Von Europas größtem Verlagshaus zu einem führenden Technologieunternehmen: So lautet seit 2019 das Ziel bei Axel Springer. Schließlich machen digitale Aktivitäten bereits heute 73 Prozent des Konzernumsatzes aus. Vor allem Künstliche Intelligenz wird als Lösung der Zukunft eine tragende Rolle spielen. Der Überzeugung ist zumindest das deutsche Medienhaus, dessen lange Geschichte 1946 in Hamburg seinen Anfang nahm: Schon seit 2019 beschäftigt sich mit Axel Springer AI eine spezielle Einheit damit, „Axel Springer eines Tages zu einem AI-first-Unternehmen zu machen“, wie Dat Tran, Leiter der KI Unit, in einem Interview erklärte. Dazu gehöre einerseits, Maschinelles Lernen für jeden innerhalb des Konzerns zugänglich zu machen, Best Practises zu etablieren und neue Produkte sowie Dienstleistungen zu entwickeln. Zudem verankerte die Freetech – Axel Springer Academy of Journalism and Technology 2020 als erste Journalistenschule Künstliche Intelligenz im Lehrplan. Ab sofort werden die angehenden Medienleute mit Tech-Studierenden der Code-University ausgebildet. Schließlich sei es laut Nidda Salah-Ledin, Leiterin des Management-Boards der Academy, „erfolgsentscheidend“, Journalismus und Technologie miteinander zu verschränken, „denn an dieser Schnittstelle spielt die Zukunftsmusik“. Es ist eine Zukunftsmusik, die schon heute live aus dem Axel-Springer-Neubau in Berlin in die heimischen Wohnzimmer schallt.
Nachrichten aus dem High-Tech-Studio
Um 8.00 Uhr am 24.4.2021 schlug für Axel Springer eine geschichtsträchtige Stunde: Erstmals wurden die Welt-Live-Nachrichten aus dem Studio 1 des Axel-Springer-Neubaus gesendet. Die Ausstrahlung beendete eine 13-jährige Ära, in der das ehemalige „N24“ in den Studios am Potsdamer Platz produziert hatte. „Endlich wird auch für unser Publikum sichtbar, woran wir lange und mit viel Leidenschaft gearbeitet haben“, meinte Frank Hoffmann, GeschäftsführerWeltN24, in einer Pressemitteilung, „unser neues Nachrichtenstudio ist technisch und optisch absolut State-of-the-Art. Unsere Liveberichterstattung gewinnt noch einmal Bildstärke und Varianz.“
Tatsächlich lässt das hochmoderne Studio 1 kaum Wünsche offen: Auf 30 Metern bildet das „LED-Cyclorama“ aka „Sight-O-Rama“ einen variablen Studiohintergrund, auf dem verschiedene farbliche Stimmungen und Atmosphären dargestellt werden können. Vor den beweglichen LED-Wänden hängen wiederum neun hochauflösende LED-Screens. Sie lassen sich computergesteuert über die gesamte Studiowand bewegen und können einzeln oder in beliebiger Dreierkombination eingesetzt werden. Darauf werden Grafiken, Videos und Fotos zum jeweils aktuellen Thema abgebildet. Zudem können sie im Breitwandformat Panoramaansichten liefern und werden für Live-Schaltungen, Interviews oder Ähnliches genutzt, heißt es von Seiten Axel Springer. Damit kann auf wenig Fläche größte Variabilität erzielt und ein Studio in unterschiedliche Umgebungen verwandelt werden.
Studiotechnik © WeltN24 GmbH/Anne Hufnagl
Während Studio 1 für die Welt-Live-Nachrichten reserviert ist, fungiert Studio 2 im Axel-Springer-Gebäude als Hybridstudio. Im Greenscreen-Teil entstehen Nachrichten für ProSieben, SAT.1 und Kabel eins; im Realbereich wiederum werden der Michel Friedmann Talk „Open End“ und BILD live produziert.
Kameramann Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz kommt in beiden Studios, die eine Gesamtfläche von 175 m² ausmachen, zum Einsatz: Statt menschlicher Kameraleute setzen nämlich sogenannte Shotoku-Robotic-Kameras die Moderatoren und Gäste ins Bild. Zusätzlich erlauben an der Decke schwebende Camerarobots spektakuläre Kamerafahrten mit ruckfreien Bildsequenzen. Auch der Einsatz von Augmented Reality ist mit den Robotic-Kameras möglich. Gelenkt werden diese dabei nicht durch Menschenhand. Vielmehr orientieren sie sich AI-gesteuert selbst im Raum und kommunizieren über eine Software mit dem Programmablauf der Redaktion. Apropos Steuerung: Eine weitere technische Besonderheit der beiden Studios, die von Systemintegrator Qvest Media realisiert wurden, ist eine IP-gesteuerte Lichttechnik. Diese soll in ein zentrales Broadcasting-Monitoring integriert werden, um Licht, Bildtechnik, Ton und die Kamera-Robotik für die jeweilige Sendung bereits im Vornherein zu programmieren. Das wiederum reduziert nicht nur mögliche Anwenderfehler, sondern sorgt für ein stimmigeres Erlebnis für die Zuschauer.
„Medienzentrale für das Internetzeitalter“
Profitieren sollen nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Mitarbeitenden von Axel Springer von den neuen TV-Studios. „Es freut mich sehr, dass wir jetzt unter einem Dach zusammenarbeiten und unsere journalistische Kompetenz und Vielfalt noch konsequenter für alle Kanäle nutzen können“, sagt Frank Hoffmann, Geschäftsführer WeltN24. Mit der „Medienzentrale für das Internetzeitalter", wie das Haus sich selbst bezeichnet, geht auch die Erwartung einer engeren Vernetzung und eines besseren Wissensaustausches einher.
Mit den TV-Studios wurde jetzt der letzte Bereich des Axel-Springer-Neubaus, der am 6. Oktober 2020 offiziell eröffnet wurde, in Betrieb genommen. Bereits seit dem Frühjahr 2020 arbeiten die Redaktion von WELT Print und WELT Digital, WELT Fernsehen, aber auch die Shopping- und Vergleichsplattform idealo, Media Impact und verschiedene Zentralbereiche von Axel Springer im Gebäude, das mit seinen mehr als 52.000 Quadratmetern Raum für rund 3.500 Mitarbeitende bietet. Nur die „Bild“-Redaktion und der Springer-Vorstand bleiben wie gehabt im gegenüberliegenden goldenen Verlagshochhaus, das 54 Jahre zuvor eingeweiht wurde. Damals, nur sechs Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer, verlegte der Axel Springer Verlag seinen Hauptsitz von Hamburg nach Berlin – direkt an die innerdeutsche Grenze. Das goldene Hochhaus sollte angeblich die Sozialisten auf der anderen Seite ärgern und gleichzeitig die freie Presse im goldenen Westen symbolisieren.
Dreiklang: „Mensch“, „Raum“, „Technologie“
Heute durchzieht die Trennlinie der ehemaligen Mauer den Axel-Springer-Neubau und gliedert den kubusförmigen Bau nach einem Entwurf des Stararchitekten Rem Koolhaas von Office for Metropolitan Architecture in einen Nord- und Südteil. Verbunden werden diese durch eine Brücke, die diagonal durch das 45 Meter hohe, sich über neun Stockwerke ziehende Atrium verläuft. Dies thematisiere „das Zusammenwachsen der beiden ehemaligen Stadthälften“, so Koolhaas. Vereinen und Zusammenbringen soll das Gebäude, das sich am Dreiklang „Mensch“, „Raum“ und „Technologie“ orientiert, auch die Mitarbeitenden: Die terrassenförmig konstruierten zehn Stockwerke und 13 Brücken schaffen Verbindungen und setzen Anreize für physische Begegnungen im digitalen Zeitalter. Darüber hinaus sollen Glastrennwände für Transparenz sorgen; Podeste und Sitzstufen laden zum informellen Austausch ein und sind gleichzeitig vollwertige Arbeitsplätze. Auch der Dachgarten samt der nach Kohlhaas benannten Rem-Bar kann – je nach Bedarf – fürs Schaffen oder Pausieren genutzt werden. „Dieses Gebäude wird Axel Springer verändern, und ich verspreche, auch verbessern“, verkündete Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE bei der Eröffnung. Die Weichen für die Entwicklung zu einem führenden Technologieunternehmen sind gestellt…