TRANSIT Verlag: „Wir wollen Schubladen aufbrechen.”
Der TRANSIT Verlag ist Preisträger des Berliner Verlagspreises 2024. Ein Gespräch mit Verleger Rainer Nitsche. Mehr
Anika Wiest
E-mail: anika.wiest@senweb.berlin.de
Telefon: (030) 90138423
Victoria Dykes ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Open Data-Informationsstelle (ODIS) der Technologiestiftung Berlin. Der Fokus ihrer Arbeit liegt darauf, mit Hilfe von Open Data die Städte zu verändern und den Verwaltungen dabei behilflich zu sein, Technologien und Daten zu nutzen, um Prozesse und Services zu verbessern. ODIS ist ein in dieser Form einzigartiges Angebot, das Verwaltungen praktische Hilfe und Informationen rund um die Veröffentlichung von Daten anbietet und zugleich eine Brücke zu den Usern schlägt.
Im Mai dieses Jahres stellten Sie gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe die neue Open Data-Informationsstelle (ODIS) vor – was genau soll diese Informationsstelle leisten?
ODIS hat das Ziel, Berlins Bezirke und Senatsverwaltungen umfassende Unterstützung bei der Veröffentlichung von Open Data anzubieten. Dazu haben wir drei Schwerpunkte für die Informationsstelle identifiziert: Erstens bietet ODIS Verwaltungen Unterstützung bei Fragen rund um Open Data an. Bislang war oft unklar, wer der richtige Ansprechpartner bei solchen Fragen ist, wenn es beispielsweise darum geht, wie ein offener Datensatz strukturiert sein soll. Wir möchten diese Lücke füllen und so dazu beitragen, das Wissen über Open Data in der Verwaltung zu stärken.
Zweitens wollen wir mehr Vernetzungsmöglichkeiten sowohl innerhalb als auch außerhalb der Verwaltung schaffen. Viele Verwaltungsbeschäftigte, die sich für Open Data interessieren, wissen nicht, dass sie gleichgesinnte Kolleginnen und Kollegen, z. B. Open Data Beauftragte in ihren Verwaltungen haben. Wir wollen diese Menschen zusammenbringen. Es ist aber auch wichtig, dass die Verwaltung auch Kontakte zu anderen Nutzern aufbaut, um besser zu verstehen, welche offenen Daten sich die Bürgerinnen und Bürger von der Verwaltung wünschen und wie die Daten von Externen genutzt werden.
Zuletzt wollen wir selbst das Potenzial von Open Data zeigen, indem wir Prototypen und Werkzeuge entwickeln. Das Ideation & Prototyping Lab bei der Technologiestiftung hat schon einige Projekte in dieser Richtung entwickelt – zum Beispiel, die Kita-Suche oder ein Werkzeug für die Säuberung von CSV-Dateien.
Sie betreuen ODIS – was genau ist Ihre Aufgabe?
Es gibt viele verschiedene Aufgaben, die mich beschäftigen. Wir treffen uns regelmäßig mit Angestellten aus verschiedenen Senatsverwaltungen und Bezirksämtern, um mögliche Datenveröffentlichungen zu diskutieren. Ich plane auch gerade unsere nächste Veranstaltung im Rahmen von ODIS – im September findet ein Arbeitstreffen zum Thema Radverkehrsdaten bei uns in der Stiftung statt. Das Ziel dieses Treffens ist, einen Dialog zwischen Datenbereitstellenden aus der Verwaltung und der Berliner Datencommunity zu fördern. Zudem veröffentlichen wir auch regelmäßig Blogposts über verschiedene Open Data-Themen, demnächst etwa einen Überblick über Radverkehrsdaten aus Berlin.
Berlin stellt auf der Seite www.daten.berlin.de momentan rund 1.700 Datensätze zur Verfügung. Was genau passiert mit diesen Daten? Wer kann die einsehen?
Die Daten werden für alle möglichen Zwecke benutzt: Die Wissenschaft kann die Daten für ihre Forschungsprojekte nutzen, die Wirtschaft kann die Daten in ihre Geschäftsmodelle mit einbeziehen, und die Forschung und Entwicklung kann nützliche Anwendungen aus den Daten erstellen. Und nicht zu vergessen: Die Verwaltung selbst profitiert sehr von offenen Daten, da die Beschäftigten ja auch oft Bedarf an Daten aus anderen Referaten haben.
Im Prinzip können alle Bürgerinnen und Bürger diese Daten einsehen. Die Realität ist aber natürlich auch, dass nicht jeder Zeit und Lust hat, sich mit Rohdaten zu beschäftigen. Deshalb freuen wir uns besonders über Anwendungen, die solche Daten allgemeinverständlich aufbereiten und zugänglicher machen.
Welche Möglichkeiten ergeben sich durch die Einsicht der verschiedenen Datensätze? Und wo sehen Sie noch Spielraum – was muss noch verbessert werden?
Generell haben offene Daten das Potenzial, mehr Transparenz und Bürgerengagement, mehr Wirtschaftswachstum und Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu schaffen. Und dieses Potenzial wird auch bereits verwirklicht: Das Projekt OffenerHaushalt.de macht komplexe Haushaltsdaten für ein allgemeines Publikum zugänglich; die Technologiestiftung hat das gleiche mit Daten zum Breitbandausbau in Berlin gemacht. FixMyBerlin nutzt offene Datensätze für ein Projekt, das versucht, die Radinfrastruktur in der Stadt zu verbessern. Zahlreiche weitere Anwendungen kann man in dem Bericht „Open Data in der Praxis“ der Technologiestiftung nachlesen.
Verbesserungspotenzial gibt es vor allem beim Datenmanagement innerhalb der Verwaltung. Bislang hat eigentlich niemand eine wirkliche Übersicht über alle Verwaltungsdaten, deshalb ist es oft schwierig zu sagen, welche Daten im Portal noch fehlen – man müsste ja erstmal wissen, welche Daten überhaupt existieren. Aus diesem Grund möchten wir gerne eine Daten-Inventur in der Berliner Verwaltung anstoßen; das wird aber sicher ein Langzeitprojekt.
Sie verfolgen das Thema Open Data mit großer Leidenschaft – beschäftigen Sie sich schon länger mit der Materie?
Schon seit Jahren interessiere ich mich für die Schnittstelle zwischen Verwaltungen und Digitalisierung. Noch während meines Masterstudiums habe ich angefangen bei DIGIWHIST zu arbeiten. Das war ein ambitioniertes Projekt, in dem wir versucht haben, Daten über öffentliche Auftragsvergaben aus verschiedenen EU-Ländern zu sammeln und zu analysieren, um mögliche Korruptionsindikatoren zu identifizieren. Bei diesem Projekt habe ich gemerkt, wie wichtig offene Daten für eine demokratische Gesellschaft sind.
Warum können insbesondere Startups von Open Data profitieren?
Gerade aufgrund der lebendigen Startup-Szene haben wir in Berlin die Chance, Vorreiter bei der urbanen Digitalisierung zu werden. Digitale Anwendungen benötigen aber Daten. Die Verwaltungen besitzen zwar viele Daten von öffentlichem Interesse, etwa aus den Bereichen Stadtplanung, Verkehr und Demographie, tun sich aber häufig noch schwer mit digitaler Innovation. Wenn diese Daten offen sind, bedeutet das für Startups sehr viel niedrigere Einstiegshürden. So können neue, datengetriebene Dienste entstehen, ohne dass Daten erst aufwändig beschafft oder eingekauft werden müssen.
Daten teilen und veröffentlichen – ist das nicht auch ein heikles Thema, in Zeiten des viel diskutierten Datenschutzes?
In der Open Data Community existiert ein genereller Konsens, dass Open Data keine personenbezogenen oder sicherheitsrelevanten Daten umfasst. Wir nehmen Datenschutz sehr ernst und prüfen vor jeder Veröffentlichung gründlich, ob mögliche Datenschutzkonflikte entstehen können. In der Regel ist das aber nicht der Fall. Es geht bei Open Data ja um Daten von allgemeinem Interesse, also zum Beispiel um ÖPNV-Fahrpläne, Öffnungszeiten von Ämtern oder den öffentlichen Haushalt.
Sie sind gebürtige Amerikanerin – wie sind Sie nach Berlin gekommen?
Eigentlich war meine erste Station in Deutschland in Hessen – dort habe ich für ein Jahr als Fremdsprachenassistentin an einer Schule gearbeitet. Berufliche Gründe haben mich dann nach Berlin verschlagen. Ich war am Anfang nicht so begeistert von dem Umzug, aber nach vier Jahren in Berlin kann ich eindeutig sagen: Diese Stadt ist mein neues Zuhause, und hier will ich bleiben.
Was lieben Sie an der Stadt – und was müsste sich Ihrer Meinung nach noch ändern?
Ich liebe die Vielfältigkeit der Stadt: Berlin hat eine lebendige Kultur und so eine schöne Mischung an Menschen. Und ich habe das Gefühl, dass die meisten Menschen hier wirklich an die Stadt glauben – sie schätzen die Kultur und die Offenheit, die hier entstanden ist und wollen sie erhalten.
Was sich aber wirklich ändern muss, sind die bürokratischen Prozesse. Viele Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt leiden unter Verwaltungsabläufen (Elterngeldanträge, KFZ-Anmeldungen), die komplett veraltet und nicht mehr nachvollziehbar sind. Oft wird „Personalmangel“ als Grund für lange Wartezeiten und Bearbeitungsdauern genannt, was sicher ein Teil des Problems ist, aber viele Probleme könnten gelöst werden, wenn mehr Prozesse digital gestaltet werden. Die Stadt wächst immer mehr, und es ist klar, dass die alten Prozesse und Systeme für moderne Realitäten nicht mehr reichen.
Zu guter Letzt: Könnten Sie bitte folgenden Satz vervollständigen: „Berlin ist…“
Berlin ist Berlin! Man kann diese Stadt kaum mit keiner anderer vergleichen – nicht zuletzt ihre Geschichte macht diese Stadt einzigartig.
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