Zukunftsköpfe: Leon Rückert von GovIntel

Kategorie: Zukunftsköpfe

Vergabevermerke, Haushaltsinformationen, Sitzungsprotokolle, Debatten – was erst einmal recht trocken klingt, ist für GovIntel gefundenes Fressen. Das Berliner Startup um Gründer Leon Rückert nutzt KI, um all diese Quellen auszuwerten und geplante Beschaffungen schon Monate vor der Ausschreibung sichtbar zu machen. Davon profitieren nicht nur innovative Unternehmen, die ihre Lösungen frühzeitiger platzieren können,  sondern auch die Verwaltungen selbst. Warum? Das lest ihr in unserem neuen „Zukunftsköpfe”-Interview.

Das von dir gegründete Startup GovIntel will die Beschaffung von öffentlichen Stellen smarter machen. Was genau bietet ihr an, wer sind eure Kund:innen?
Wir helfen Lösungsanbietern, Bedarfe im öffentlichen Sektor frühzeitig zu erkennen. Dafür identifizieren wir Signale in Daten, die auf zukünftige Beschaffungen hindeuten. So können Unternehmen ihre Lösungen rechtzeitig bei Verwaltungen positionieren.

Unsere Kunden sind innovative Unternehmen, die Lösungen für Verwaltungen anbieten. Gleichzeitig profitieren auch Verwaltungen von GovIntel, da sie im Prozess der Markterkundung von mehr innovativen Angeboten erfahren und ihre Ausschreibungen offener für neue Produkte gestalten können.

Zurückgedacht: Was war die Idee hinter der Gründung – gab es einen besonderen Moment oder Impuls?
In den letzten Jahren habe ich im GovTech-Ökosystem auf der Anbieterseite gearbeitet. Dabei habe ich erlebt, wie fragmentiert Informationen über Kund:innen im öffentlichen Sektor sind.

Für Startups und Anbieter innovativer Produkte ist es dadurch schwer, den konkreten Bedarf öffentlicher Stellen zu erkennen. Ohne klare Hinweise darauf, wo dieser Bedarf besteht, verlieren Unternehmen wertvolle Zeit. Das hat zur Folge, dass Ressourcen eher in die Lösungsentwicklung und den Vertrieb für die Privatwirtschaft fließen als in den öffentlichen Sektor. 

Was sind aus deiner Sicht die größten Herausforderungen beim Thema Beschaffung – wo seht ihr Potenziale?
An öffentliche Auftraggeber werden zu Recht hohe Anforderungen gestellt. In der Praxis mangelt es jedoch oft an echter Transparenz, fairem Wettbewerb und dem richtigen Mindset, um Innovation zu fördern.

Viele Informationen zu öffentlichen Vergaben sind zwar öffentlich, jedoch schwer zugänglich und kaum auswertbar. Durch die Aggregation und Kuratierung dieser Daten können Anbieter besser relevante Ausschreibungen erkennen und passende, innovative Lösungen anbieten. Das stärkt den Wettbewerb, der aktuell häufig fehlt: Über 40 % aller IT-Ausschreibungen erhalten nur ein Angebot, was oft zu schlechteren Lösungen bei höheren Kosten für Steuerzahler:innen führt.

Gleichzeitig sind Innovationen heute extrem schnelllebig. Es ist unrealistisch, dass jede Beschaffungsstelle den Markt vollständig überblickt. Stattdessen entstehen häufig teure Individuallösungen und schwer wartbare Systeme, die hinter dem zurückbleiben, was der Markt bereits bietet. Genau hier liegt das Potenzial: Mehr Transparenz und ein innovationsfreundlicher Beschaffungsprozess können Qualität steigern und Kosten senken.

Gibt es bereits Kontakte mit öffentlichen Stellen, bzw. wie wollt ihr eure Leistung pilotieren?
Aktuell wird unser Produkt primär von Unternehmen genutzt. Die von uns angereicherten Daten sind jedoch auch für öffentliche Beschaffungsstellen sehr relevant. Wir sind offen für Gespräche und Pilotprojekte mit öffentlichen Stellen, fokussieren uns für ein schnelles und planbares Wachstum derzeit jedoch auf den Privatsektor.

Welche Rolle spielt der Einsatz von Tech bei euch – und welches Know-how braucht es bei euch besonders?
Wir leben in einer Zeit rasanter technologischer Disruptionen, die Dinge möglich machen, die vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wären. Diese Fortschritte nutzen wir gezielt in Kombination mit einem tiefen Verständnis des öffentlichen Sektors. Entscheidend bei uns ist nicht nur technisches Know-how, sondern vor allem die Fähigkeit, Technologie sinnvoll einzusetzen.

Ihr wurdet mit dem Smart Country Startup Award 2025 ausgezeichnet – was bedeutet der Preis für euch?
Der Preis war für uns Anlass zu großer Freude. Vor allem aber ist es für uns ein starker Ansporn, dem Kerngedanken hinter der Auszeichnung mit einem wirklich guten Angebot gerecht zu werden: Innovationen in öffentliche Verwaltungen zu bringen.

Was sind die nächsten Meilensteine für dich – und was ist deine Vision für dein Startup in der Zukunft?
Kurzfristig liegt unser Fokus darauf, unser Produkt gemeinsam mit ausgewählten Unternehmen weiterzuentwickeln. Dabei arbeiten wir bereits mit Marktführern in ihren Bereichen zusammen, deren Lösungen ein großes Potenzial haben, öffentliche Verwaltungen innovativer und effizienter zu machen. Mit den richtigen, aufbereiteten Informationen können sie gezielter, schneller und mehr öffentliche Projekte gewinnen.

Unsere langfristige Vision ist es, Innovation im öffentlichen Sektor systematisch zu stärken. Indem wir den Zugang zu relevanten Informationen verbessern und den Wettbewerb fördern, tragen wir dazu bei, die Resilienz staatlicher Strukturen sowie das Vertrauen in öffentliche Institutionen nachhaltig zu erhöhen.

Was würdest du anderen Gründer:innen raten beziehungsweise was war dein größtes Learning bisher?
Technologie ermöglicht heute völlig neue Dinge. Die Barriere, Software zu bauen, war noch nie so gering wie jetzt. Mein Rat an andere Gründer:innen ist daher, viele neue Tools auszuprobieren und schnell Prototypen zu bauen. Je früher man reales Nutzer:innenfeedback bekommt, desto schneller lernt man und kann die eigene Idee wirklich schärfen.

Und zu guter Letzt: Was macht Berlin als Gründungsort für dich aus?
Berlin bietet einen einzigartigen Mix aus internationalem Talent, einer lebendigen Startup-Szene und einem wachsenden GovTech-Ökosystem. Die Nähe zu Politik und Verwaltung ist für uns besonders wertvoll, weil sie den direkten Austausch ermöglicht und innovative Lösungen näher an den tatsächlichen Bedarf relevanter Akteur:innen im Ökosystem erlaubt.

Kontakt

Katrin Tobies

Digitalwirtschaft, Startups, Steuerung Projekt Zukunft

Email

Das könnte Sie auch interessieren

  • Zukunftsköpfe: Florian Müller von Mental Health in Fashion

    Kategorie: Zukunftsköpfe

    Psychische Gesundheit ist in der Modebranche noch immer ein Tabuthema – genau hier setzt die Initiative Mental Health in Fashion an. Gründer Florian Müller möchte das Bewusstsein für mentale Belastungen entlang der gesamten Lieferkette schärfen und… Mehr

  • Start-up ARENA @ deGUT 2025

    Kategorie: Startup

    Wie pitche ich meine Business-Idee? Wie sorge ich in meinem Unternehmen für Diversität? Welche Art der Finanzierung ist die richtige für mich? Wie kann ich KI bei meiner Unternehmensgründung bestmöglich einsetzen? Diese und viele, viele weitere… Mehr