Ausgezeichnet: Der erste schwul-lesbische Buchverlag

Kategorie: Buch- und Pressemarkt

Querverlag Gründer-Duo Jim Baker und Ilona Bubeck

© Sergio Vitale

Am 24. November 2020 wurde bereits zum dritten Mal der Berliner Verlagspreis gemeinsam von den Berliner Senatsverwaltungen für Kultur und Europa sowie Wirtschaft, Energie und Betriebe verliehen. Die festliche Preisverleihung fand dieses Mal in einer Sondersendung auf radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) statt.

Insgesamt haben sich 71 unabhängige Verlage beworben, darunter auch viele Neugründungen sowie Verlage aus unterschiedlichen Publikationsrichtungen, die längst über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind.

Der mit € 15.000 dotierte Berliner Verlagspreis ging an den Querverlag, der erste schwul-lesbische Verlag Deutschlands, mit einer Leidenschaft für gesellschaftsrelevante und politisch brisante Themen.

Die Gründung des Verlages sei bis heute ein einzigartiges Unterfangen und erfordere eine große Portion Mut, Idealismus und die Sehnsucht nach anderer Perspektive und politischer Notwendigkeit. Dass dies gelungen ist, sei der einzigartige Verdienst des Querverlags, heißt es in der Laudatio von Jury-Mitglied Kristine Listau. Die Literaturagentin ist Mitgesellschafterin des Verbrecher-Verlags, dem Vorjahressieger.

Doppelter Grund zu feiern

Der Querverlag erhielt in diesem Jahr aber nicht nur den Berliner Verlagspreis, sondern feierte auch sein 25-jähriges Jubiläum. Die Anfänge waren allerdings recht holprig, erzählt Verlagsgründer Jim Baker rückblickend: „Da wir ohne Eigenkapital und ausschließlich mit einem Existenzgründerdarlehen von der Bank gestartet sind, bestand für mich die erste Herausforderung darin, die Kredite abzubezahlen. In den Anfangsjahren haben wir beide anderswo unser Geld verdient und den Verlag zwar hauptberuflich, aber dennoch unentgeltlich gemacht.“

Und Mitgründerin Ilona Bubeck ergänzt: „Die Gratwanderung zwischen den ökonomischen Notwendigkeiten des Marktes einerseits und einem verlegerischen sowie lesben- bzw. schwulenbewegten Anspruch andererseits war für uns stets ein schwieriges Unterfangen. Im Grunde begleitet uns – wie viele andere Kleinverlage ja auch – das Prinzip Selbstausbeutung und Idealismus 25 Jahre nach Firmengründung noch immer.“

Die Feier fiel durch Corona natürlich etwas kleiner aus, erzählt Jim Baker: „Wir saßen beide am Laptop, haben virtuell die Laudationes und die digitalen Feierlichkeiten genossen und dann unsere Gläser Richtung Kamera gehoben, um mit den anderen Feiernden auf den Preis anzustoßen.“

Abseits vom Mainstream

Seit jeher publiziert der Verlag jenseits des heterosexuellen Mainstreams: „Unsere Zielgruppe ist relativ klar umrissen – wir veröffentlichen Bücher für LGBTIQ-Leser*innen und Interessierte“, so Baker. Kennengelernt haben sich die beiden Visionäre in der Bewegung – Ilona Bubeck kam aus der Lesben-Frauenbewegung, Jim Baker war in der Schwulenbewegung aktiv. Beruflich „gefunkt“ hat es damals auf einer Buchmesse.

Ein Blick auf das Verlagsprogramm spiegelt die Vielfalt der lesbisch-schwul-trans*-Szene wieder. Dabei konzentriert sich das Programm seit jeher auf die Entdeckung und Förderung deutschsprachiger Autor*innen: „Wir verstehen uns als Impulsgeber und Teil einer breiten vielfältigen Bewegung. Jenseits solcher eher objektiven Kriterien gestalten wir natürlich das Programm mit den Themen und mit den Menschen, die uns gefallen und beeindrucken – ob durch deren Sprache, Themen, Figuren, Geschichten oder politische Relevanz“, sagt Ilona Bubeck und verrät auch gleich die Neuerscheinungen für das nächste Frühjahr: zwei Krimis, zwei Romane, ein gestalterisch anspruchsvolles Sachbuch zum Thema Intergeschlechtlichkeit von einer Bauhaus-Mediendesignerin und die Auflage eines bewährten Backlist-Klassikers.

Anerkennung für den Verlag und seine Autor*innen

Der Berliner Verlagspreis sei ein Ansporn, betonen beide: „Wir verstehen uns als aktive Teilnehmer in der kleinen, aber feinen Welt der Büchermenschen und mischen seit über 25 Jahren – ob auf Buchmessen, Lesungen, Verbandssitzungen oder Verlagsempfängen – sehr gern mit. Eben deswegen bedeutet uns dieser Preis so viel, denn der kommt ja aus der Buchhandels- und Verlagswelt, also von Kolleg*innen. Und aus diesem Grunde fühlen wir uns sehr geehrt, obwohl wir die Auszeichnung vor allem als Anerkennung der Arbeit unserer vielen Autor*innen verstehen.“

Doch neben der Vielzahl an guten Autor*innen sei auch der Standort extrem wichtig, so Baker: „Berlin ist nicht nur deutsche Hauptstadt, sondern auch Metropole für Schwule, Lesben, sowie alle Unangepassten. Seit Jahren hier mittendrin zu sein, die Nähe zu den vielen kreativen Menschen, zu den unterschiedlichen Szenen, all das ist für unsere Arbeit extrem wichtig. Wir können uns, ehrlich gesagt, den Querverlag in keiner anderen Stadt vorstellen.“

Der Verlagspreis prägt die Berliner Verlagslandschaft und sei gerade heute von enormer Bedeutung, betonen auch Ramona Pop, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, und Dr. Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa. Weiter heißt es: Das kulturelle Leben und literarische Schaffen seien Eckpfeiler bei der Bewältigung der Coronakrise, denn gerade die Vielfalt der Bücher – die Bibliodiversität dieser Stadt – schaffe einen geistigen Raum, der allen Menschen offenstehe.

Über den Berliner Verlagspreis

Ins Leben gerufen wurde der Berliner Verlagspreis im Frühjahr 2018 von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Mit insgesamt € 68.000 ist der Berliner Verlagspreis die am höchsten dotierte Auszeichnung ihrer Art in Deutschland. Ziel des Preises ist es, die Vielfalt der Berliner Verlagsbranche zu fördern, den Verlagsstandort Berlin zu stärken und die ambitionierte Arbeit der unabhängigen Publikumsverlage in Berlin zu würdigen.

Kontakt

Sylvia Fiedler

Buch- und Pressemarkt

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