Seit 30 Jahren prägt der BeBra Verlag den Blick auf Berlin und Brandenburg – und wurde dafür jüngst mit dem Berliner Verlagspreis ausgezeichnet. Als „Hauptstadtverlag“ versteht sich BeBra nicht nur als Chronist der Region, sondern als aktiver Teil ihres kulturellen Diskurses. Im Interview spricht Verleger Dirk Palm über regionale Verwurzelung und verlegerische Verantwortung, über Programmentscheidungen zwischen Geschichte, Sachbuch und Unterhaltung, über die Chancen und Grenzen digitaler Formate in einer zunehmend beschleunigten Medienwelt – und darüber, warum Berlin trotz aller Widersprüche ein einzigartiger Ort für Bücher bleibt.
Der BeBra Verlag versteht sich als „Hauptstadtverlag” und verfügt über das umfangreichste Programm zu Berlin und Brandenburg. Was bedeutet das Selbstverständnis „Hauptstadtverlag“ für Ihre verlegerische Arbeit und welche Verantwortung geht mit dieser starken regionalen Verwurzelung einher?
Wir sind der Verlag mit dem umfangreichsten Buchprogramm zu Berlin und Brandenburg. Daher kommt ja auch unser Name! Unsere verlegerische Arbeit ist auf die Menschen in unserer Region ausgerichtet. Was bewegt sie? Wofür interessieren sie sich? Wie können wir sie unterhalten und mit relevanten Informationen versorgen? Diese Fragen stellen wir uns jeden Tag. Deshalb ist es uns wichtig, mit unseren Leser:innen in Kontakt zu sein und zu wissen, was sie bewegt. Wir erreichen dies über die Vernetzung mit Institutionen, aber auch Einzelpersonen vor Ort.
Die Spanne Ihres Programms reicht von Regionalgeschichte über zeitgeschichtliche Sachbücher bis hin zu Kriminalromanen der 1920er-Jahre. Welche Kriterien entscheiden darüber, welche Projekte in das BeBra-Programm passen?
Wir haben ein dreigeteiltes Programm: In unserem Regionalprogramm überlegen wir, welche historischen und kulturellen Themen Menschen in Berlin und Brandenburg an ihrer Region interessieren, welche Bedürfnisse unserer Zielgruppen wir erfüllen können. Das könnte das Bedürfnis nach Unterhaltung sein, nach Information, nach Freizeitgestaltung, seit einiger Zeit auch nach kulinarischen Erlebnissen. In unserem allgemeinen Sachbuchprogramm nehmen wir historische Themen in den Blick, die von allgemeinem Interesse, aber noch unterpubliziert sind. Und in unserem Wissenschaftsprogramm publizieren wir vor allem in etablierten Reihen.
Gibt es Kooperationen, Autor:innen oder besondere Partnerschaften, die Ihr Programm aktuell prägen?
Wir kooperieren mit einer Vielzahl von Institutionen, so dem Verein für die Geschichte Berlins, dem Ernst-Reuter-Archiv oder der Brandenburgischen Historischen Kommission. Autor:innen wie der Filmkritiker Knut Elstermann, der Sportjournalist Andreas Ullrich, der Historiker Frank-Lothar Kroll und Regina Stürickow, die „Grand Dame des Berliner Verbrechens“, haben unser Programm geprägt und prägen es weiter.
Der Gewinn des Berliner Verlagspreises ist eine besondere Auszeichnung – was bedeutet Ihnen diese Anerkennung persönlich und für den BeBra Verlag?
Der Preis ist für mich persönlich eine Bestätigung meiner verlegerischen Arbeit, vor allem aber für die Arbeit des BeBra-Teams. Jedes Buch ist ja ein Projekt, an dem viele Menschen beteiligt sind: Autor:innen, Grafiker:innen, Lektor:innen, Korrektor:innen, Drucker:innen, Vertriebler:innen, Buchhändler:innen, Rezensent:innen. Sie alle in optimaler Weise zusammenzuführen und auf ein gemeinsames Ziel auszurichten, ist eine äußerst beglückende Tätigkeit, und das ist uns seit 2021, als ich den Verlag übernommen habe, sehr gut gelungen. Dass das auch von außen wahrgenommen wird, erfüllt mich mit Stolz.
Welche nächsten Meilensteine stehen für den BeBra Verlag an, insbesondere nach dem Gewinn des Berliner Verlagspreises?
Wir wollen uns in einem schwierigen Marktumfeld weiter als der führende Verlag für Berlin und Brandenburg sowie ein wichtiger Sachbuch- und Wissenschaftsverlag behaupten. Wir wollen neue, jüngere Zielgruppen erschließen – da sind wir schon dran.
Welche Herausforderungen erleben Sie derzeit im Literatur- bzw. Medienbetrieb, und welche Chancen ergeben sich daraus?
Die Gesamtzahl der Lesenden nimmt ab. Aber unsere Kernzielgruppe, die Babyboomer, bleibt stabil und buchaffin. Aber das wird nicht immer so bleiben. Welche Themen und Formate können wir finden, um auch jüngere Zielgruppen zu begeistern? Das ist die entscheidende Zukunftsfrage. Vielleicht ergeben sich daraus tatsächlich neue Chancen für ein Medienhaus der Zukunft.
Die Digitalisierung verändert sowohl das Leseverhalten als auch die Produktionsprozesse: Welche Haltung hat Ihr Verlag dazu? Und wo sehen Sie Chancen oder Grenzen digitaler Formate, auch mit Blick auf die bisherige Geschichte des Verlags?
Natürlich bieten wir allen, die unsere Inhalte auf Lesegeräten lesen möchten, E-Books an – wenn das Buch nicht aufgrund vieler Bilder oder rechtlicher Gründe nur im Print erscheinen kann. Wir denken viel nach über Möglichkeiten, die digitale Verfügbarkeit von unseren Inhalten zu verbessern. In unserem Programmbereich Wissenschaft und bei wenig illustrierten Büchern sind digitale Inhalte besonders wichtig.
Oft sehen wir das gedruckte Buch auch als Objekt, als Gesamtkunstwerk. Das gedruckte Buch ist gestaltet, es hat einen besonderen Einband, ein besonderes Papier. Wenn wir einen Inhalt als so ein Gesamtkunstwerk anbieten wollen, sind wir noch immer für das Analoge. Im Übrigen erkennen wir ja in unserer Gesellschaft gegenwärtig mehr und mehr die Grenzen und Gefahren einer allumfassenden Digitalisierung. Vielleicht wird das Buch als „analoger Entschleuniger“ doch noch länger leben als von vielen vorhergesagt?!
Welches Learning aus Ihrer bisherigen Arbeit hat Sie über all die Jahre am stärksten geprägt?
Entscheidend für den Erfolg eines Verlages sind die Menschen. Es geht immer um die Menschen, die den Verlag machen, für ihre Themen brennen, die Zielgruppen kennen und neugierig bleiben.
Wo sehen Sie den BeBra Verlag langfristig und welche Rolle möchten Sie im kulturellen Diskurs der nächsten Jahre spielen?
Der BeBra Verlag wird auch weiter als führender Verlag für Berlin und Brandenburg, als Sachbuch- und als Wissenschaftsverlag tätig sein. Wir wollen das, was die Menschen bewegt, weiter in großartige Bücher bringen und mit diesen zu den öffentlichen Diskursen, nicht nur im Bereich der Kultur, sondern ganz allgemein in Gegenwartsfragen, weiter beitragen.
Der BeBra Verlag besteht seit 30 Jahren. Eine Zeit, in der sich auch Berlin stark verändert hat. Wie blicken Sie auf diese Veränderungen, was macht die Stadt für einen Verlag nach wie vor spannend und wo geht die Reise in Zukunft wohl hin
Ja, Mitte der 90er-Jahre war die Stadt ganz anders. Aber sie bleibt weiter ein Experimentierfeld – so wie sie es immer war. Klar gibt es Probleme, aber es gab immer welche. Deswegen bin ich dafür, nicht alles mies zu machen, sondern sich darauf zu besinnen, in was für einer einzigartigen, pulsierenden Metropole wir leben, in der sich alle Kultur- und Gegenwartsfragen, die uns heute begegnen, direkt und vor Ort wiederfinden. Klar sind wir manchmal auch genervt von Berlin. Aber wir lieben Berlin. Es ist unsere Stadt.