Voland & Quist: „Der Preis macht deutlich, dass wir in Berlin angekommen sind.“
Der Verlag Voland & Quist ist Preisträger des diesjährigen Großen Berliner Verlagspreises. Ein Interview mit dem Verleger Leif Greinus. Mehr
Anika Wiest
E-mail: anika.wiest@senweb.berlin.de
Telefon: (030) 90138423
Am 24. November 2020 wurde bereits zum dritten Mal der Berliner Verlagspreis gemeinsam von den Berliner Senatsverwaltungen für Kultur und Europa sowie Wirtschaft, Energie und Betriebe verliehen. Die festliche Preisverleihung fand dieses Mal in einer Sondersendung auf radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) statt.
Insgesamt haben sich 71 unabhängige Verlage beworben, darunter auch viele Neugründungen sowie Verlage aus unterschiedlichen Publikationsrichtungen, die längst über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind.
Der mit € 15.000 dotierte Berliner Verlagspreis ging an den Verlag Edition Orient, einem kleinen Verlag, der Menschen aus verschiedenen sprachlichen, ethnischen und religiösen Kulturen miteinander verbindet.
Ein sympathischeres, notwendigeres Programm, als das der Edition Orient, kann man sich in diesen Zeiten gar nicht vorstellen und daher müssen solche Verlage unbedingt gefördert werden, heißt es in der Laudatio von Jury-Mitglied Heinrich von Berenberg. Der Lektor leitet den Berenberg Verlag und erhielt im vergangenen Jahr den Berliner Verlagspreis.
Alleinstellungsmerkmal unbekannte Sprachen
Stephan Trudewind, studierter Politik- und Islamwissenschaftler, leitet den Verlag seit 1998 im Ein-Mann-Betrieb. Gegründet wurde die Edition Orient 1980 von dem ägyptischen Übersetzer Nagi Naguib, der die arabische Literatur in Deutschland bekannter machen wollte. Die Alleinstellungsmerkmale des Verlages sind bis heute arabisch-deutsche Kinderbücher und zweisprachige Bücher aus dem Orient, d. h. der arabischen, persischen und türkischen Welt. Das Thema Zweisprachigkeit liegt ihm besonders am Herzen, obwohl diese die Verkaufschancen nicht erhöht.
Denn die Arbeit als Verlagsleiter sei ihm eine Herzenssache, sagt Stephan Trudewind:
„Mich persönlich haben schon immer andere Kulturen und Sprachen fasziniert. Der Beruf des Verlegers ermöglicht es mir, diese Obsession auf eine bestimmte Art und Weise auszuleben.“ Und er verweist auf seinen Vorgänger, den Verlagsgründer Nagi Naguib:
„Er war ein vorzüglicher Kenner der modernen arabischen Literatur und hat so manches Goldstück für den deutschen Buchmarkt zugänglich gemacht, so zum Beispiel den Klassiker Yahya Hakki, den späteren Literaturnobelpreisträger Naguib Mahfuz oder Alifa Rifaat, die die Rolle der Frauen in der arabischen Welt so bedrückend reflektiert.“
40 Jahre lang ein Fundus orientalischer Schätze
Seit nunmehr 40 Jahren behauptet sich der in Kreuzberg ansässige Verlag erfolgreich in der deutschen Verlagslandschaft. Auch das war ein Grund zu feiern, erzählt Stephan Trudewind und blickt trotz der momentanen durch Corona bedingten Schwierigkeiten zuversichtlich in die Zukunft: „In zehn Jahren wird der Verlag 50 Jahre alt, dieses Jubiläum möchte ich als Grandseigneur noch selbst gestalten – ohne Corona-Einschränkungen. Allerdings bin ich 2030 auch über 70 Jahre alt und somit wäre es dann auch wieder höchste Zeit für einen Generationswechsel. Hier wünsche ich mir einen Nachfolger, der auf dem vorhandenen Fundament aufbaut.“
Sein Verlagsprogramm ist bunt gefächert und umfasst alle Altersgruppen, ganz besonders möchte Stephan Trudewind seinen Leser*innen aber folgende Publikationen ans Herz legen: „Für die ganz Kleinen ab zwei Jahren empfehle ich das Pappbilderbuch ‚Schau mal, wer da tanzt’. Kindern ab ca. zehn Jahren möchte ich folgendes Buch ans Herz legen: ‚Als das Kamel Bademeister war. Keloğlans lustige Streiche’ – Geschichten voller Humor und Witz des türkischen Pendants zu Till Eulenspiegel, wunderbar aufgeschrieben von Kemal Kurt, einem der Migranten, die Berlin ausmachen.
Und Erwachsene sollten unbedingt einen Klassiker der Moderne lesen: ‚Die Öllampe der Umm Haschim’, eine Erzählung des ägyptischen Autors Yahya Hakki, in der der Konflikt zwischen Nord und Süd, zwischen Tradition und Moderne auf beispielhafte Weise verhandelt wird.“
Preisverleihung am Radio mit verfolgt
Der Berliner Verlagspreis sei eine große Anerkennung seiner langjährigen und kontinuierlichen Arbeit, sagt Stephan Trudewind: „Ich lebe ja zurzeit mit meiner Frau in Alexandria, Ägypten, und wir haben den Abend mit einigen Freunden verbracht. Bei dem anschließenden digitalen Empfang konnte ich nicht mit dabei sein, da die Technik nicht mitspielte. Aber in hoffnungsvoller Voraussicht hatte ich zuvor einen Sekt kaltgestellt.“
Und obwohl sich Trudewind für einen „coolen Hund“ hielt, war er sehr gerührt und dankbar für den Preis: „Auch das Preisgeld ist nicht zu unterschätzen, damit lässt sich schon einiges bewegen! Zwar finden meine Bücher viel Anerkennung und Lob in Fachkreisen, da gelten wir quasi als Mercedes der Mehrsprachigkeit, aber insgesamt werden Kinderbücher aus Ländern wie Indien, dem Iran oder der Türkei doch eher noch als zweite Wahl angesehen.“
Zum Erfolg des Verlages trage vor allen Dingen auch der Standort Berlin bei, betont Trudewind: „Gibt es in diesem Sinn überhaupt eine bessere Stadt in Deutschland?! Hier trifft sich die Welt und hier hat man viele Freiräume. Vor der Corona-Pandemie war Berlin dabei, sich zu einem Zentrum arabischer und kultureller Intelligenz zu entwickeln. Die Vielfalt ist generell überwältigend, ich habe allein in diesem Sommer drei neue Buchläden kennengelernt. Dadurch steigt allerdings auch der Druck, kommerziell erfolgreich zu sein.“
Der Verlagspreis prägt die Berliner Verlagslandschaft und sei gerade heute von enormer Bedeutung, betonen auch Ramona Pop, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, und Dr. Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa. Weiter heißt es: Das kulturelle Leben und literarische Schaffen seien Eckpfeiler bei der Bewältigung der Coronakrise, denn gerade die Vielfalt der Bücher – die Bibliodiversität dieser Stadt – schaffe einen geistigen Raum, der allen Menschen offenstehe.
Über den Berliner Verlagspreis
Ins Leben gerufen wurde der Berliner Verlagspreis im Frühjahr 2018 von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Mit insgesamt € 68.000 ist der Berliner Verlagspreis die am höchsten dotierte Auszeichnung ihrer Art in Deutschland. Ziel des Preises ist es, die Vielfalt der Berliner Verlagsbranche zu fördern, den Verlagsstandort Berlin zu stärken und die ambitionierte Arbeit der unabhängigen Publikumsverlage in Berlin zu würdigen.
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