Olaf Kretschmar, CEO Berlin Music Commission (BMC)

Kategorie: Zukunftsköpfe

Olaf Kretschmar, CEO Berlin Music Commission (BMC) © Dan Taylor

Olaf Kretschmar, CEO Berlin Music Commission (BMC) © Dan Taylor

Olaf Kretschmar, CEO Berlin Music Commission (BMC) © Dan Taylor

Die Most Wanted: Music, eine der wichtigsten Konferenzen für die professionelle Musik- und Kreativwirtschaft in Deutschland, wartet auch 2019 mit einigen Neuerungen auf. Projekt Zukunft hat mit Olaf Kretschmar, Veranstalter und CEO der Berlin Music Commission (BMC) darüber gesprochen, was sich seit der ersten Ausgabe getan hat, was Berlin als Musikhauptstadt ausmacht und vor welchen Herausforderung die Branche steht.

Im Jahr 2007 haben Sie die Berlin Music Commission mitgegründet. Wie kam es damals dazu und mit welchem Ziel?

2007 haben sich 17 Unternehmen der Berliner Musikwirtschaft zusammen geschlossen, um in Zeiten des tiefgreifenden Umbruchs und des Zusammenbruchs von Märkten ihre Zukunftschancen zu verbessern. Aus dieser Notgemeinschaft ist schnell ein modernes Branchennetzwerk geworden, welches nicht nur die Interessen der Mitglieder vertritt, sondern an der Organisation des Musikstandortes und der gesamten Branche mitwirkt. Heute befassen wir uns mit Wirtschaftsförderung, Innovation, Musikkultur, Jugend- und Nachwuchsförderung. Wir betreiben das Kompetenzzentrum Musikwirtschaft, führen das Internationalisierungsprogramm Music Ambassador durch, veranstalten die listen to berlin: Awards – einen Berliner Musikpreis – und organisieren das Music-Tech-Format Hybrid Music Lab und natürlich die MW:M

Am 6. und 7. November findet die Most Wanted: Music (MW:M) statt. Die Konferenz gibt es bereits seit 2014. Wie hat sich die MW:M seit ihrem Beginn entwickelt? Was ist heute anders?

Auf der ersten MW:M hatten wir 200 Gäste, heute ist das Format international aufgestellt und zieht bis zu 2.000 Teilnehmer*innen an, von denen mindestens ein Drittel aus aller Welt kommt. Gestartet waren wir mit den klassischen Themen des Musikbiz. Ein Schwerpunkt war z.B. das Thema „Sync“, also der Einsatz von Musik in Film, Werbung oder Games. Schnell wurde uns aber klar, dass die Musik aus der Opferrolle raus musste und in einer offenen, inkludierenden und gut vernetzten Aufstellung ein Treiber für technologischen Fortschritt sein kann. Die größten Herausforderungen liegen heute in der aktiven Gestaltung der Digitalisierung – das bildet die MW:M mit einem entsprechenden Fokus ab.

Zugleich haben wir einen sozialen Blick auf Musik etabliert und untersuchen die Wechselwirkungen zwischen Musik und Gesellschaft. Wir befassen uns mit „The Value of Music“, also dem finanziellen und soziokulturellen Wert von Musik und mit „Social Impact of Music“. Beispielsweise untersucht Scott Cohen von Warner Music Group das Thema „What is the Real Value of Music?” und stellt uns die Frage, welchen Wert Musik heute hat und welche Wertegerüste hinter unseren digitalen Businessideen stehen.

Was hat es mit dem Motto „A better, modern, weirder music convention“ auf sich? Was macht diese Ausgabe besonders?

Bei MW:M geht es immer auch um einen Perspektivwechsel und um die Sichtbarmachung von Herausforderungen der Zukunft. In diesem Jahr legen wir einen besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit & Diversität in der Musikbranche. Zugleich experimentieren wir mit neuen Methoden des Know-How-Transfers und mit neuen Formen der Vernetzung. MW:M ist sehr interaktiv, Panels und Talks sind eher kurz, aber es gibt eine Vielzahl von Formaten des Austauschs der Teilnehmer*innen untereinander, von niedrigschwelligen Networkings und des kollektiven Arbeitens. Zum Beispiel können Gäste bei unserem Format „Meet the Expert!“ zu verschiedenen Themen tiefschürfende Einzelgespräche führen. Außerdem gibt es in diesem Jahr das neue Format „Lunch Buddies“ – hier werden die Leute als Gourmets themengebunden zusammengesetzt und können sich beim gemeinsamen Mittagessen vernetzen. Für frühe Vögel bieten wir mit den „Most Wanted: Walks!“, sozusagen einen "NetWalk", an – ein morgendlicher Spaziergang durch’s Berliner Zentrum für den inspirierten Start in den zweiten Konferenztag. Darauf folgt dann mit dem Musikalischen Frühschoppen ein weiteres Vernetzungsformat.

Eines ist definitiv neu: Die Most Wanted: Music (MW:M) bietet mit MW:M LIVE erstmals ein eigenes Showcase-Format.

Am 6. November 2019 werden 20 handverlesene Künstler*innen aus Berlin, Deutschland und Europa im House of Music ihre Live-Qualitäten vor 150 geladenen Gästen unter Beweis stellen.

Die Künstler*innen sind die Grundlage der ganzen Branche. Ihnen über die vereinzelten Showcase-Angebote auf der MW:M in der Vergangenheit hinaus eine musikalische Plattform zu geben und gerade hier neue Impulse aufzuzeigen, halten wir für absolut folgerichtig. Aber auch das Livemusik-Segment rückt in der Wertschöpfungskette immer stärker in den Fokus: die Live-Performance der Künstler*innen ist für Labels und Verlage einer der entscheidenden Faktoren, um Acts unter Vertrag zu nehmen.

Das neue Showcase-Format richtet sich daher explizit an Entscheider*innen aus der Musikbranche (Booking-Agent*innen, Manager*innen, A&Rs, Veranstalter*innen, Medienvertreter*innen und Sync & Music Supervisors),denen wir in einem exklusiven Rahmen die Gelegenheit geben, neue Talente zu entdecken.

Was sind die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Monetarisierung von Musik?

Neue Plattformen, wie Patreon ergeben neue Monetarisierungsmöglichkeiten. Auf dieser Plattform geht es primär um die Künstler*innen, sie etablieren sich selbst als eigener Kanal und werden von Musikfans abonniert. Damit wirdein neues Prinzip des Fanseins erschaffen, eine reale Fanbase. Inder Keynote „Keep Creative, Stay Independent – and Make Money: Turning a Fanbase into a Membership” von Wyatt Jenkins von Patreon wird es genau darum gehen.

Zum Zweiten öffnen sich auch für das Marketing immer wieder neue Wege: Hier stellen wir mit Twitch ein neues Livestreaming-Tool und dessen Relevanz für die Musik vor. Darum wird es in der Keynote „Let's Play... Music! Is Music About to Have its Live Streaming Moment?” mit Jannik Huelshoff gehen. Außerdem analysieren wir in einem Workshop, welche Auswirkungen die Prinzipien digitaler Kennzeichnung von Files haben können.

Diversität und Nachhaltigkeit haben Sie als besondere Herzensangelegenheiten deklariert. An welchen konkreten Beispielen äußert sich das?

Diversität fängt beim Team an: wir haben das Konferenzteam in diesem Jahr konsequent divers besetzt. Ein guter Erfolg ist auch unser diverses Speaker-Lineup: Unter anderem haben wir endlich eine Frauenquote von 50% geschafft.

Auch nachhaltiges Handeln beginnt vor der eigenen Haustür: Wir haben versucht uns als Konferenz, etwa im Bereich Catering, nachhaltig aufzustellen.

Aber natürlich behandeln wir das Thema auch auf der inhaltlichen Ebene. Beispielsweise gehen Holger Jan Schmidt, Jeannine Koch und Rüdiger Kruse der Frage nach:„Make Me Sustainable! (But Where Do I Start?)“.

Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach die Musikwirtschaft und die über Ländergrenzen bekannte Clubkultur für den Wirtschaftsstandort Berlin?

Berlin positioniert sich weltweit als Stadt der Kreativen. Das führt zu Wachstum, zu einem Zuzug von hochqualifizierten Fachkräften und Künstler*innen, aber auch zu Unternehmensansiedlungen. Musikwirtschaft ist in diesem Zusammenhang eine Schlüsselbranche für die deutsche Hauptstadt, welche der Stadt nicht nur ein weltoffenes, liberales, hochinnovatives Image verleiht, sondern sie auch tagtäglich real so gestaltet und die Entwicklung Berlins voran treibt. Internationaler Clubtourismus und Startup-Hype sind nur zwei bekannte Erscheinungsformen dessen. Aber auch rein wirtschaftspolitisch betrachtet ist die Branche ein Motor für die Stadt mit exorbitanten multiplikatorischen Effekten in andere Branchen und Stadtbereiche.

Die MW:M wird unter anderem von der Berliner Senatsverwaltung unterstützt. Wie schätzen Sie die Fördermaßnahmen in der Hauptstadt ein und was macht Berlin für Unternehmen aus dem Musikgeschäft so interessant?

Wir haben ja unsere Angebote an die Branche in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftssenat entwickelt und ohne dessen umfangreiche Unterstützung wären unsere Formate nicht denkbar. Hier gibt es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und solide und langfristig angelegte Grundlage.

Berlin ist für Unternehmen interessant, weil hier sowohl ein ausdifferenziertes kreatives Potential wie auch ein bedeutendes wirtschaftliches Potential in allen Segmenten der gesamten Wertschöpfungskette vorzufinden ist. Aber in diesem Markt stellen sich auch zunehmend andere Städte in Europa erfolgreich auf. Wir dürfen unsere exzellente Ausgangslage nicht verspielen und müssen als Standort unsere Wettbewerbsfähigkeit immer weiter ausbauen. Der Zuzug von Unternehmen wie Sony ist wichtig, aber wir müssen auch für den Mittelstand Entwicklungsanreize zur Verfügung stellen. Der Ausbau unseres Reiseförderungsprogrammes „Music Ambassador“ zu einen ausgereiften Exportförderprogramm für die Berliner Unternehmen, wäre hier aus unserer Sicht ein nächster folgerichtiger Entwicklungsschritt.

Können Sie den Satz beenden „Berlin bedeutet...“?

...vor allem Chancen. Die Stadt ist die Zukunft für viele Menschen aus aller Welt, für die Vielfalt, Toleranz und Kreativität existentielle Grundrechte darstellen. Willkommenskultur und ein kosmopolitisches Klima sind durch den Zuzug und die Identifikation von hochqualifizierten Menschen zugleich aber immer auch eminent wirtschaftsfördernd.“

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