Kunst trifft Bio-Tech-Filter: Das Startup Solaga

Kategorie: Zukunftsköpfe

Benjamin Herzog, CEO von Solaga

©Benjamin Herzog

Gute Luftqualität und weniger Feinstaubbelastung sind nicht nur in Außenbereichen wichtig: Als moderne Menschen verbringen wir etwa 80 bis 90 Prozent unserer Lebenszeit in geschlossenen Räumen. Auch hier gibt es Schadstoffe oder Stickstoffdioxid, die unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden beeinträchtigen können. Das Startup Solaga hat sich der besseren Luftqualität in Innenräumen verschrieben und bietet dafür großflächige Bildformate an, die mit einem lebenden Mikroalgenbiofilm besetzt sind. Das sieht nicht nur ästhetisch aus, sondern nutzt die besonderen Fähigkeiten von Algen, um Schadstoffe zu binden. Wie das genau funktioniert und was Algen von anderen Zimmerpflanzen unterscheidet, erzählt Co-Gründer Benjamin Herzog im Gespräch mit Projekt Zukunft.

Algen, die die Luft in Büroräumen reinigen sollen, das klingt erstmal nach einer glitschigen Angelegenheit. Aber ihr bringt mit eurem Angebot den Designanspruch an schöne Wanddekoration mit der Öko-Effizienz von Algen zusammen. Kannst du uns kurz erzählen, was genau ihr da anbietet?
Genau, wir setzen auf Luftreinigung durch Algen, beziehungsweise ganze Algenmatten. Als weltweit erstes Unternehmen haben wir sogenannte Biofilme aus lebenden Mikroalgen entwickelt und nutzen sie als Luftfiltermedium. Mit Solaga bieten wir mehrere Produkte an: Unsere große Algenwand „Alwe“ ist hauptsächlich für Unternehmen gedacht und eine 1,80 Meter hohe Wasserwand mit integriertem Mikrobiofilm, die sich gut für Büroräume, Konferenzräume, Eingangsbereiche und Wartebereiche eignet. Im kleineren quadratischen Format kann so ein Algenbild auch gut im eigenen Wohnzimmer hängen. Der Algenbiofilm darauf verbessert ohne großen Aufwand und Energieverlust das Raumklima. Schadstoffe wie Stickoxide, Feinstaub und Chemikalien werden durch Algen verstoffwechselt, ohne dass man große energieverbrauchende Luftreiniger benötigt. Die Luft wird gereinigt, die Temperatur gesenkt und das Raumklima dadurch verbessert.

Kann sich jede:r so ein Algenbild in den Raum hängen und was muss ich dabei beachten?
Wie bei Zimmerpflanzen muss man sich lediglich um die Bewässerung kümmern. Wir liefern auf der Rückseite des Bildes einen Wassertank mit, der ab und zu wieder nachgefüllt werden muss – etwa alle ein bis zwei Wochen. Das zeigt dann eine Wasserstandsanzeige an. Das Algenbild verbraucht keinen Strom. Die natürliche Zirkulation findet aufgrund von Verdunstung statt. Nach etwa einem dreiviertel Jahr verändern sich die Algen in der Farbe, als Organismus wechseln sie diese und werden heller oder gelblicher. Dann kann man den Algenfilm im Bild problemlos austauschen (dafür gib es einen Schlitz im Rahmen) und wir senden einen neuen zu.

Gibt es dazu tatsächlich Untersuchungen und valide Daten? Und reicht es für ein besseres Raumklima nicht, hier und da ein paar Zimmer- und Büropflanzen zu haben?
Die Algen filtern Schadstoffe wie Feinstaub, Stickoxide, CO2 aus der Luft. Das ist ihr Nährmedium. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Filterleistung eines Bildes ausreicht, um einen Raum von ca. 15m² unterhalb der gesundheitsschädlichen Grenzwerte zu bringen. Neben unseren eigenen Versuchen haben wir auch das Fraunhofer Institut mit einem Nachweis beauftragt. Es konnte zeigen, welche Anzahl von Chemikalien durch die Algen aufgenommen wird: 50 Prozent Chemikalien, 71 Prozent Feinstaub und 54 Prozent Stickstoffdioxid. Die lebenden Algen sind aktive und energiearme Schadstoffbinder. Das kommt uns besonders in Räumen zugute, in denen die Luft durch künstliche Ventilation ausgetauscht wird. Hier ist die Frischluftrate – auch um Energie zu sparen – oft noch geringer.

Und im Vergleich zu den klassischen Büropflanzen entsprechen die Bilder einer anderen Ästhetik und bringen keine Schädlinge oder Mikroorganismen in der Blumenerde mit. Zimmerpflanzen sind auch weniger effizient. Sie nehmen die benötigten Nährstoffe hauptsächlich über die Wurzeln auf, während die Algen über die Oberfläche filtern und viel effizienter in der Schadstoffreinigung sind. Wir wissen zum Beispiel auch, dass Pflanzen keinen Feinstaub aufnehmen können, er lagert sich höchsten auf den Blättern ab – Algen können das hingegen schon. Bei unserem Algenbild strömt die Luft so hindurch, dass die Schadstoffe über die gesamte Oberfläche aufgenommen werden.

Intelligente Bürobegrünung und Climate Office: Das sind Themen, die uns in Zukunft mit Blick auf den Klimawandel noch viel stärker beschäftigen werden. Wie habt ihr die Idee dazu entwickelt?
Mein Mitgründer Johann Bauerfeind und ich kommen beide aus der Wissenschaft. Ich bin Biologe, Johann Biotechnologe. Ursprünglich haben wir in unserer Forschung angefangen, Algen für Energieerzeugung einzusetzen, weil sie bestimmte Stoffe abgeben, die man weiterverwenden kann. Für die Planung eines Biogas-Reaktors haben wir mit Algenmatten experimentiert und wie man sie ausbildet und haben festgestellt: In der Natur gibt es das schon längst. Wir alle kennen die Stellen, zum Beispiel an Steinen oder Badestegen im Wasser, die so glitschig sind, dass man gerne mal darauf ausrutscht. Dieses System haben wir weiterentwickelt und auf Langlebigkeit getestet. Im Labor können die Algen bis zu fünf Jahre überleben, bei unseren Algenbildern im Raum ist es wesentlich kürzer, hier sprechen wir von einem Zeitraum von neun bis zwölf Monaten. Wir sind von den spannenden Mikroorganismen so fasziniert, dass wir an dieser Stelle weitergemacht haben und andere von ihrer Wirksamkeit überzeugen möchten.

Nun liegt Berlin nicht direkt am Meer oder in einer feuchten Klimazone. Welche Bedingungen braucht es, um die Algenmatten entsprechend wachsen zu lassen?
Über den genauen Prozess darf ich nicht allzu viel sagen, das basiert auf unserer Forschung. Wir züchten die Algen und sind die einzige Firma weltweit, die das in dieser Form macht. Dafür haben wir großflächige Gewerberäume in Marzahn, ausgestattet mit großen Gefäßen und Wannen, in denen sich die Algenmatten ausbilden. Es braucht eine gewisse Zeit, um zu reifen. Wir ernten sie, um sie dann für unsere verschiedenen Anwendungszwecke zu verwenden.

Bürobegrünung und Luftverbesserung ist momentan euer Hauptgeschäft, ihr forscht aber ebenfalls zu Smart City, Fassadenbegrünung und urbanen Luftfiltern. Sind Algen hier die Zukunft?
Wir arbeiten daran, unsere Algen auch für eine nachhaltige Luftverbesserung in Städten einzusetzen. Die Feinstaubbelastung an Straßenkreuzungen oder öffentlichen Plätzen kann sehr hoch sein. Auch in Berlin haben wir mittlerweile eine starke Verdichtung, dadurch, dass Baulücken geschlossen wurden und die Luft weniger zirkuliert. Die Schadstoffkonzentration tritt lokal stark auf. Momentan sind wir im Abschluss eines Projektes, bei dem uns die Investitionsbank Berlin und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung unterstützen.  Dafür stellen wir große Filterkästen an Straßen auf. Von außen wirken sie wie riesige Server, im Inneren sind unsere Algenteppiche übereinander gestapelt. Dadurch steigern wir die Kapazität, um die Luft zu filtern. Das Ziel ist es, den Anteil von Stickoxiden, Feinstauben und flüchtigen Chemikalien in der Luft auf ein Niveau unterhalb der Grenzwerte zu senken. Die urbanen Luftfilter könnten in Zukunft fast autark an besonders belasteten Straßen stehen. Momentan sind wir dazu in Gesprächen mit dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf.

Bietet Berlin als Wissenschaftsstandort für eure Forschung gute Voraussetzungen?
Wir ziehen von den Netzwerken hier große Vorteile. Als Gründer haben wir uns an der TU Berlin kennengelernt und uns mit dem Start von Solaga zu Beginn in Adlershof angesiedelt. Wir sind gut mit den Universitäten vernetzt, darunter der BHT Berlin und der TU Berlin. Das Thema Biotechnologie ist auch für die Studierenden dort interessant, im üblichen Curriculum kommt es nicht vor und hier bietet sich für sie die Chance, sich weiterzubilden. Die Biotechnology-Branche steckt noch in den Kinderschuhen und ist vornehmlich auf medizinische Aspekte ausgerichtet. Momentan arbeiten wir auch mit der Bundesanstalt für Materialforschung zusammen. Hier gilt es herauszufinden, wie wir Gebäude mit Algen außen begrünen können. Durch die Feuchtigkeit und das Wasser, das es dafür bräuchte, ist das eine Herausforderung für das Fassadenmaterial – aber es gibt durchaus Möglichkeiten. Enorm hilfreich sind außerdem die Angebote und Programme von Berlin Partner oder der IBB.

Und eine letzte Frage: Was passiert mit den Algenbildern, die nicht mehr verwendet werden?
Wir werfen die Algenbilder nicht weg, man kann sie uns zurückschicken und wir trocknen sie. Hinter mir hier hängt eine ganze Galerie unterschiedlich eingefärbter Algenteppiche. Jedes Bild hat quasi einen eigenen Fingerabdruck. Die Farbstoffe, die freigesetzt werden, wirken ganz individuell. Und das schöne ist, sie ändern sich noch. Dann kommt der blaue Farbstoff, der Blaualgen durch. Da würden wir gern mal eine Ausstellung machen. Wer hier aus dem Netzwerk Interesse daran hat, soll sich gerne mit uns in Verbindung setzen!

Kontakt

Katrin Tobies

Digitalwirtschaft, Startups, Steuerung Projekt Zukunft

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