Futurium: Ein Blick in das Haus der Zukünfte

Kategorie: Zukunftsköpfe

Dr. Stefan Brandt, Direktor des Futuriums

©Jan Windszus

Im September 2019 öffnete das Futurium seine Pforten. Direkt an der Spree gelegen, zwischen Hauptbahnhof und Reichstagsufer, lädt der futuristische Bau mit den großen Panoramafenstern dazu ein, einen Blick in die Welt von morgen zu werfen: Wie wollen wir leben? Wie lässt sich zusammen die Zukunft gestalten? Gemeinsam mit seinen Besucher:innen will das Futurium ein Verständnis für die wichtigen Fragen der Zukunft schaffen, den Diskurs ermöglichen und letztendlich zum Handeln ermutigen.

Denn das Futurium ist nicht nur ein Museum mit wechselnden Ausstellungen auf rund 5.000 Quadratmetern: So werden Foren angeboten, um gemeinsam zu diskutieren, im Futurium Lab können größere Gruppen innerhalb von Workshops an gemeinsamen Entwürfen für die Zukunft basteln und speziell für Kinder und Familien werden an den Wochenenden Führungen angeboten. Es werden dabei absichtlich keine fertigen Lösungen präsentiert, vielmehr sollen die Besucher:innen selbstständig zum Tüfteln und Nachdenken angeregt werden.

In den letzten vier Jahren ist das Futurium zu einer großen Attraktion in Berlin geworden – und das trotz der coronabedingten Schließzeiten: Mehr als 1,5 Millionen Besucher:innen tauchten in die Welt der Zukunft ein und besuchten die wechselnden Ausstellungen. Es gehört inzwischen zu den Top 10 der meistbesuchten Museumsorte in der Hauptstadt.

Im Gespräch mit Projekt Zukunft gibt Direktor Dr. Stefan Brandt, für die inhaltliche Leitung des Hauses verantwortlich, einen spannenden Einblick in den aktuellen Themenschwerpunkt „Zukünfte der Demokratie“. Der Kulturmanager schaut mit uns außerdem zurück auf die Anfänge das Futuriums, gibt einen Ausblick auf kommende Ausstellungen und sagt, warum sich gerade Skeptiker:innen die Ausstellung anschauen sollten.

Seit dem 16. März dieses Jahres widmet sich das Futurium den „Zukünften der Demokratie“. Warum nutzen Sie den Plural – weil es nicht die eine vorhersehbare Zukunft gibt?

Dr. Stefan Brandt:
Genau, wir sind ja im Futurium keine Wahrsager:innen und haben auch keine Glaskugel. Als wir 2019 anfingen, erregte die Verwendung des Plurals noch großes Erstaunen beim Publikum und bei den Medien. Inzwischen haben sich „Zukünfte“ – vielleicht ja auch dank unserer konsequenten Verwendung des Begriffs – etabliert und sind sogar im Online-Duden zu finden.

Sie tauchen in Ihrer aktuellen Ausstellung tief in das Thema „Demokratie“ ein. So sind Talks, Führungen, Workshops und sogar ein Spielbrett geplant. Welche weiteren Highlights dürfen die Besucher:innen auf keinen Fall verpassen?

Brandt:
Wie es die Besucher:innen inzwischen schon von uns kennen, behandeln wir das Thema „Demokratie“ in all unseren Programmsäulen: In der Ausstellung, im Futurium Lab mit dem Workshop-Programm und in unserem Veranstaltungsforum, und das sowohl analog als auch digital. Da es ein vernetztes Herangehen ist, fällt es mir schwer, einzelne Highlights herauszugreifen.

Der Futurium-Stil ist durch eine Vielfalt an Methoden und Formaten gekennzeichnet, um möglichst viele Zugänge zu schaffen. Wie Sie schon sagten: Es gibt unter anderem interaktive Ausstellungsexponate, Workshops, ein eigens entwickeltes (und auch online downloadbares) Spiel mit dem Titel „Krasse Kompromisse“, künstlerische Aufführungen, die Gesprächsreihe „Dating Democracy“ – die den ganzen Horizont unserer Beschäftigung mit dem Demokratie-Thema von globalen Aspekten über Partizipation, Digitalisierung und die Rolle von Verwaltung bis hin zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik abbildet – aber auch einen Audiowalk, der Stationen des Berliner Regierungsviertels zusammenbringt mit utopischen Zukunftsszenarien, oder ein Themenheft mit individuellen Perspektiven von Menschen auf die Demokratie in Deutschland.

Die Zukunft stellt sich für viele Menschen gerade bedrohlich dar: Klimawandel, der Krieg in der Ukraine mitten in Europa – die Angst vor Jobverlust durch zunehmende Automatisierung. Können Sie diesen Ängsten mit optimistischen Zukunftsszenarien entgegentreten?

Brandt:
Klar, wir sind dahingehend optimistisch, dass wir an die Gestaltbarkeit von Zukunft glauben. Denn wer außer uns Menschen, die wir jetzt auf diesem Planeten leben, kann eine nachhaltige Zukunft gestalten? Aber zugleich wollen wir keine rosaroten Luftschlösser bauen. So stellen wir neben den Chancen auch die Risiken von potenziellen Zukunftstechnologien vor. Dabei helfen uns viele Wissenschaftler:innen, die inhaltlichen Input geben oder selbst in Videointerviews Stellung beziehen. Ich glaube, mit dieser optimistisch-realistischen Herangehensweise erreichen wir auch viele Menschen, die skeptisch auf die Zukunft blicken.

Kann man also sagen: Die Demokratie von morgen ist eng mit den brennenden Themen von heute verbunden?

Brandt:
Wir stellen in unserem Demokratie-Schwerpunkt ganz bewusst die Frage: Wie können, wie müssen sich vielleicht sogar Demokratien verändern, um den großen Zukunftsherausforderungen besser gerecht zu werden? Die brennenden Themen wie Klimawandel, Digitalisierung, demographischer Wandel, aber auch Wehrhaftigkeit von Demokratie angesichts kriegerischer Bedrohungen denken wir im Futurium also immer mit.

Und ja, mit unserem Handeln in der Gegenwart prägen wir – ob bewusst oder unbewusst – die Zukunft von Demokratie. Vereinfacht könnte man es so sagen: In unseren Köpfen entstehen Zukunftsbilder – „Zukünfte“, die uns in die Lage versetzen können, Zukunft zu gestalten. Und wir im Futurium möchten Menschen dazu ermutigen, ihre Phantasie zu nutzen, um solche Zukunftsbilder gemeinsam zu entwickeln. All unsere Exponate, Workshops und Veranstaltungsformate dienen diesem einen Ziel: die „Future Literacy“ möglichst vieler Menschen zu stärken.

Gestartet sind Sie im September 2019. Wenn Sie die letzten dreieinhalb Jahre Revue passieren lassen – wie ist die Resonanz? Welche Besucherzahlen konnten Sie (unabhängig von Corona) bisher verzeichnen?

Brandt:
Die Resonanz hat alle unsere Erwartungen übertroffen. Zum Zeitpunkt der Eröffnung hatten wir uns das Ziel gesetzt, pro Jahr 200.000 Besucher:innen zu erreichen. Nicht wenige hielten dieses Ziel für überambitioniert. Jetzt, rund dreieinhalb Jahre nach der Eröffnung, sind es trotz diverser Corona-Lockdowns schon insgesamt über 1,5 Millionen Besucher:innen. Das entspricht im Schnitt über 420.000 Menschen pro Jahr, also mehr als dem Doppelten der ursprünglichen Erwartung. Inzwischen gehören wir zu den Top 10 der meistbesuchten Museumsorte Berlins, das hätten wir zum Start nicht für möglich gehalten.

So sind Sie unter anderem angetreten, alle Schichten der Bevölkerung – auch international zu erreichen. Ist Ihnen das gelungen?

Brandt:
Die Besucher:innenbefragungen zeigen in der Tat eine große Bandbreite des Publikums. Natürlich viele junge Menschen, da übertreffen wir die Durchschnittswerte der Berliner Museen deutlich. Auch der Anteil von Menschen ohne akademischem Hintergrund liegt in unserem Publikum höher, als im Schnitt der anderen Häuser. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass wir Besucher:innen erreichen, die Museumsorte sonst nicht so häufig aufsuchen.

Was die Resonanz bei internationalen Besucher:innen angeht, war diese natürlich bis Sommer 2022 durch die Corona-Maßnahmen beeinträchtigt. Der Tourismus hat sich seither schrittweise wieder erholt, und es gibt immer mehr internationales Publikum im Haus. Es haben ja auch viele Medien weltweit über das Futurium berichtet.

Ein wichtiges Thema – auch gerade in der Hauptstadt – ist die zukünftige Mobilität. Können Sie hier ebenfalls Antworten geben? Oder können Besucher:innen in gemeinsamen Gesprächen und Workshops eventuell sogar gemeinsam eine Antwort finden?

Brandt:
Mobilität ist das erste Schwerpunktthema, das wir Ende 2021 ins Futurium als „Update“ unserer bestehenden Ausstellung und unserer Programmangebote eingeführt haben. Wir wollen ungefähr alle ein- bis anderthalb Jahre einen solchen Impuls setzen. Mit Blick auf Mobilität stellen wir neue Konzepte zur urbanen und ländlichen Mobilität vor, weisen aber auch auf globale Rahmenbedingungen hin. Auch die großen Fluchtbewegungen unserer Zeit haben etwas mit Mobilität zu tun – freilich häufig mit erzwungener Mobilität, die zudem durch Grenzziehungen aller Art geprägt ist, derer wir uns in Deutschland meist nicht bewusst sind.

Berlin zieht nach wie vor viele Künstler:innen und Kreative an – es gründen sich immer neue Startups. Wo sehen Sie hier weiteres Potenzial in der Zukunft?

Brandt:
Es gibt den berühmten Satz des Kunstkritikers Karl Scheffler aus dem Jahre 1910, Berlin sei „dazu verdammt: immerfort zu werden und niemals zu sein“. Ins Positive gewendet heißt das: Diese Stadt ist immer auf Veränderung aus, das vermeintlich Unfertige ist hier Programm und Alleinstellungsmerkmal. Und so war es offenkundig schon vor über 100 Jahren.

Insofern glaube ich, dass Berlin stets eine „vibrant city“ sein wird und sich immer wieder neu erfindet. Dass dabei Künstler:innen, Kreative und Startups eine entscheidende Rolle spielen, versteht sich von selbst.

Berlin ist ein international stark beachteter Standort der Medien- und Kreativwirtschaft, welche Ausstellungen sind in Zukunft geplant, die sich explizit mit diesem Wirtschaftsfaktor auseinandersetzen?

Brandt:
Künstler:innen und Medienschaffende sind in die Erarbeitung aller unserer Themen involviert. Wir gehen ja interdisziplinär vor und bringen wissenschaftliche Ausarbeitungen mit künstlerischen Herangehensweisen zusammen. Auf diese Weise verknüpfen wir Information und emotionale Erfahrung, was wiederum die Chance erhöht, dass sich Inhalte bei den Menschen stärker verankern.

Man könnte hier in Anlehnung an den Soziologen Hartmut Rosa auch von „Resonanzerfahrungen“ sprechen. Wir arbeiten bereits an den nächsten Schwerpunktthemen. Ab Frühjahr 2024 werden wir uns mit der Thematik „Rohstoffe“ beschäftigen, die durch die geopolitischen Schocks der letzten Jahre nochmals an Bedeutung gewonnen haben. Also erneut ein brisantes Thema, das unbedingt ans Futurium gehört!

 

Kontakt

Katrin Tobies

Digitalwirtschaft, Startups, Steuerung Projekt Zukunft

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