TRANSIT Verlag: „Wir wollen Schubladen aufbrechen.”
Der TRANSIT Verlag ist Preisträger des Berliner Verlagspreises 2024. Ein Gespräch mit Verleger Rainer Nitsche. Mehr
Anika Wiest
E-mail: anika.wiest@senweb.berlin.de
Telefon: (030) 90138423
Rose Epple und Alex Valder sind eines der Gewinnerteams des mit insgesamt 30.000 Euro dotierten digivis Contests. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe/ Projekt Zukunft hat gemeinsam mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Landesverband Berlin Brandenburg, den Wettbewerb „digivis Contest – Digitales sichtbar machen“ ausgerufen. Gesucht wurden Konzepte, die der Kreativwirtschaft und im Besonderen der Buchbranche zu breiter Sichtbarkeit ihrer digitalen Produkte oder Anwendungen verhelfen.
Sie sind einer der Preisträger des „digivis Contests“ – was bedeutet dieser Wettbewerb für Sie?
Es war schön einen Preis zu gewinnen, da dadurch unsere Ideen und Vorstellungen einem breiteren Publikum vorgestellt worden sind. Außerdem hat die Jury, die auch von unserer sehr angewandten Vorstellung überzeugt war, unsere Ideen an die richtigen Stellen vermittelt (Danke). Hier hoffen wir natürlich auf eine Umsetzung und bleiben dran.
Sie bieten mit Ihrem Wettbewerbsbeitrag und dem Projekt „BEYOND PAPER“ Verlagen die Möglichkeit, ihre digitalen Produkte an einen zentralen Leseort zu präsentieren – können Sie das ein wenig näher erläutern?
Anstoß war ein Besuch auf der Frankfurter Buchmesse. Als Buchdesignerin war ich neugierig, was auf dem E-Book-Markt so los ist. Aber alle Bücher um mich herum waren aus Papier. Selbst die Preisträger des Deutschen E-Book Awards konnte man sich nicht angucken.
Auf meine Nachfragen, ob ich mal E-Books der Verlage ansehen könnte, wurde mir nur gesagt, die seien doch digital. Da haben wir uns gefragt, ob das vielleicht einer der Gründe ist, warum der Zukunftsmarkt digitaler Bücher stagniert. Ein unsichtbares Produkt ist schwer zu verkaufen!
Der digitale Leseraum BEYOND PAPER soll, ähnlich wie die Hörinsel für Audiobücher, Anbieter von digitalen Büchern die Möglichkeit geben, ihre digitalen Produkte dort unkompliziert zu präsentieren, ohne aufwändige Individuallösungen entwickeln zu müssen.
Es handelt sich um einen modularen, bausteinförmigen Messestand – wie funktioniert das Prinzip?
Wir haben uns gefragt, welche Möglichkeiten sich eröffnen, wenn „Buch“ nicht mehr zwangsläufig Tinte auf Papier bedeutet. Beyond Paper – Jenseits des Papiers – kann Texten zu neuen Formen und neuen Materialien verhelfen. Wir haben diesen Ansatz am Beispiel eines Gruppenstands auf einer Buchmesse durchgespielt, aber die einzelnen Module sind skalier- und übertragbar. Man könnte damit auch einen Shop im Shop für den Buchhandel bauen.
Digitale Bücher haben im analogen Raum keinerlei Präsenz – und das wollen Sie ändern, indem Sie Bücher zum „Anfassen“ präsentieren. Dafür haben Sie Module entwickelt. Wie funktioniert das?
Wir haben eine räumliche Schnittstelle zwischen digitaler und analoger Welt entworfen: Der Stand besteht im Wesentlichen aus drei Elementen: einem Vorhang aus weichen Buchrücken, die den zentralen Leseraum räumlich und akustisch abschotten, Sitzwürfeln mit fest installierten Lesegeräten und Monitorstelen, die man mit den Tablets verbinden kann.
Was beim digitalen Buch ja am meisten vermisst wird, ist das haptische Erlebnis. In unserem Büchervorhang ist Stöbern eine körperliche Aktivität. Jedes Buch, das im Stand präsentiert wird, ist Teil des Büchervorhangs. Wie in einer gut gemischten Bücherkiste auf dem Flohmarkt, hängt hier Kochbuch neben philosophischem Traktat, Essaysammlung neben Liebesroman. Denn beim Stöbern geht es ja mehr um die Lust am Suchen als ums Finden.
Sie arbeiten an verschiedenen Projekten – können Sie uns etwas darüber erzählen?
Rose Epple: Ich habe gerade ein Mitmach-Buch (analog) für Kinder geschrieben und gestaltet, das auf meiner Vermittlungsarbeit im Museum basiert. Und am 2. Mai 2018 eröffnet die Ausstellung „Erotik der Dinge“ im Werkbundarchiv – Museum der Dinge, an deren Ausstellungsgestaltung ich gerade arbeite.
Alex Valder: Ich bin gerade bei der Entwicklung zweier neuer Objekte, die allerdings nichts mit dem Buch oder dem Lesen zu tun haben, sondern einfach unser Leben schöner machen. Ausserdem entwerfen wir gerade für einen Kunden aus dem Musikbereich einen neuen Büro- und Arbeitsbereich.
Wo sehen Sie Bücher, Buchläden und Bibliotheken in zehn Jahren?
Ich denke, dass digitale und analoge Bücher nebeneinander existieren werden und hoffe, dass die jeweilige Form dann bewusster gewählt wird. Manche Bücher wollen für den Coffee Table gekauft werden, andere, Reiseführer zum Beispiel, wären digital viel praktischer. Ich freue mich auf die Zeit, wenn Buchgestalter und Programmierer gemeinsam neue Buchformate entwickeln, da liegt noch so viel Potenzial! Buchläden könnten dieses Nebeneinander viel mehr abbilden und den Handel mit digitalen Produkten nicht nur den Online Händlern überlassen. Daran würden wir gerne mit ihnen arbeiten!
Bibliotheken werden in den Großstädten mehr Aufenthaltsqualität bekommen. Ähnlich wie Museen, können sie zu atmosphärischen Orten werden, wo man sich trifft, gemeinsam liest, Bücher anguckt und dann einen Kaffee trinkt. Sie könnten auch mobile Satelliten in die Stadt oder in Schulen schicken, das digitale Buch macht das sehr einfach möglich.
Welches Buch liegt bei Ihnen auf dem Nachttisch?
Da liegt immer ein Stapel! Momentan unter anderem: „The Semiotics of Emoji“ von Marcel Danesi, das wunderbare „Seeing Things“ vom Fotografen Joel Meyerowitz, das als Kinderbuch daherkommt, und der Augenöffner „The Politics of Design“ von Ruben Pater. Auf meinem iPad habe ich gerade den experimentellen Ambient-Lit-Roman „Breathe“ gelesen, von Kate Pullinger.
Sie leben in Berlin – im Prenzlauer Berg. Was lieben Sie an der Stadt? Und was fehlt Ihnen?
Berlin bleibt spannend, auch weil so viele Menschen aus aller Welt hierherkommen. Für Designer ist es aber im Kulturbereich nicht leicht. Sie werden zu selten als strategische Partner gesehen und zu oft als billige Dienstleister.
Ich würde mir freien Eintritt in alle städtischen Museen wünschen, damit der Kontakt mit Kultur zu einem alltäglichen Erlebnis für alle werden kann. Eben mal der Nofretete Guten Tag sagen, da könnte sich was anbahnen.
Zu guter Letzt: Könnten Sie bitte folgenden Satz vervollständigen: „Berlin ist…“
… im Frühling die schönste Stadt der Welt!
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