. Der elektrische Strom ist übrigens so schwach, dass er weit unterhalb der Reizschwelle bleibt und somit nicht mit dem Reizleitungssystem oder dem Herzrhythmus interagiert und auch vom Patienten vollkommen unbemerkt bleibt. Nach circa sechs Monaten ist der Heilungsprozess des Herzmuskelgewebes abgeschlossen und das Gerät schaltet sich ab.

Das Entwickeln eines neuen Medizinprodukts ist für ein neues Unternehmen eine Herkulesaufgabe. Vor nun fast sechs Jahren haben Sie den Business-Plan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg gewonnen. Welche Meilensteine haben Sie seitdem schon erreicht?

Erst vor circa zwei Jahren haben wir unser Unternehmen gemeinsam mit Privatinvestoren aus der Schweiz neu gegründet und erst dann mit der Entwicklung des tatsächlichen Produktes begonnen. Seitdem haben wir schon einige wichtige Meilensteine der Entwicklung erreicht, sodass wir uns bereits jetzt in der Phase der Systemvalidierung befinden. Schon in sehr absehbarer Zeit haben wir eine klinische Pilotstudie vor uns. Das ist eine ungemein kurze Entwicklungszeit für ein Medizinprodukt aus der Klasse „aktives Implantat“ wie C-MIC, an das besonders hohe Zulassungsanforderungen gestellt werden. Unser Entwicklungsprozess ist dabei nach EN-ISO13485 zertifiziert.

Der Gewinn beim BPW Berlin-Brandenburg 2010 hatte uns seinerzeit zwar einige Aufmerksamkeit und viele Kontakte verschafft, jedoch bestand Anfang dieses Jahrzehnts kein gutes Klima für Frühphaseninvestments. Die vierjährige Phase zwischen dem BPW und der Neugründung haben wir daher aus eigenen Mitteln finanziert. Es gab sehr viele Gespräche mit interessierten Investoren aus dem VC-Bereich aber auch mit Family Offices, die jedoch letztendlich alle das Risiko in der frühen Phase scheuten oder uns nicht akzeptable Bewertungen anboten. Bemerkenswert war auch, wieviel Zeit alleine durch die nicht seltenen Kontaktanfragen verloren ging, die sich dann später als unhaltbar oder unseriös herausstellten.

Was schätzen Sie, wie viele Menschen können alleine in Deutschland in zehn Jahren dank Berlin Heals ihr Leben deutlich verlängern?

Das Potenzial ist gewaltig. Die Lebenserwartung steigt beständig. Herzerkrankungen werden zur bedeutendsten Krankheit, so dass es in Deutschland alleine Hunderttausende Patienten geben wird. Wir sind allerdings realistisch und wissen, dass C-MIC nur eine Option aus einer Reihe von Therapie-Optionen darstellen wird, die den Ärzten zur Verfügung stehen. Letztendlich werden für die Akzeptanz und den Erfolg unserer Methode nicht nur ihre überlegene Wirksamkeit und Verträglichkeit entscheidend sein, sondern auch, ob sie zu einer Eindämmung des mit der Zunahme der Patientenzahl einhergehenden Anstiegs der Gesundheitskosten beiträgt. Da die Mikrostrom-Therapie weitgehend ohne aufwendige Nachbehandlung auskommt, sind wir zuversichtlich, auch aus dem Blickpunkt der Gesundheitsökonomie eine effiziente Methode anzubieten.

Zugleich stellt man als Gründer ein Produkt wie das Ihrige sicherlich nicht im Alleingang fertig. Welche Rolle hat es für das Realisieren Ihres Projektvorhabens gespielt, mit anderen Forschungsinstituten, Kliniken oder anderen privaten Unternehmen zu kooperieren? Und wie beurteilen Sie dabei die bestehenden Netzwerke in Berlin?

Das ist richtig. Für unser Projekt arbeiten wir mit Partnern und Zulieferern aus Berlin – beispielsweise im Materialforschungs- und im Testbereich mit der Technischen Universität – aus anderen Teilen Deutschlands, aber auch aus der EU und USA zusammen. Unserem wissenschaftlichen Beirat gehört Professor Volkmar Falk, Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin, an. Dabei nutzen wir unsere eigenen Kontakte oder öffentlich zugängliche Informationen, aber auch Kontakte, die unsere Mitarbeiter als Teil ihres Know-Hows mit ins Unternehmen einbringen. Institutionalisierte Netzwerke spielen eine eher untergeordnete Rolle, da unsere Fragestellungen und Anforderungen meistens sehr speziell sind.

Gefördert wurden Sie auch im Rahmen des Förderprogramms Design Transfer Bonus. Können Sie uns einen Einblick in dieses Projekt geben und kurz erläutern, wieso Design für Ihr medizinisches Produkte so relevant ist?

Selbstverständlich muss auch ein Medizinprodukt – genau wie jedes andere Produkt – ein funktionales aber doch ansprechendes Design aufweisen. Schließlich ist die Formen- und Farbsprache ein wichtiger Aspekt der Außendarstellung, zumal das Design meistens das erste ist, was man öffentlich zeigt. Bei einem sicherheitskritischen Produkt wie einem Implantat steht das äußerliche Design jedoch immer unter dem Primat der Sicherheitsanforderungen, also „Safety vor Design“, wenn man so will.

Der Design Transfer Bonus hat ja ein vergleichsweise niedriges Fördervolumen – in unserem Fall betrug es rund 14.000 Euro –, aber in der frühen Unternehmensphase war er ein äußerst hilfreicher und willkommener Baustein bei der Finanzierung der ersten Schritte. Außerdem ist die Antragstellung mit etwa sechs bis acht Wochen vergleichsweise wenig aufwendig und die Bearbeitungszeiten sind erfreulich kurz. Der Kontakt, der zu dem seinerzeit beauftragten Designer von Smoge-Berlin entstand, hält übrigens bis heute und hat auch zu Folgeaufträgen geführt.

Was genau war denn damals Ziel Ihres Projekts?

Wir haben damals eine animierte 3D-Visualisierung unseres Implantats im Körper entwickelt, die wir jetzt zum Beispiel auf Messen als eine Art Holographie vorführen, um unser Produkt zu erklären.

Herr Göttel, können Sie bitte abschließend noch folgenden Satz vervollständigen: Berlin ist…

... für mich eine weltoffene und tolerante Stadt mit vielen klugen Köpfen. Außerdem ist die Region meine zweite Heimat. Wir können uns nicht vorstellen, ein Unternehmen nicht in Berlin zu gründen!

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