Das „Offene Testfeld Berlin“ (OTB-5G+) geht in die Testphase

Kategorie: Zukunftsköpfe

Collage Partner staBAK

v.l.n.r.: Dr.-Ing. Johannes Fischer, Dr.-Ing. Michael Peter, Prof. Dr. Volker Jungnickel, Alfons Mittermaier, Dr.-Ing. Kai Habel

© Fraunhofer Heinrich Hertz Institut / highstreet technologies GmbH

Seit 2019 läuft das Projekt, namens „OTB-5G+“, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel ist es, neuartige Lösungen für die 5G-Netzwerkarchitektur zu testen und diese Ergebnisse dann für künftige Anwendungen zur Verfügung zu stellen. Noch bis August 2022 soll das Projekt laufen. Wir haben das zum Anlass genommen, mehrere Partnerunternehmen wie das Fraunhofer Heinrich Hertz Institut (Fraunhofer HHI) und highstreet technologies GmbH sowie die Verantwortlichen der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (SenWEB) zum aktuellen Stand des Projekts zu befragen und erste Ergebnisse mit uns zu teilen.

Dr. K. Habel, Sie sind Projektleiter für die Abteilung Photonische Netze und Systeme am Fraunhofer HHI. Das BMBF-geförderte Projekt „OTB-5G+“ forscht seit nunmehr zwei Jahren an neuartigen Netzkomponenten für Mobilfunksysteme der fünften Generation und darüber hinaus. Mit welchen Zielen sind Sie gestartet?

Im Projekt ist geplant die neue Netzarchitektur für die fünften Mobilfunkgeneration (5G) inklusive aller wesentlichen Komponenten selbst zu bauen und zu untersuchen. In dieser Architektur wird die Luftschnittelle ergänzt durch ein glasfaserbasiertes Transportnetz (Ethernet, 10G PON, Drahtlosbrücken), ein softwaredefiniertes Cloud-Netz und ein mobiles Kern-Netz mit zentralisierter Steuerung. Die im Projekt entwickelten Technologien bzw. Systemkomponenten wurden für die Integration in das offene Testfeld im Bereich Campus TU-Berlin/HHI vorbereitet. Diese Integration erfolgt nun in der letzten Projektphase in Zusammenarbeit mit dem Verein „5G Berlin e.V.“ Die unterschiedlichen Forschungsthemen wurden hier im Verbund zusammengefügt.

Welche Schritte sind in den verbleibenden Monaten des abschließenden Projektjahres 2022 noch geplant?

Im letzten Projektabschnitt ist geplant die Installation der Glasfaser- und Mobilfunkinfrastruktur abzuschließen. Dazu gehören insbesondere die Installationen an den Straßenlaternen im Umfeld des Fraunhofer HHI. Auch wenn Einzelanwendungen nicht im Fokus des Projekts stehen, werden ausgewählte Use-Cases die Leistungsfähigkeit des entstandenen Netzes demonstrieren. Eine erste Demonstration zum Thema „slicing“ wird im März 2022 stattfinden.

Dr. V. Jungnickel, auch Sie sind am Fraunhofer HHI tätigundGruppenleiter im Bereich Optische Metro-, Zugangs- und Inhausnetze. Welche Ergebnisse haben Sie als Forschungseinrichtung in diesem Projekt erreichen können? Welche Auswirkungen werden die Ergebnisse haben?

Ein Forschungsaspekt im Projekt war die Übertragung von WiFi-Signalen mit Hilfe optischer Drahtlosübertragung (LiFi). Dieses Thema wurde in Zusammenarbeit mit der TU Berlin bearbeitet und auch als einfache Lösung in den Standard IEEE P802.11bb eingebracht.

Weiterhin wurden wichtige Erfahrungen zur Netzverdichtung im Außenbereich im städtischen Umfeld gesammelt und alternative Konzepte für die drahtlose optische Vernetzung entwickelt.

Im Projekt arbeiten auch die Teams "mm-Welle" und "Digitale Signalverarbeitung" an den Themen Funkzugangsnetz (Radio Access Network) und verteiltes Maschinelles Lernen. Dr. M. Peter und Dr. J. Fischer können Sie uns als Gruppenleiter dieser zwei Teams sagen, welche Ergebnisse Sie im Projekt OTB-5G+ auf Ihren Themengebieten bereits erreicht haben?

Peter: Das Projekt spielte eine zentrale Rolle beim Ausbau des 5G-Testfelds. In engem Austausch mit Netzausrüstern und Systemintegratoren konnten wir als Forschungsinstitut zu einem frühen Zeitpunkt der 5G-Entwicklungen auf RAN-Komponenten zugreifen und Integrationstests durchführen – insbesondere auch im Bereich der O-RAN-Systeme mit offenen Schnittstellen. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse bilden die Basis für Eigenentwicklungen spezifischer Hardware- und Software-Systemkomponenten, die beispielsweise auf spezielle Anforderungen in Campusnetzen für industrielle Anwendungen zugeschnitten sind und großes Verwertungspotential besitzen.

Fischer: Ein zentraler Aspekt des Projektes war der Aufbau eines optischen Metronetzes mit verteilter Rechenkapazität (Edge Computing) in den Netzknoten. Diese Infrastruktur erlaubt die praxisnahe Erprobung von neuesten Methoden des verteilten Maschinellen Lernens für die Automatisierung von Kommunikationsnetzen. Basierend auf der Metronetzinfrastruktur konnte eine KI-Dienstplattform für föderiertes Lernen (https://www.hhi.fraunhofer.de/en/departments/pn/products-and-solutions/dlfi-the-distributed-learning-framework.html) anhand eines Anwendungsfalles aus der Netzautomatisierung erfolgreich demonstriert werden. Die Demonstration (https://youtu.be/5b6YyWEdDqE) wurde auf der europäischen Leitkonferenz ECOC mit dem Best Demo Award ausgezeichnet.

Dr. K. Habel, können Sie uns abschließend einen Ausblick über das Projektende hinaus geben? Wie sollen die Ergebnisse angewendet werden und wie wird das Erreichte danach weiter genutzt?

Wie bereits erwähnt, ist durch die Zusammenarbeit mit dem Verein 5G Berlin e.V. geplant, die Infrastruktur über das Projektende hinaus aufrecht zu erhalten und für die Weiterentwicklung des Mobilfunks in Richtung der sechsten Generation zusammen mit den Partner:innen aus Forschung und Industrie zu nutzen.

Als Geschäftsführer der highstreet technologies GmbH hatte auch Herr Mittermaier viele Berührungspunkte mit dem Projekt. Herr Mittermaier, welche Ergebnisse haben Sie als Projektpartner und Berliner KMU bisher erzielen können? Wie unterstützt die Teilnahme an einem geförderten Forschungsprojekt Ihre eigene Entwicklungstätigkeit und allgemein die technologische Leistungsfähigkeit der KMU in dieser Branche?

Eines der Ziele des Projektes „OTB-5G+“ ist die Unterstützung des Innovationsclusters 5G Berlin beim Aufbau eines 5G-Testnetzes auf dem Campus der TU Berlin. highstreet technologies trägt dazu das sogenannte Service Management & Orchestration bei, mit Hilfe dessen das Netz gesteuert und überwacht wird. Anhand des 5G Berlin-Testnetzes können wir unseren Kund:innen glaubwürdig und live demonstrieren, dass wir die unterschiedlichen Mobilfunk- und Transporttechnologien erfolgreich zu einem Netz integrieren können und mit unseren Partner:innen effektiv an neuen Architekturen und innovativen Technologien arbeiten.

Neben zahlreichen Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und Industrie ist auch die SenWEB in das Projekt involviert. Als Projektmanagerin betreut Frau Stefanie Bauling die Umsetzung von Anfang an und ist dabei in regelmäßigem Austausch mit den beteiligten Unternehmen.Frau Bauling, die SenWEB ist ein Partner im Projekt „OTB-5G+“ und vertritt die Berliner Verwaltung. Können Sie bitte einmal zusammenfassen, welchen Forschungsanteil die SenWEB im Projekt hat und wie das Projekt davon profitieren kann?

Der Projektanteil der SenWEB trägt den Titel: Innovative Ansätze zur Realisierung eines an städtischen Zielen orientierten 5G-Mobilfunkausbaus im öffentlichen Straßenland unter Optimierung unterstützender und digitalisierter Verwaltungsprozesse. Hierfür wird eine neue 5G-Mobilfunkinfrastruktur auf dem Testgelände in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf aufgebaut.

Im Detail sollen die bauliche Umsetzung und Anbindung dieser Infrastruktur (hier Mikrozellen) in der Zusammenarbeit mit involvierten Behörden und Unternehmen geprüft und innovative Ansätze sowie Optimierungsvorschläge zur Realisierung entwickelt werden. Hierfür ist die SenWEB zuständig.

Dies erfordert eine ausführliche Betrachtung aller Themen, nicht nur der physischen Eigenschaften der Mobilfunktechnik und deren technischer Charakteristik, sondern auch der baulichen Gegebenheiten, der damit verbundenen Kosten und der administrativen Verfahren diese Standorte umzusetzen. Durch die umfangreiche Vorarbeit verfügt die SenWEB bereits über umfassende Kenntnisse zu Themen wie: standardisierte Aufbauvarianten (Unterbringung von Systemtechnik und Antennen, Leitungsführung), Energieversorgung (Anschlussart, Stromzähler, SLA), Identifikation nutzbarer bzw. nicht nutzbarer Lichtmasten (Denkmalschutz, kontinuierliche Stromversorgung, Statik) und rechtliche Festlegungen (Identifikation des Kreises der Berechtigten, Haftung, Wartungskosten, etc.). Diese Erkenntnisse haben wir bereits und werden diese weiterhin in das Projekt „OTB-5G+“ einbringen, um es zum Erfolg zu führen.

Können Sie einmal einen Zwischenstand geben, was Sie bisher umsetzen konnten? In welche Prozesse werden die Erkenntnisse einfließen oder sind sie das schon?

Das Ergebnis unserer bisherigen Arbeit in „OTB-5G+“ sind neuartige, normenkonforme Gehäuse zur Aufnahme der Stromversorgungs- und Mobilfunktechnik unter dem Produktnamen „staBAK“. An der Entwicklung der staBAK-Aufbauvarianten war ein Netzwerk aus 17 relevanten Industrievertreter:innen beteiligt, welches seine Anforderungen und Erfahrungen hat einfließen lassen. Diese entstandenen staBAK-Gehäuse werden nun zusammen mit den technischen Installationen prototypisch im Testfeld „OTB-5G+“ verbaut, mit den Partnern evaluiert und die Erkenntnisse dokumentiert.

Die staBAK-Designs haben wir für das Land Berlin als Geschmacksmuster beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) schützen lassen. Die SenWEB vergibt per Lizenz die Informationen über die Konstruktionspläne an interessierte Firmen, Städte und kommunale Institutionen kostenlos. Damit sollen die Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um daraus hohen Nutzen für die umfassende Anwendung im Infrastrukturausbau zu ziehen.

Teil des Projekt-Teams der SenWEB ist ebenso Dr. Ing. Frank Schramm aus der Fachgruppe Digitalisierung, IKT-Wirtschaft und digitale Infrastruktur, Open Data – Fachgruppenleitung (komm.) und Referent Mobilfunk & IoT.

Herr Dr. Schramm, welche Relevanz hat die Mitarbeit der SenWEB für dieses Projekt sowie für die darüberhinausgehenden Aufgaben der SenWEB? Bitte umreißen Sie die Bedeutung für die fortlaufende Verwaltungsarbeit, die Verwaltung in Forschungsprojekte dieser Art einzubeziehen.

Im Dezember 2021 trat das überarbeitete Telekommunikationsgesetz (TKG) in Kraft. Dieses überführt den EU-KODEX European Electronic Communications Code (EECC) in nationales Recht und stellt eine verbesserte Rechtsgrundlage für die Mitnutzung von Trägerstrukturen im öffentlichen Straßenland, wie Lichtmaste, dar. Die SenWEB hat durch Kommentierungen und Mitarbeit in den Arbeitsgruppen der Bundesländer diesen Prozess mitgestaltet.

Neben der Rechtsgrundlage geht es aber auch um konkrete Regelungen technischer und organisatorischer Vorgaben. Diese sind die Voraussetzung, um von einer Fall-zu-Fall-Entscheidung zu allgemeingültigen Vorgehensweisen zu kommen, welche für eine große Zahl von Trägerstrukturen für Kleinzellen gelten. Dies wiederum senkt den Aufwand, sowohl bei Mobilfunknetzbetreibern als auch in der Verwaltung, sodass die Errichtung von mehr Kleinzellenstandorten in kürzerer Zeit möglich wird.

Die notwendigen technischen und organisatorischen Vorgaben können aber nur aus konkreten Projekten gewonnen werden. Dabei liefert uns die aktive Mitarbeit im Projekt „OTB-5G+“ wertvolle Ergebnisse. Die SenWEB steht mit anderen Städten und Gemeinden im Austausch zum Thema des Mobilfunkausbaus mit Kleinzellen. Dabei zeigt sich auch das große Interesse an den Erfahrungen aus dem Projekt „OTB-5G+“.

Die Realisierung einer 5G-Modellregion in Berlin fußt auf vielen Akteur:innen. Ein Baustein dafür sollen die von der SenWEB im Projekt „OTB-5G+“ erarbeiteten umfassenden, generellen Lösungen und Verfahrensweisen für die Umsetzung der neuen Mobilfunkgeneration sein. Diese werden unter den Gesichtspunkten Effizienz und Effektivität für einen dauerhaften, großflächigen Einsatz entwickelt und sollen auf andere Regionen übertragbar sein.

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