Dr. Mathias Petri und David Niehaus, Initiatoren des BMWi-geförderten Projektes PlanQK

Kategorie: Zukunftsköpfe

David Niehaus (l.) und Dr. Mathias Petri (r.) © Stoneone AG

David Niehaus (l.) und Dr. Mathias Petri (r.)

© Stoneone AG

Das von StoneOne geführte Konsortium „PlanQK“ ist im KI-Wettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) ausgezeichnet worden und soll als gemeinsamer Kristallisationspunkt für Quantenunterstützte Künstliche Intelligenz (QKI) dafür sorgen, dass Deutschland in dieser Entwicklung eine technologische Expertenrolle einnimmt und besonders auch dem Mittelstand die Nutzung dieser Schlüsseltechnologie ermöglicht.

Im Interview mit Projekt Zukunft erläutern Dr. Mathias Petri, Mitgründer und CSO der Stone One AG, und David Niehaus, Produktmanager Quantencomputing & KI, die Bedeutung von Quantencomputing und stellen PlanQK, ein Leuchtturmprojekt des BMWi, ausführlich vor.

Quantencomputing und Künstliche Intelligenz werden in den nächsten Jahren die Bereiche Datenverarbeitung und Datenanalyse revolutionieren – doch was ist Quantencomputing genau?

David Niehaus: Hierbei handelt es sich um eine komplett neue Art des Rechnens: Register und Speicherinhalte können mehrere Werte gleichzeitig in Überlagerung enthalten und Befehle wirken sich simultan auf all diese Werte aus. Auf Basis quantenmechanischer Zustände und das Ausnutzen dieser können Quantencomputer sehr viel schneller als herkömmliche Supercomputer arbeiten. Die Kapazität wird dabei meistens in Qubits angegeben.

Dr. Mathias Petri: Der besondere Vorteil liegt bei der Berechnung von Problemen mit einer großen Anzahl von Variablen, da diese Vielzahl an möglichen Lösungen sehr viel besser simuliert und analysiert werden kann. Es findet also eine Geschwindigkeitssteigerung durch die Parallelisierung der Rechenschritte statt.

Ein universell nutzbarer Quantencomputer soll Entwicklungszeiten von bis zu 15 Jahren benötigen – wo stehen wir hier in der Entwicklung in Deutschland? Sind wir hier auf dem Weg zum Spitzenreiter?

Niehaus: Die Roadmaps großer Hersteller von Quantencomputern sehen hier bereits 1 Million Qubits Ende des Jahrzehnts vor, insofern sehen wir die Nutzbarkeit für erste Anwendungsfälle bereits in den nächsten Jahren, in denen Quantencomputer mit drei- bis vierstelligen Qubitzahlen verfügbar werden. In der reinen Hardwareentwicklung von vollständigen Quantencomputern ist Deutschland aktuell noch im Mittelfeld, es gibt hierzulande mehrere spezialisierte Zulieferer und Unternehmen mit spannenden Ideen; das birgt viel Potenzial.

Petri: In der entsprechenden Roadmap der Bundesregierung wird großer Wert auf die deutsche und europäische Unabhängigkeit gelegt. Somit wird Deutschland, im Verbund mit europäischen Partnern, dieses Rennen bestimmt mit eigenen Entwicklungen ergänzen. In dieser Roadmap sind auch Konzepte enthalten, um insbesondere die Nutzung von Quantencomputern in Deutschland zu forcieren. Dieser Fokus auf Nutzbarmachung ist auch für uns als Unternehmen sehr spannend und wir erkennen hier bereits jetzt die zusätzliche Ansiedlung entsprechender Aktivitäten von internationalen Firmen in Deutschland.

Die Analyse von Daten mithilfe von KI-Methoden soll die Arbeit in Unternehmen produktiver und effektiver gestalten. Warum stoßen klassische Computer, die für diese Verfahren eingesetzt werden, immer mehr an ihre Grenzen?

Niehaus: Gerade die Anzahl der Variablen überfordert klassische Computer ab einem bestimmten Punkt. Im selben Zuge werden KI-Modelle auch immer genauer, je besser sie die jeweiligen Einsatzumstände des KI-Modells wiedergeben. Um also präziser zu arbeiten, werden KI-Modelle immer komplexer und damit rechenintensiver. KI-Modelle die also Unternehmen produktiv unterstützen sollen, bringen klassische Computer gleichzeitig an das Leistungsmaximum und darüber hinaus.

Um klassische Computer nachzurüsten und Quantencomputing Anwender*innen und Nutzer*innen zugänglich zu machen, haben Sie die Plattform „PlanQK“ entwickelt. Können Sie mehr darüber erzählen?

Petri: PlanQK ist ein Leuchtturmprojekt des BMWi, um Deutschland im Technologiefeld Quantenunterstützte Künstliche Intelligenz wettbewerbsfähig zu platzieren. Die Projektidee geht zurück auf gemeinsame Überlegungen mit der Universität Stuttgart, wonach wir sowohl eine Plattform zur Ausführung von Quanten-Apps für Unternehmen brauchen, als auch mit konkreten Anwendungsfällen belegen wollen, was für ein Potenzial in Quantenunterstützter Künstlicher Intelligenz steckt.

Niehaus: Darüber hinaus sind auch noch wissenschaftliche Arbeiten nötig, um die aktuell recht kleine Zahl von Quantenentwicklern mit verschiedenen Werkzeugen weiter zu befähigen und ein entsprechendes Berufsbild zu schaffen. Dazu arbeiten wir mit einem Konsortium von 19 Unternehmen und Institutionen zusammen – quer über alle Größenordnungen und Industrien verteilt. Als Konsortialführer koordinieren wir zusammen mit der Universität Stuttgart, die die wissenschaftliche Leitung innehat, die Aktivitäten dieses Konsortiums, knüpfen Kontakte zu weiteren interessierten Institutionen und fokussieren uns auf die Entwicklung der Plattform.

Was sind und waren die größten Herausforderungen?

Niehaus: Aufgrund des Frühstadiums der Technologie sehen wir uns mit mehreren Herausforderungen konfrontiert: Zuallererst muss natürlich die Expertencommunity befähigt werden, über die Plattform zusammenzuarbeiten und Implementierungen gemeinsam weiterzuentwickeln. Gleichzeitig gilt es die Industrie vom Nutzen und dem Produkt zu überzeugen, dafür arbeiten wir im Konsortium an knapp 30 Use Cases, um den praktischen Einsatz zu demonstrieren. Und natürlich muss letztendlich die entsprechende Plattform gebaut werden, die Zugang zu den verfügbaren Quantencomputern hat, sowie für Unternehmen, Entwickler*innen und Expert*innen nutzbar ist. Es ist also ziemlich viel zu tun.

Es sind 19 Partner involviert – wie funktioniert hier die Zusammenarbeit?

Petri: Das PlanQK-Konsortium ist eine klassische Projektorganisation, die in mehrere Arbeitskomplexe unterteilt ist. Diese Arbeitskomplexe werden jeweils von einem Konsortialpartner verantwortet, um sicherzustellen, dass wir die Ziele im Rahmen des zeitlich begrenzten Forschungsvorhabens erreichen. Darüber hinaus gibt es klare Vereinbarungen bezüglich der Verwertung der Forschungsergebnisse, sodass Konflikte aufgrund unklarer Zugehörigkeit geistigen Eigentums von vorne herein ausgeschlossen sind.

In welchen Bereichen wird PlanQK bereits erfolgreich eingesetzt?

Petri: Die eben angesprochenen Anwendungsfälle reichen von der Materialentwicklung im pharmakologischen Bereich über die Werkslogistik bis hin zur IT-Sicherheit. Es ist also eine Technologie, die wirklich für jede Industrie nutzbar sein kann.

Wenn wir in die Zukunft schauen – 40 weitere assoziierte Partner sind schon dabei. Wo sehen Sie PlanQK in fünf Jahren?

Niehaus: PlanQK wird durch Unternehmen jeder Größe und wissenschaftliche Institutionen in Deutschland, aber auch international, eingesetzt: Entwickler und Berater nutzen die Plattform, um sich voll auf ihre Stärken im Bereich der Quantenapplikationsentwicklung zu konzentrieren und lassen den Vertrieb über die Plattform laufen. Unternehmen können im Gegenzug benötigte Expertise zum Einsatz von Quantencomputern ressourcengünstig buchen.

Darüber hinaus wird es auch in fünf Jahren noch großen Forschungsbedarf im Bereich von Quantenapplikationen geben; daher ist die weitere Zusammenarbeit mit akademischen Institutionen weiterhin sehr wichtig.

Können Sie noch ganz kurz etwas über Ihr Unternehmen erzählen – was sind Ihre Visionen?

Petri: StoneOne ist vor 13 Jahren in Berlin gegründet worden, um digitale Transformations- und Entwicklungsprojekte in Cloud-Umgebungen umzusetzen. Mit der Marke Anaqor bieten wir nun eine Plattform, Apps und Services an, um Unternehmen jeder Größe Quantencomputing und Künstliche Intelligenz zu ermöglichen.

Und welchen Stellenwert hat Berlin für Unternehmen, die sich auf dem Gebiet der innovativen Technologien einen Namen machen – wie werden Sie noch gefördert?

Petri: Wir sind ein sehr forschungsorientiertes und innovatives Unternehmen und haben schon in verschiedenen regional und national geförderten Forschungsprojekten mitgearbeitet, oft als Konsortialführer. Berlin ist ein sehr attraktiver Standort, aufgrund regionaler Fördermöglichkeiten, exzellenter wissenschaftlicher Einrichtungen und hoher Attraktivität für qualifizierte IT-Fachkräfte. Das ProFit-Programm der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe ermöglichte uns durch die Förderungen damals die ersten Entwicklungsschritte. Darüber hinaus arbeiten wir mit dem Land Berlin über unsere Mitgliedschaft beim SIBB e. V. ebenfalls eng zusammen, um Angebote für die regionale IT-Industrie zu platzieren.

Was wünschen Sie sich von der Stadt/ der Politik für innovative Startups? Was könnte noch verbessert werden?

Petri: Berlin als Stadt ist, wie gesagt, für viele Arbeitnehmer*innen und Studierende bereits sehr attraktiv. Um im Bereich Quantencomputing weiter zu wachsen, würden wir unter anderem den Ausbau entsprechender Studienangebote begrüßen, die dann auch die Ansiedelung entsprechender Unternehmen unterstützt.

Niehaus: Wir würden natürlich auch sehr gern am Standort Berlin quantenunterstütze Projekte angehen und umsetzen, im öffentlichen Bereich etwa technische Defektidentifikation und Frühwarnsysteme.

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