Julia Kloiber von der Open Knowledge Foundation über offene Daten

Kategorie: Zukunftsköpfe

Die Idee hinter offenen Daten ist einfach: Einmal erhoben, sollen sie durch möglichst viele Akteure in unterschiedlichen Bereichen und für möglichst viele Anwendungen möglichst unkompliziert genutzt werden. Als Projektmanagerin der Open Knowledge Foundation setzt sich Julia Kloiber dafür ein, dass die Vorteile dieser Idee auch in Deutschland stärker genutzt werden. Um dies zu erreichen, wurde unter anderem mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung ein 1,2 Millionen großer Prototype Fund für Open-Source-Projekte aufgesetzt. Besondere Freude rief bei Frau Kloiber auch das kürzlich in Berlin verabschiedete e-Government-Gesetz hervor.

Guten Tag Frau Kloiber, Daten sind nicht gleich Daten: Während bei einigen höchste Vorsicht hinsichtlich Sicherheit und Speicherung geboten ist – Stichwort Aufhebung von Safe Harbor – , sollen andere transparent und allgemein verfügbar sein. Wie lautet die Faustregel: Wann sollten Daten für jedermann zugänglich sein und welche grundsätzlichen Spielregeln gibt es dabei zu beachten?

Wenn man von Open Data, also offenen Daten, spricht, bezieht man sich meistens auf Daten, die der Staat, Behörden und staatlich finanzierte Forschungseinrichtungen erheben. Ausgenommen sind personenbezogene und sicherheitsrelevante Daten. Alles, was nicht unter diese Ausnahmen fällt, sollte aber ‘open by default’ – also von vorneherein für alle zugänglich sein. Da gibt es natürlich einige Grundregeln, die man aus der Statistik kennt. Man muss etwa darauf achten, in welcher Granularität man Daten heraus gibt, so dass der Einzelne nicht mehr nachverfolgbar ist. Datenschutz spielt eine wichtige Rolle. Der Grundsatz bei Open Data ist aber sehr einfach: Verwaltungsdaten, die nicht personenbezogen und nicht sicherheitsrelevant sind, sollten für alle offen zur Verfügung stehen. Wenn Daten personenbezogen sind, kann man diese durch Anonymisierung wieder zugänglich machen.

Durch das Anbinden von Gegenständen an das Netz – Internet of Things – werden immer mehr aktuelle Daten erfasst und durch intelligente Algorithmen ausgewertet. Welche Rolle spielen offene Daten für die Privatwirtschaft?

Hier gibt es zwei wesentliche Aspekte. Der erste Aspekt: In Verwaltungsdaten steckt großes wirtschaftliches Potenzial für Unternehmen. Diese können neue Dienstleistungen auf Open Data aufbauen oder bereits bestehende Services damit anreichern. Prominente Beispiele sind Wetter- oder Geo-Daten, die wichtige Grundlage für viele Anwendungen sind. Aber auch statistische Daten, wie zum Beispiel Bevölkerungsstatistiken oder Daten zu Bildung, Umwelt, Verkehr oder zu staatlichen Ausschreibungen, sind je nach Tätigkeitsfeld von großem Nutzen für Unternehmen.

Und der zweite Aspekt?

Zweitens gibt es immer mehr Unternehmen, wie zum Beispiel die Deutsche Bahn, die selber Daten öffnen und zur Verfügung stellen. Auch bei der Deutschen Bahn gab es anfänglich Vorbehalte und kritische Fragen – beispielsweise: Nutzen und interpretieren andere unsere Daten richtig? Updaten andere unsere Daten in ihren Anwendungen für NutzerInnen zeitnah? Diese Vorbehalte haben sich in den wenigsten Fällen bestätigt. Ganz im Gegenteil, eine Datenöffnung hat oft viele positive Effekte für das Unternehmen zur Folge. So können beispielsweise andere Unternehmen Dienstleistungen auf den bereitgestellten Daten aufbauen und so den Service für Kunden und Kundinnen verbessern. Sprich: Die Deutsche Bahn muss nicht selber 20 Anwendungen für alle möglichen Zielgruppen entwickeln, sondern es steigen andere mit ein und bauen beispielsweise maßgeschneiderte  Anwendungen für Menschen mit speziellen Bedürfnissen oder integrieren Fahrplandaten in Kartendienste. Ein anderes simples Beispiel: Die Deutsche Bahn hat die Standorte ihrer Leihfahrräder herausgegeben. Jeder Navigationsdienstleister kann diese nun in die eigene Anwendung einbauen und die Nutzer auf verfügbare Fahrräder der Deutschen Bahn hinweisen. So profitieren letztendlich auch Kunden von einem besseren Service, wenn Unternehmen ihre Daten zur Verfügung stellen.

Können Sie noch ein anderes Beispiel nennen?

Ein ganz einfaches Beispiel: Daten zur Öffnungszeit von Läden könnte man auch als offene Daten bezeichnen. Diese binden dann andere wieder in ihre Plattformen ein – und der Kunde weiß genau, wann das Geschäft geöffnet ist. Informationen für Kunden werden so schneller zugänglich und Unternehmen können mehr Menschen erreichen.

Nun setzt sich die Open Knowledge Foundation nicht nur für freie Daten, sondern auch für freies Wissen ein. Können Sie uns Ihre Arbeitsweise erläutern?

Bei freiem Wissen geht es darum, Wissen, für andere zugänglich zu machen. Sehr häufig betrifft dies Lizenzfragen. Bei freiem Wissen geht es, vereinfacht gesagt, um einen alternativen Umgang mit dem Urheberrecht. Wir setzen uns für offene Lizenzen ein, das sind Lizenzmodelle, bei denen der Schöpfer eines Werkes sich dafür entscheidet, sein Werk für andere zugänglich und nutzbar zu machen. Beispielsweise arbeiten wir in unserem Projekt “Coding da Vinci” mit Museen und Kulturinstitutionen zusammen und helfen diesen, ihre Archive zu öffnen und die Werke unter offene Lizenzen zu stellen, so dass andere diese nutzen und weiter verwenden können.

Was war denn Anlass der Gründung Ihrer Organisation und wer steht dahinter?

Vor rund fünf Jahren haben wir festgestellt haben, dass andere Länder wie Großbritannien oder die USA in diesem Bereich schon viel weiter sind. Damals tat sich in Deutschland noch wenig im Bereich Open Data. Wir wollten zeigen, wie hierzulande ‘Best Practices’ aussehen können und welchen Nutzen Bürger und staatliche Institutionen von offenen Daten und offenem Wissen haben. Die Open Knowledge Foundation Deutschland ist ein gemeinnütziger Verein. Sie ist Teil eines internationalen Netzwerks von Gruppen in über 40 Ländern mit denen reger Austausch besteht. Die internationale Organisation wurde vor zehn Jahren in Großbritannien gegründet.

Sie selber sind Projektleiterin im Bereich Open Data. Welche Projekte laufen dort zurzeit?

Zurzeit laufen mehrere spannende Projekte. Etwa “Code for Germany” – eine deutschlandweite Community in 25 Labs. Das sind Leute, die lokale Daten nachnutzen und davon ausgehend für ihre Städte und Nachbarschaften Anwendungen und Tools bauen. Bei “Jugend hackt” geht es wiederum um Open-Data-Früherziehung. Dabei unterstützen Mentoren Jugendliche beim Entwickeln von Open-Data-Applikationen. Zudem läuft gerade die “Datenschule” an, in der wir anderen gemeinnützigen Organisationen, Vereinen oder NGOs ‘Data Litercay’ – also den Umgang mit Daten beibringen. Ausgangsfrage ist, wie diese, um ihre Ziele zu verfolgen, sowohl externe Daten einbeziehen als auch eigene Daten bessere nutzen können. Ein weiteres neues Projekt, an dem auch ich selber gerade arbeite, ist der “Prototype Fund”. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem BMBF, vergeben wir in den kommenden Jahren 1,2 Millionen Euro an Open-Source-Projekte im Bereich Civic-Tech. Sprich: Wie kann man Technologie für Bürgerinnen und Bürger und Städte; für das Gemeinwohl nutzen?

Berlin war die erste deutsche Stadt, die ein Portal für offene Daten eingerichtet hat. Wie beurteilen Sie die Entwicklung vor Ort im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten?

Das stimmt. Berlin hat als eine der ersten deutschen Städte mit relativ wenigen Ressourcen viel geschafft. Ich fände es allerdings schön, wenn das Thema Open Data noch höher auf die politische Agenda kommen würde und wenn man noch mehr Ressourcen dafür hätte. Aber ich denke, dass sich das e-Government-Gesetz, das vor kurzem verabschiedet wurde, positiv auf das Datenportal beziehungsweise generell auf Open-Data in Berlin auswirken wird. Man sieht dies auch in Hamburg: Mit dem Transparenz-Gesetz hat es dort einen großen Push für offene Daten gegeben. Es braucht die gesetzliche Grundlage. Die ist in Berlin jetzt auch gegeben, so dass sich in den nächsten Monaten und Jahren viel tun wird. Aber man braucht eben auch die personellen und finanziellen Ressourcen. Das sind zwar keine Unmengen an Geldern, aber momentan wird das Thema wirklich noch mit sehr begrenzten Mitteln angegangen. Dennoch gilt für Berlin im Vergleich zu anderen Großstädten: Gut! Weiter so!

Frau Kloiber, zu guter Letzt noch eine Bitte. Können Sie folgenden Satz vervollständigen: Berlin ist...

… eine lebenswerte Stadt mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern.

Kontakt

Tanja Mühlhans

Leitung Kreativ- und Medienwirtschaft, Digitalwirtschaft, Projekt Zukunft

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