„Das wilde Dutzend“

Kategorie: Zukunftsköpfe

© Dorothea Martin und Simone Veenstra

© Dorothea Martin und Simone Veenstra

 „Wir probieren sehr gerne neue Erzählformen und -medien aus. Ein Preis wie der digivis Contest honoriert auch die damit verbundene Risikofreudigkeit, was wir toll finden.“

Dorothea Martin und Simone Veenstra belegten den zweiten Platz des mit 10.000 Euro dotierten „digivis Contests – Digitales sichtbar machen“, den die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe/ Projekt Zukunft gemeinsam mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels /Landesverband Berlin Brandenburg e. V. ausgerufen hat. Gesucht wurden Konzepte, die der Kreativwirtschaft und im Besonderen der Buchbranche zu breiter Sichtbarkeit ihrer digitalen Produkte oder Anwendungen verhelfen.

Buchinhalte werden auf mobilen Geräten in Form von Chat-Fiction dargestellt, kurzen Erzählungen im Dialogstil. Chatbooks können als Marketingmaßnahme in sozialen Medien eingesetzt werden, um junge Menschen, die auf dem Smartphone lesen, zu erreichen. 

Sie und Ihre Geschäftspartnerin Simone Veenstra haben den 2. Platz beim „digivis Contest“ belegt – was bedeutet diese Prämierung für Sie und Ihre Arbeit?

Zuallererst haben wir uns natürlich sehr gefreut. Wir probieren sehr gerne neue Erzählformen und -medien aus. Ein Preis wie der digivis Contest honoriert auch die damit verbundene Risikofreudigkeit, was wir toll finden. 

Sie verdienen Ihr Geld mit Fantasie…? Eine schöne Vorstellung – können Sie Ihr Geschäftskonzept ein wenig näher erläutern?

Wir kreieren Geschichtswelten, die in mehreren Medien, teils interaktiv erzählt werden. Innerhalb dieser Storyworlds gibt es natürlich auch Bücher zu kaufen – demnächst zum Beispiel unser erstes Kinderbuch “Atalante das Meermädchen schwimmt um die Welt”, ein Ausmal- und Vorlesebuch. Wir geben aber auch Workshops, veranstalten Events von Schattentheateraufführungen bis zu Storytelling-Festivals, je nachdem, was zur jeweiligen Geschichte passt. Auch eine Crowdfunding-Kampagne haben wir bereits erfolgreich veranstaltet.

Ausgezeichnet wurden Sie für das Projekt „Chatbooks“. Das heißt: Buchinhalte werden auf mobilen Geräten in Form von Chat-Fiction dargestellt. Ist das so richtig? Und wen wollen Sie mit diesem Projekt vor allen Dingen erreichen?

An der Idee von Chat-Fiction, Geschichten dialogisch und sehr verknappt zu erzählen, interessierte uns vor allem, dass sie eine sehr junge Zielgruppe erreicht und ausschließlich mobil funktioniert. Chatbooks hat die Idee, Teaser zu E-Books auf den populärsten Chat-Fiction-Plattformen zu erzählen. Momentan entwickeln wir die Idee weiter in Richtung Chatbots z. B. für den Facebook Messenger aber auch für Alexa und Co. Gerade mit Blick auf unser Kinderbuch ist Alexa und das Hören als Medium gerade sehr spannend für uns.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihren Verlag zu gründen? Und wie kam es zu diesem außergewöhnlichen Namen?

Es war einmal… Tatsächlich waren Simone Veenstra und ich gemeinsam in Neuseeland wandern und dachten uns Geschichten aus, als der Weg einfach kein Ende finden wollte. Als wir schließlich doch am Ziel ankamen, hatten wir eine verrückte Kindergeschichte im Gepäck und die Idee, sie selbst zu veröffentlichen. Zurück in Berlin nahmen wir am Businessplanwettbewerb Berlin-Brandenburg teil und bekamen das Angebot, statt des geplanten Kinderbuchverlags ein geheimes Geschichtenprojekt zu übernehmen und an die Öffentlichkeit zu bringen: Das wilde Dutzend. Laut der Legende ist „Das wilde Dutzend“ eine bereits seit Jahrhunderten operierende Loge, die die wahren Geschichten hinter der Geschichte sammelt. Aus ihrem Archiv speisen sich unsere Bücher, beispielsweise: “Die Guten, die Bösen und die Toten”, angesiedelt in der viktorianischen Zeit bzw. in London kurz nach Jack the Ripper; “Wer kann für böse Träume?“

Ihr Verlag bewegt sich aber auch außerhalb des Mediums „Buch“ und bedient sich der sozialen Netzwerke. Können Sie das ebenfalls einmal ausführen? 

Jedes Buch ist eingebunden in die Hintergrundgeschichte von „Das wilde Dutzend“. Wie kam die Loge an die Materialien, die ins Buch einflossen? Diese Hintergründe entdecken wir in einem Pen&Paper-(Rollenspiel-) Format namens Adeles Salon, aber auch in Storytelling auf Twitter (#24hGrimm), in Theater- und Ausstellungsformaten, Augmented-Reality-Schnitzeljagden oder Hörspielen. Daneben nutzen wir Social-Media-Kanäle natürlich für einen Blick hinter die Kulissen unserer Verlagsarbeit und um auf unsere Bücher aufmerksam zu machen.

Welche Vorteile haben die Leser/User?

Leser*innen können sich einfach nur an schön gestalteten Büchern erfreuen oder den in den Büchern ausgelegten Spuren folgen und sich selbst einbringen in unsere Geschichtenwelten.

Wo sehen Sie Bücher, Buchläden und Bibliotheken in zehn Jahren?

Bibliotheken haben, dank der staatlichen Unterstützung, den großen Vorteil, bereits ein Freiraum zu sein. In Ballungszentren bieten sie Menschen einen konsumfreien Raum, eine Begegnungsstätte im jeweiligen Viertel, aber auch mitten in den Innenstädten. Bibliotheken haben oft bereits auch andere Medien im Angebot und es gibt Internet – ich bin ein großer Fan. Das Buch ist dabei nicht mehr das zentrale Medium, um Geschichten zu erzählen, zu rezipieren oder um sich zu bilden. Als stete Bezugsquelle, als abgeschlossenes und datierbares Format wird es aber wichtig bleiben und damit hoffentlich auch unsere spannende Buchhandelslandschaft erhalten.

Und wo sehen Sie Ihren Verlag in zehn Jahren?

Wir bleiben weiter dabei, neue Formate fürs Geschichtenerzählen auszuprobieren. Das Geschäftsmodell wird sich entsprechend mitwandeln.

Welches Buch liegt bei Ihnen auf dem Nachttisch?  

Eines? Ich gehöre zu denjenigen, die immer mehrere Sachen auf einmal lesen. Gerade lese ich “Mädchenmeute” von Kirsten Fuchs, zum wiederholten Mal “Das siamesische Klavier. Unheimliche Geschichten” von Christiane Neudecker und “Unthinkable. An Extraordinary Journey Through the World’s Strangest Brains” von Helen Thomson.

Sie leben in Berlin – was lieben Sie an der Stadt? 

Die Vielfalt und Offenheit der Stadt. Ich hoffe, dass sie sich ihre Freiräume erhält bzw. sich neue schafft.

Was müsste sich – gerade für Verlage – ändern?

Viele, gerade crossmediale Fördertöpfe stehen nur zur Verfügung, wenn man Filme macht. Das schränkt die Experimentierfreude etwas ein – daher war der digivis Contest auch eine große Chance! 

Zu guter Letzt: Könnten Sie bitte folgenden Satz vervollständigen: „Berlin ist…“

… Zuhause…“ 

Das könnte Sie auch interessieren