Zukunftskopf: Co-Gründerin und CEO Aimie-Sarah Carstensen von ArtNight
Die Mission der Gründerin Aimie-Sarah Carstensen ist Kreativität zu einer Routine zu machen, die alle lieben. Wie sie das mit ArtNight schafft, erzählt sie uns im Interview. Mehr
Anika Wiest
E-mail: anika.wiest@senweb.berlin.de
Telefon: (030) 90138423
Der vergangene Monat Juni stand unter dem Titel „Pride Month“, ganz im Zeichen der Vielfalt. Doch während unsere Gesellschaft immer diverser wird, fehlt es im Arbeitsleben und auch im Alltag doch noch häufig noch an Akzeptanz und Toleranz. Dem entgegenzuwirken, hat sich die UHLALA Group zur Aufgabe gemacht. Pünktlich zum Berliner Christopher Street Day am 23. Juli 2022 haben wir mit Stuart Bruce Cameron, dem Gründer und CEO des LGBTIQ+ Social Business über dieBedeutung der LGBTIQ+ Community für den Arbeitsmarkt, „Rainbow-Washing“ und das Arbeitsumfeld in Berlin gesprochen.
Ihr seid als führendes LGBTIQ+ Social Business über die Grenzen Deutschlands hinweg bekannt und setzt euch für mehr Diversität und Empowerment von LGBTIQ+ People am Arbeitsplatz ein. Wie geht ihr dabei vor und welches Spektrum deckt ihr ab?
Wir richten uns zum einen natürlich an die LGBTIQ+ Community, zum anderen auch an Unternehmen, Organisationen und Arbeitgebende allgemein.
Die LGBTIQ+ Community unterstützen wir dabei, in der Arbeitswelt voranzukommen, passende Arbeitgebende kennenzulernen und sich mit LGBTIQ+-freundlichen Unternehmen zu vernetzen. Aber auch Networking innerhalb der Community, Erfahrungsaustausch, Empowerment und Inspiration ermöglichen wir mit unseren Communities und Events.
Mit Arbeitgebenden arbeiten wir im Bereich LGBTIQ+-Diversität zusammen. Wir stehen ihnen beratend zur Seite, entwickeln gemeinsam Strategien, geben Workshops, Trainings oder Awarenessschulungen – um so alle Mitarbeitenden, egal ob Praktikant:in oder Geschäftsführung, mit dem Thema vertraut zu machen. Dabei ist es uns wichtig, nicht mit dem Zeigefinger aufzutreten. Nicht jede:r weiß, was das Akronym LGBTIQ+ überhaupt bedeutet. Wir wollen die Menschen dafür sensibilisieren, ohne sie zu überfordern oder vor den Kopf zu stoßen. Die Leute sollen keine Angst haben, etwas Falsches zu sagen, nur weil mal ein schlechter Witz gemacht oder das falsche Pronomen benutzt wurde.
Ein weiterer Bereich unserer Tätigkeit liegt im Recruiting. Wir helfen dabei, Unternehmen LGBTIQ+-freundlicher zu machen und sie mit der Community zusammenzubringen. Gleichzeitig schaffen wir für die Community so Räume, in denen sie authentisch sie selbst sein kann und Arbeitgebende kennenlernen kann, die zeigen, wie sie Wertschätzung für LGBTIQ+ praktisch leben. Das passiert zum Beispiel auf unserer Jobmesse STICKS & STONES oder bei Events wie dem Unicorns in Tech Summit. Insgesamt arbeiten wir mit rund 200 Unternehmen jedes Jahr in unterschiedlichen Projekten zusammen. Bisher waren wir mehrheitlich mit den großen Unternehmen deutschlandweit und auch international in Kontakt. Mittlerweile kommt auch verstärkt der Mittelstand auf uns zu, was uns sehr freut. Denn auch hier wächst das Verständnis für Diversität und die Vorteile, die sie mit sich bringt.
Wie bedeutend ist Diversität für Unternehmen?
Es gibt zahlreiche Studien, die wiederholt zeigen und bewiesen haben, dass es einen positiven Effekt auf das Unternehmen hat, wenn Diversity, Inclusion und gelebte Wertschätzung gefördert werden. Wer sich als Unternehmen nachhaltig und strategisch Diversität verschreibt, profitiert auch finanziell massiv. Der Arbeitsmarkt ist aktuell angespannt und Arbeitgebende, die sich für Diversität einsetzen, positionieren sich als attraktive Arbeitgebende. Denn Umfragen belegen, dass es neuen und potentiellen Mitarbeitenden zunehmend nicht mehr nur um die Höhe des Gehalts, sondern um eine sinnstiftende Arbeit geht und darum, für ein Unternehmen zu arbeiten, das sie wertschätzt.
Letztendlich ist Diversität auch dann spannend und mitunter entscheidend, wenn man sich den Bereich der Produktentwicklung anschaut. Tüfteln nicht mehr nur weiße Männer in einem Raum an Produkten, sondern werden hier Menschen mit verschiedenen Blickwinkeln und Hintergründen einbezogen, kann man auf einen breiten Fundus an Expertise und Input zurückgreifen. Diese Mischung bringt bessere Resultate. Das Engagement für LGBTIQ+ Diversity ist unter dem Strich doch eine Win-win-Situation für alle: Für uns als LGBTIQ+ Community, für das Unternehmen und für alle Mitarbeitenden im Unternehmen.
Was können Unternehmen tun, die wirklich Diversität in ihre Arbeitskultur einbringen möchten? Welchen Rat würdet ihr Unternehmen geben, die noch ganz am Anfang stehen?
Ich empfehle immer allen: Fangt einfach an. Diversität kann man nicht kaufen, es ist eine Reise, die dauert. Wer jetzt damit anfängt, hat einen Wettbewerbsvorteil. Viele Unternehmen sind noch im Tiefschlaf und haben noch nicht begriffen, wie wichtig Gleichstellung ist – ob zwischen Männern und Frauen oder mit Blick auf die LGBTIQ+ Community. Diversität sollte die gleiche Bedeutung zugeschrieben werden, wie etwa den Bereichen Marketing oder Finanzen. Deswegen müssen Unternehmen Diversity aktiv angehen. Andernfalls werden sie auf Dauer verlieren.
Ein guter Anfangspunkt ist immer, den Blick auf das zu legen, was ist. Deswegen raten wir dazu, mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme zu beginnen: Wo stehen wir, was machen wir schon und wo haben wir noch Potential zur Verbesserung? Auf dieser Grundlage lassen sich ganz konkret Ziele formulieren und Maßnahmen ableiten. Das ist nachhaltig und viel effizienter, als blinder Aktionismus.
Der Juni gilt als Pride Month und in Berlin steht auch der Juli rund um den Christopher Street Day am 23.07. im Zeichen der gelebten Vielfalt. Es finden weltweit Aktivitäten statt, die die Rechte und Freiheit der LGBTIQ+ Community feiern, viele Firmen verpassen sich auf Social-Media-Profilen die Regenbogenflagge oder hissen sie vor ihren Gebäuden. Das ist ein gutes Zeichen, aber reicht das?
Wir wünschen uns, dass Unternehmen nicht in den eben angesprochenen Aktionismus verfallen. Zum Pride-Monat nach außen die Regenbogenflagge hissen und dann nach innen hin aber nichts verändern, fällt eindeutig unter diese Kategorie. Es kann sogar kontraproduktiv sein, nach außen zu kommunizieren, was nach innen nicht gelebt wird. Das ist oft Rainbow-Washing und zieht immer wieder Shit Storms oder sehr viel negative Berichterstattung auf sich. Als Unternehmen sollte man offen zeigen, wie man sich tatsächlich für die LGBTIQ+ Community einsetzt – ohne dabei perfekt sein zu müssen. Auch hier ist es empfehlenswert, den Status Quo zu erfassen.
Wenn wir als UHLALA Group beraten, gibt es dafür nicht den einen „10-Punkte-Plan“. Über die Regenbogenflagge hinaus sind aber die nachfolgenden Punkte gute Anzeichen für ein ernstgemeintes Engagement für LGBTIQ+: Für Diskriminierung am Arbeitsplatz etwa sollte eine Zero-Tolerance-Politik gelten. Je nach Größe der Organisation ist zum Beispiel auch ein internes LGBTIQ+-Netzwerk wünschenswert und klare Recruiting-Guidelines für die Personalabteilung. Statements von der Geschäftsführung, die sich für gelebte Diversität in der Unternehmenskultur aussprechen, unterstützen das Engagement. Allgemein ist gelebte Wertschätzung und echte Chancengerechtigkeit ein Prozess, der nicht über Nacht passiert. Das Strukturelle lässt sich kurzfristig neu organisieren – Papier ist geduldig. Was sich oft nicht so schnell verändert, ist die Unternehmenskultur. Dafür braucht es Schulungen, um alle Leute mitzunehmen. Das ist anstrengend und kann dauern – nach unserer Erfahrung manchmal drei bis fünf Jahre. Aber es lohnt sich in jedem Fall.
Wie findet man umgekehrt die richtigen Unternehmen, wenn einem eine LGBTIQ+-freundliche Arbeitsumgebung wichtig ist?
Man kann sich zunächst immer in seiner Community und dem eigenen Umfeld umhören. Außerdem lohnt es sich, die Unternehmen genau anzusehen und auf deren LGBTIQ+ Diversity Engagement hin zu untersuchen.
Mit unserem PRIDE Index machen wir das leicht, denn wir führen darin die teilnehmenden Arbeitgebenden ihrem LGBTIQ+-Engagement folgend auf. Zudem auditieren und zertifizieren wir Arbeitgebende. Wenn ein Unternehmen mindestens 60 Prozent der möglichen Gesamtpunktzahl in unserem PRIDE Audit erreicht, kann dieses Ergebnis mit unserem Arbeitgebendensiegel PRIDE Champion in Silber, ab 80 Prozent in Gold, ausgezeichnet werden. Da das Siegel nicht käuflich erworben werden kann, sondern an die Prüfung über das Audit gebunden ist, ist es ein ganz deutlicher und verlässlicher Indikator für gelebte Wertschätzung und Chancengerechtigkeit für LGBTIQ+.
Berlin gilt als sehr liberal und hat eine große LGBTIQ+ Community. Spiegelt sich das in der Arbeitswelt wider?
Die Community ist in Berlin insgesamt sichtbarer, auch in vielen Unternehmen ist das hier der Fall. In Brandenburg sieht das schon wieder anders aus. Auf dem Land halten sich die Leute eher zurück. Aber nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch auf der Straße spielt das Sicherheitsempfinden von und für LGBTIQ+-Menschen eine wichtige Rolle. Leider kommt es hier auch in Berlin zu Vorfällen, bei denen die Menschen diskriminiert, angeschrien, beschimpft oder sogar physisch angegriffen werden. Das Land Berlin führt dazu eine eigene Statistik, die es so in keinem anderen Bundesland gibt. Das ist toll, denn es belegt die Diskriminierungserfahrung vieler LGBTIQ+-Menschen. Damit sich aber die LGBTIQ+ Community sicherer fühlt, muss in der Hinsicht noch mehr unternommen werden.
Zum anderen ist in Berlin auch die kulturelle Vielfalt und die Vielfalt der Clubs einzigartig. In keiner anderen Stadt kann man so frei sein, wie hier in der Clubszene Berlins. Diese Freiheit gilt es zu verteidigen, sonst geht ein großes Stück Berlin verloren. Denn auch die Clubszene ist Anziehungspunkt für junge Talente, die sich dann auch in der Arbeitswelt wiederfinden. Meiner Meinung nach ist die Clubkultur in Berlin daher eng mit der Arbeitskultur verbunden. Und auch deswegen sollten wir uns für ihren Erhalt einsetzen.
Im Juni fand die von euch organisierte Karrieremesse STICKS & STONES zum dreizehnten Mal in Berlin statt. Wie ist Euer Fazit?
Die STICKS & STONES steht für Diversität in ihrer Gesamtheit und Berlin ist dafür der perfekte Standort. Es sind auch in diesem Jahr viele Besucher:innen gekommen, die sich nach neuen, LGBTIQ+-freundlichen Arbeitgebenden umgesehen haben oder sich von unseren Coaches Tipps zu Themen rund um Job und Karriere geholt haben. Nach zwei Jahren der Pandemie waren wir super happy, endlich wieder zurück vor Ort und in Farbe stattzufinden. Die STICKS & STONES wird nicht umsonst als „Rockstar unter den Job- und Karrieremessen“ bezeichnet: In unserer Haupthalle laufen Technobeats, das Rahmenprogramm ist eine Wucht und einzigartig. Mit über 200 Unternehmen und mehr als 2.500 Teilnehmenden aus ganz Deutschland und dem DACH-Raum konnten wir in diesem Jahr unsere erfolgreichste Messe seit Beginn feiern. Die Stimmung war den ganzen Tag über super und die Ausstellenden sehr zufrieden. Deswegen freuen wir uns umso mehr auf die bevorstehenden Events, etwa den Unicorns in Tech Summit im Oktober und natürlich auf die STICKS & STONES in Berlin im kommenden Jahr.
Danke für das Interview.
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