Henri Kretschmer von Virtenio

Kategorie: Zukunftsköpfe

© Virtenio GmbH

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Datenerfassung, drahtlose Kommunikation und die Optimierung von Logistikprozessen – das ist kurz zusammengefasst das Geschäftsmodell von Virtenio. Den funkbasierten Netzwerken des Startups entgeht nichts: Sei es die zu hohe Temperatur im Transportraum eines Schiffes, die plötzliche Erschütterung von Waren oder die zu hohe Luftfeuchtigkeit in Lagerräumen. Die Minicomputer geben ihre Informationen drahtlos weiter, wo sie verarbeitet und dann am Computer überall in der Welt abgerufen werden können. Entwickelt haben diese perfekten Helfer der Logistikbranche drei ehemalige TU-Studenten der Technischen Informatik, die mit ihrem Team im Dezember 2017 mit dem Deep Tech Award ausgezeichnet wurden. 

Guten Tag, Herr Kretschmer – Sie als Geschäftsführer von Virtenio, einem Startup für die Überwachung und Analyse von Logistikprozessen, setzen eine eigene technische Lösung aus Software und Hardware mit drahtloser Kommunikation ein. Können Sie uns näher erklären, was genau hinter dem Geschäftsmodell steckt?

Das Geschäftsmodell basiert darauf, dass wir mit unserem Produkt Daten erfassen, diese weltweit übertragen und dem Kunden an einem zentralen Ort bereitstellen können. Wir sind also kein Technik-Lieferant, sondern ein Daten-Lieferant, der neue Daten aus innovativen kundenspezifischen Aufgabenstellungen der Logistik generiert, analysiert und bereitstellt.

Die drahtlose Kommunikation ist ein Hilfsmittel, um bei neuartigen Internet-der Dinge-Anwendungen im Rahmen der Digitalisierung Daten zu übertragen. Das heißt, bei uns ist die drahtlose Kommunikation ein technisches Mittel, um Daten von A nach B aus der physikalischen in die digitale Welt zu bringen.

Drahtlose und mobile Datenübertragung von schwer zugänglichen Orten direkt auf die Cloud, wie genau funktioniert das?

Unser Produkt setzt sich aus drei Komponenten zusammen: PreonCube, PreonGate und PreonLive. Die Komponenten überbrücken die Strecke zwischen physikalischer und digitaler Welt. Die PreonCubes erfassen Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Lage, Schock, Erschütterung und Licht an einem beliebigen Ort auf der Erde. In der Anwendung haben wir uns darauf fokussiert, dass diese Geräte direkt an einer Transporteinheit oder an einem Ladungsträger befestigt werden. Die genannten Umgebungsparameter werden somit direkt an der Ware erfasst und drahtlos an einen PreonGate weitergeleitet.

Dieses Gateway muss nicht zwangsläufig in der Nähe der Ware installiert sein, sondern kann je nach Anwendungsort in einem Umkreis von bis zu 250 Metern positioniert sein. Per Funk werden die Daten der PreonCubes auf den PreonGates gesammelt, komprimiert und weitergeleitet. Die Fernübertragung erfolgt entweder per Mobilfunk – oder an ganz abgelegenen Orten der Erde – per Satellitenkommunikation an unsere Server-Plattform im Internet, die PreonLive genannt wird. Dort werden die Daten gespeichert, aufbereitet, analysiert und unseren Kunden über das Portal zugänglich gemacht. 

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Logistik zu revolutionieren?

Wir haben unterschiedliche Anwendungsbereiche analysiert und dabei festgestellt, dass die Logistik vielversprechend ist. Insbesondere sehen wir bei der Überwachung von hochwer-tigen und sensiblen Gütern einen Markt, der den Einsatz unserer Systeme rechtfertigt. Unsere Kunden sind davon überzeugt, dass die durch unsere Produkte zur Verfügung gestel-lten Daten ihre Probleme lösen können. Eine Revolution tritt dann ein, wenn Anwendungen geschaffen werden, die konkrete Problemstellungen erstmalig lösen oder bisherige Lösun-gen durch neue Erkenntnisse aus erfassten Daten deutlich verbessern oder vereinfachen. Unsere Produkte zur Datenerfassung und Bereitstellung sind die Grundlage für eine datenba-sierte Revolution in der Logistik. Wir arbeiten in unterschiedlichen Problemstellungen bereits an diesen Anwendungen!

Können Sie ein Beispiel nennen, wo Virtenio den Alltag bereits erheblich erleichtern kann?

Zurzeit arbeiten wir ausschließlich mit Geschäftskunden aus dem Bereich der Transportlogis-tik und Herstellern oder Inhabern von Waren zusammen. Das heißt, der normale Endver-braucher bekommt kaum etwas von unseren Systemen zu spüren.

Ich kann Ihnen aber dennoch Situationen nennen, in denen der Alltag von Endverbrauchern indirekt beeinflusst wird. Zum Beispiel kann mit unseren Systemen erkannt werden, ob Lebensmittel beim Transport ausreichend gekühlt werden, ob Pakete umfallen und durch die Erschütterung möglicherweise ein Schaden verursacht wurde oder, ob Produkte hoher Feuchtigkeit ausgesetzt wurden. Und dies bereits unmittelbar nach dem Eintreten. Durch die drahtlose Kommunikation liegen die Informationen an einem beliebigen Internetfähigen Gerät, wie Smartphone, Tablet oder Desktop-PC vor. Auf mögliche Probleme kann somit bereits während des Transports reagiert werden, bevor die Ware am Zielort eintrifft. Für den Endverbraucher bedeutet dies, dass er seine Waren in der erwarteten Qualität erhält, weil defekte oder beschädigte Produkte nicht ausgeliefert werden. 

Technik, die unseren Alltag steuert und erleichtert, das ist unbesehen ein Fortschritt. Doch wo liegen Ihrer Meinung nach die Grenzen – oder gibt es keine? 

Der Stand der Technik sieht vor, dass vielerorts Unmengen an Daten erfasst werden, sei es von unseren Smartphones oder anderen vernetzten Geräten, wie dem Internet der Dinge. Solche Daten werden noch hauptsächlich für Marketing- oder Werbungszwecke genutzt.

In Zukunft sehe ich den Trend, dass diese Daten auch für die Beeinflussung oder Steuerung gesammelt werden. Dies bedeutet, Systeme erfassen und analysieren nicht nur automatisch Daten, sondern treffen auch Entscheidungen, die zu spürbaren Maßnahmen führen. Und hier zieht sich für mich eine Grenze: Intelligente Systeme sollten dem Menschen Entscheidungs-optionen auf Basis einer komplexen Analyse von Daten geben, die dieser dann umsetzen kann. Überschritten wird die Grenze, wenn digitale Systeme vollautomatische Entschei-
dungen treffen. Hier sehe ich weiterhin den Menschen als letzte Instanz in einer Ausfüh-rungskette – insbesondere, wenn von den getroffenen Entscheidungen direkt Menschen betroffen sind.

Sie haben im Dezember 2017 den Deep Tech Award gewonnen – das ist sicherlich Ehre und Ansporn zugleich. Was sind Ihre nächsten Projekte und Ideen für das kommende Jahr?

Der Deep Tech Award unterscheidet sich dadurch gegenüber bisherigen Auszeichnungen, dass er zum einen technische Innovationen würdigt, aber auch die Marktgängigkeit betont. Wir werden im Jahr 2018 bisherige Ansätze vertiefen und neue Ideen in Anwendungen erproben, in denen die technischen Möglichkeiten unseres Produkts einen ökonomischen Mehrwert für unsere Kunden bieten.

Sie leben und arbeiten in Berlin – was ist der Vorteil dieser Stadt für Gründer? Und wie hat sich die Stadt durch die zahlreichen Startups verändert?

Aus unserer Sicht stellt sich Berlin als politischer und ökonomischer Marktplatz dar. Die direkte Nähe zur Politik bietet einen einfachen Zugang zu Ministerien, Institutionen und viele Fördermöglichkeiten. Die Größe der Stadt und ihr einfacher Zugang zur Gründerszene haben viele mittelständische und große Unternehmen dazu bewegt, neue Dependancen in Berlin zu eröffnen. Somit ist es relativ einfach, mit diesen Firmen in Kontakt zu treten. Das Bild der Stadt hat sich dahingehend verändert, dass an vielen Orten Gründerzentren und Innovationszentren mit Startups entstanden sind. So ist es für Gründer in der Anfangszeit einfach, sich mit anderen Menschen zu vernetzen, um Ideen und Vorhaben zu reflektieren.

Zu guter Letzt: Könnten Sie bitte folgenden Satz vervollständigen: „Berlin ist…“

… auf Grund seiner Größe Chance und Risiko zugleich. Es liegt an dem Geschick des Gründers, oder besser gesagt, des zukünftigen Unternehmers, dieses Potential für seine Vorhaben erfolgreich und nachhaltig zu nutzen.

 

Kontakt

Michael Pemp

IKT, TK, Post

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