Zukunftskopf: Co-Gründerin und CEO Aimie-Sarah Carstensen von ArtNight

Kategorie: Zukunftsköpfe

Co-Gründerin und CEO Aimie-Sarah Carstensen von ArtNight, ©Farina Deutschmann

Let’s do this”: Mit diesen Worten erzählte David Neisinger seiner Bekannten Aimie-Sarah Carstensen von „Paint and Sip”-Malkursen, die er auf einer USA-Reise kennengelernt hatte. Die umtriebige Wahl-Berlinerin war sofort dabei. Innerhalb von sechs Wochen war das Unternehmen „Realtainment“ gegründet, die Website gebaut, Künstler:innen akquiriert – und im Herbst 2016 fand die erste „ArtNight” in Berlin statt: Zwei Stunden lang unterstützten professionelle Künstler:innen Gäst:innen dabei, inspiriert von ausgewählten Motiven – von abstrakten Kreationen, über Illustrationen bis hin zu Porträts – ihr eigenes Kunstwerk zu malen. Die Mission lautet, „Kreativität zu einer Routine zu machen, die alle lieben.“ Diese ist genauso gleich geblieben wie das Ursprungskonzept. Im Wandel war das Startup seit der Gründung dennoch: Neben Berlin wurde die ArtNight in über 50 Städten in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz angeboten, die Expansion nach Frankreich und Großbritannien war geplant und zu den Malkursen hatten sich BakeNight (Backkurse), PlantNight (Workshops rund um das Thema Pflanzen) und ShakeNight (Cocktailkurse in Bars) gesellt.

Dieser Höhenflug wurde durch die Corona-Pandemie gestoppt. Stellen Sie sich vor, sie fahren full speed auf einer sehr gut ausgebauten Rennbahn. Diese ist auf einmal gesperrt, Sie müssen eine Vollbremsung hinlegen, eine Kehrtwendung machen und auf einem Schotterweg wieder zurückfahren“, beschreibt Carstensen, die seit dem Ausstieg Neisingers im Jahr 2021 das Unternehmen alleine führt, den Einschnitt. Doch aufgeben ist keine Option: ArtNight macht weiter und bekommt sogar etwas Unterstützung. 

„Mit Geduld, harter Arbeit und viel Flexibilität“ und mithilfe von vier neuen Investoren, zu denen auch IBB Ventures mit dem VC Fonds Kreativ zählt, gelang es ihr und ihrem 25-köpfigen Team, das Unternehmen weiter zu entwickeln. Was dafür notwendig war und warum es. „anders als geplant“ lief, das erzählt die selbsternannte „Botschafterin für Kreativität“ im Interview:

Ihre Mission bei ArtNight ist „Kreativität zu einer Routine zu machen, die alle lieben”: Was versprechen Sie sich davon? Ich glaube fest daran, dass Kreativität nicht nur ein Mittel zur persönlichen Bereicherung ist, sondern auch wesentlich zur Innovationskraft und damit zum Wirtschaftswachstum beiträgt. Unser Alltag ist häufig von Gewohnheit und Routine geprägt, was kreative Prozesse hemmen kann. ArtNight bietet eine Plattform, um diese Routinen zu durchbrechen und Menschen dazu zu inspirieren, ihre kreative Seite zu entdecken und zu entwickeln. Dadurch fördern wir nicht nur individuelles Wohlbefinden, sondern stärken auch die gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamik.

Wie sieht Ihre eigene Routine aus? Meine persönliche Kreativroutine basiert auf den Prinzipien der „Morning Pages" von Julia Cameron. Jeden Morgen schreibe ich direkt nach dem Aufstehen drei Seiten, was meine Gedanken klärt und meine Kreativität stimuliert. Zudem reserviere ich mindestens zwei Stunden pro Woche für ein kreatives Date mit mir selbst. In dieser Zeit besuche ich oft eine ArtNight, um meine Maltechniken zu verbessern und gleichzeitig in geselliger Runde kreativ tätig zu sein. Diese Routinen helfen mir, kontinuierlich an meiner kreativen Entfaltung zu arbeiten.

Eben diese war sicherlich auch während der Corona-Pandemie gefordert. Zwischen März und November 2020 hatten Sie 70 Prozent des geplanten Umsatzes verloren. Danach haben Sie sich entschieden, Online-Kurse anzubieten. Anders als viele andere Unternehmen haben Sie sich entschieden, offen über diese Herausforderungen zu sprechen. Warum war Ihnen das wichtig?

Ein nachhaltiges und wirtschaftliches Unternehmen aufzubauen, erfordert Durchhaltevermögen und Weitsicht – auch bei einem Startup. Eine Unternehmensgründung bringt neben vielen Hochs auch einige Tiefs mit sich. Ich finde es wichtig über Erfolge und Misserfolge gleichermaßen zu sprechen. Das gehört dazu und gibt authentische Einblicke ins Unternehmertum.

Apropos Hochs: 2022 haben Sie vier neue Investoren gewinnen können. Was ist mit dem Investment passiert? Das Investment wird zur Weiterentwicklung und zum Wachstum von ArtNight verwendet. Nach der Pandemie konzentrierten wir uns intensiv auf unser Kerngeschäft und die direkte Kundenzufriedenheit, wobei externe Kommunikation eine niedrigere Priorität hatte. Trotzdem gab es bedeutende Entwicklungen: Wir erreichten die Marke von einer Million Teilnehmern bei ArtNight, führten das neue Format "ArtNight Kids" ein und erweiterten unser Angebot für Firmen durch spezialisierte Teamevents. Diese Schritte haben uns geholfen, unser Profil als führender Anbieter kreativer Erlebnisse zu schärfen und unsere Position im Markt zu festigen.

Wie sieht Ihr Geschäftsmodell heute aus? Das Geschäftsmodell von ArtNight – das selbst auf Technologie als funktionalem, skalierbarem Vehikel basiert – setzt darauf, den gesamten Produktionsprozess selbst in der Hand zu halten. Dazu zählen die Kuratierung der Events, Schulung der Hosts, Vermarktung der Tickets und Entwicklung der Produkte etc. Dadurch stellen wir die hohe Qualität der Veranstaltungen sicher und sorgen mit 95 NPS für außerordentlich hohe Kundenzufriedenheit. (Anmerkung: Net Promoter Score ist eine Methode zur Messung der Kund:innenzufriedenheit. Dabei ermittelt der NPS die Bereitschaft eines/er Kunden/in, ein Unternehmen weiterzuempfehlen.) Außerdem setzt unser Geschäftsmodell bei der Durchführung analoger Erlebnisse und Veranstaltungen auf maximale Skalierbarkeit und Rentabilität.

2020 steckten Sie mitten in Expansionsplänen nach ganz Europa. Was ist daraus geworden? Während der Pandemie haben wir beschlossen, unsere Aktivitäten auf Deutschland und Österreich zu beschränken und die Expansion in andere Märkte aufgrund der unterschiedlichen Corona-Bedingungen zurückzustellen. Wir planen jedoch, diese Expansionspläne in der Zukunft wieder aufzugreifen.

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus? Unser Ziel ist es, mit ArtNight so viele Menschen wie möglich zu erreichen und Kreativität als Treiber für Innovation, Fortschritt und Wachstum zu fördern. Wir arbeiten kontinuierlich an der Weiterentwicklung unserer Produkte, um dieses Ziel zu erreichen.

2016 haben Sie die erste ArtNight in Berlin organisiert. Wie hat sich das Ökosystem in den acht Jahren seit ihrer Gründung entwickelt? Das Ökosystem ist im permanenten Wandel. Vor acht Jahren war die Startup-Szene meines Erachtens noch nicht so präsent vertreten wie heute. Die externen Finanzierungsmöglichkeiten und die gesamtwirtschaftliche Situation waren jedoch deutlich attraktiver für Gründer, schnelle Exits häufig das Ziel. Die aktuelle Krisenlage macht es für Startups schwieriger, aber auch wichtiger denn je, Innovationen voranzutreiben.

Danke für das Gespräch!

Das könnte Sie auch interessieren